Eine Reise zurück nach Schottland

PELM. (vog) Erst nach und nach wurde Thea Merkelbach bewusst, dass sie mit ihrer Patchworkdecke vom Trödelmarkt einen wahren Schatz erstanden hatte. Sie fing an zu recherchieren und gelangte nach Schottland - zurück ins Jahr 1770.

 Der ganze Stolz von Thea Merkelbach ist ein historischer Quilt aus Schottland , der zum Teil im 18. Jahrhundert gefertigt wurde.Foto: Gabi Vogelsberg

Der ganze Stolz von Thea Merkelbach ist ein historischer Quilt aus Schottland , der zum Teil im 18. Jahrhundert gefertigt wurde.Foto: Gabi Vogelsberg

Nur für besondere Gäste lüftet die 65-jährige Thea Merkelbach die Tischdecke und die Glasplatte ihres Wohnzimmertisches. Verborgen und geschützt vor schädlichen Lichteinflüssen liegt im eigens angefertigten Vitrinentisch die antike Patchworkdecke, ein so genannter Quilt. Mit einem Blick ist das Kunstwerk gar nicht zu erfassen. Die Begeisterung scheint grenzenlos: So viele Einzelteile, jedes so winzig, so tolle Stoffe, so fantasievoll arrangierte Blüten. 10 000 Sechsecke (Hexagone), jedes so groß wie ein 20-Cent-Stück, bilden die 1,85 Meter auf 1,85 Meter große Decke. 838 bunte Blüten (jeweils sieben Hexagone ergeben eine Blüte) auf schwarzem Grund, der ebenfalls aus winzigen Sechsecken besteht. "Dieses Muster, das Großmutters Blumengarten heißt, hat mich schon immer fasziniert", sagt die Hobby-Patchworkerin. Vor vier Jahren kaufte sie die Decke auf einem Trödelmarkt in Berlin. Für 600 Euro. "Für Liebhaber ist sie viel mehr wert, wie ich von internationalen Quilt-Treffs in Salzburg und Lyon weiß", sagt Merkelbach. Der Preis spielt bei der aufgespürten Geschichte auch gar keine Rolle. Ihre Errungenschaft ist das Oberteil eines Quilts, einer gesteppten Patchworkdecke, Mittel- und Unterlage fehlen. Zum Glück, denn so entdeckte sie, dass auf der Rückseite Papierschablonen mit vernäht waren. Ihre Neugier ließ ihr keine Ruhe. Sie trennte etliche Papierschnipsel heraus und entdeckte die Zahl 1865 - die 18 gedruckt, die 65 handgeschrieben. Anderes konnte sie nicht zuordnen. Mit den winzigen Papierchen fuhr sie zu einem schottischen Antiquitätenhändler, der in Zilsdorf lebt. Merkelbach erinnert sich: "Der Schotte wusste sofort, dass alles zu einem Logbuch von einem Schiff gehört." Merkelbach hatte keine Ruhe, suchte weiter, fand Teile eines Namens: Earl of D . "Earl of Dalhousie", weiß Thea Merkelbach nach Recherchen im Internet und bei englischen Freunden. Vor kurzem war Merkelbach gemeinsam mit einer Nichte in Dundee. Im dortigen Heimatmuseum stieß sie mit Unterstützung auf weitere Informationen. Ihr Fazit: "Für 1865 kommen zwei Kapitäne in Frage, die die ,Earl of Dalhousie' gesteuert haben. Eine der Ehefrauen muss das Logbuch später zerschnitten haben", vermutet die Pelmerin. Ein Artikel über ihren Fund, den sie in einer Patchwork-Fachzeitung veröffentlichte, brachte sie zu einer Spezialabteilung der englischen Patchworkgilde - den "Heritage Officer", der sich um antike Quilts kümmert. Fotos und zig Mails gingen hin und her. Dann war klar: Viele der seidenen Stoffteile stammen von Tartanbändern, deshalb konnte die Näherin, die Hexagone auch nicht größer machen. Mehr als 150 verschiedene Seidenstoffe wurden verwendet. Merkelbachs Schlussfolgerung: "Das konnte sich keine Näherin aus dem Volk leisten. Zumal in der Decke die Arbeit von mindestens vier Jahren. Alles handgenäht." Die intensive Recherche führte Merkelbach auch ins Textilmuseum nach Krefeld. "Vorsichtig wie ein Baby habe ich den Quilt dahin getragen", erzählt sie. Die Expertinnen verrieten ihr, die ältesten Muster sind garantiert von 1770, die neuesten von 1860. In Krefeld erfuhr Merkelbach auch, warum die rosa- und fliederfarbenen Seide bröckelt. Eines ist klar: Der Fall lässt ihr keine Ruhe. Sie überlegt sogar, ein Buch über ihre Trödelmarkt-Entdeckung zu schreiben.

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