Enttäuschung auf der halben Linie

DAUN. Die Schule muss sich verändern, so das Fazit aus den ernüchternden Ergebnissen der Pisa-Studie von 2000. Wie schwierig es ist, die Forderung nach neuen Lern-Inhalten und effizienteren Lehrmethoden in die Praxis umzusetzen, erfuhr der TV bei einem Besuch am Thomas-Morus-Gymnasium (TMG) Daun.

Der Start eines Ganztagsschul-Angebotes am Thomas Morus Gymnasium Daun im Sommer 2004 wurde als positives Signal begrüßt. Trotz des Engagements vieler Lehrer und externer Honorarkräfte ist es für Schulleiter Hans Rößler enttäuschend, dass im zweiten Jahr nur noch 40 Schüler die Ganztagsschule (GTS) besuchen. "Wenn man sich in der Bevölkerung umhört, haben wir immer noch das schlechte Image einer Verwahr-anstalt", gibt GTS-Leiter Rudi Müller-Keßeler zu. Dabei bietet das GTS-Konzept des TMG weit mehr als die bloße Beaufsichtigung der Schüler. Als Ausgleich zum eher "kopflastigen Vormittagsunterricht" kön-nen die Schüler zum Beispiel im Kochkurs unter Anleitung von Profis Rezepte ausprobieren und eignen sich nebenbei alltagstaugliches Wissen über gesunde Ernährung, Hygiene und Haushaltsplanung an. Spiele fördern Konfliktfähigkeit, Fairness und Strategie, während im Musikkurs und beim Marionettenbau Kreativität gefragt ist. "Wenn man sieht, wie ältere Schüler den Kleinen helfen, und wenn es gelingt, Schüler unter-schiedlichen Alters und mit unterschiedlichen Fähigkeiten in einem kursübergreifenden Projekt zu integrieren, ist das ein toller Erfolg", sagt Rößler. Allerdings bereiten bei einem freiwilligen GTS-Angebot wie am TMG gerade die großen Unterschiede in Alter, Leistungsstand und Motivation der Schüler die meisten Schwierigkeiten. Solange die GTS nicht die Regel und für alle Schüler verpflichtend ist, besteht für manche Kinder die Gefahr, zum Außenseiter zu werden, etwa, wenn sich die Klassenkameraden an Sommernachmittagen zum Schwimmen verabreden. In der Hausaufgabenbetreuung hat man inzwischen eine gute Lösung gefunden: Nach Altersgruppen getrennt werden drei Schülergruppen von je zwei Lehrern im Wechsel betreut. Jeden Tag decken die drei anwesenden Lehrer alle Kernfächer ab, so dass die Schüler kompetente Ansprechpartner haben. Wenn Einzelbetreuung nötig ist, bekommen die Lehrer Unterstützung von Schülern der Klassen zehn und elf. Probleme bereite weiterhin die Personalstruktur, bilanziert Röß-ler. "Die Kommunikation mit den externen Fachkräften ist proble-matisch, da diese auch in andere Kontexte eingebunden und daher nur schwer an einen Tisch zu bringen sind." Außerdem seien die Externen oft überfordert, weil sie nicht genug Erfahrung mit Kin-dern und Jugendlichen mitbräch-ten. Bei den Lehrern sieht Rößler ebenfalls Fortbildungsbedarf, vor allem im Bereich Freizeitpädagogik und im Umgang mit verhal-tensauffälligen Schülern. Die ideale Voraussetzung zur Lösung der vorhandenen Probleme wäre für Rößler und Müller-Keßeler, wenn sie einen Sozialarbeiter oder Schulpsychologen nur für den GTS-Betrieb einstellen könnten. Doch das scheitert schlicht an der finanziellen Ausstattung, und so müssen wichtige Aufgaben wie Elterngespräche und das Entwickeln von Teamgeist "nebenbei" erledigt werden. Dennoch begreift Rößler die GTS als Chance, da Schüler hier stärker geprägt würden als im Unterricht. "Aber die GTS allein kann keine Schullaufbahn reparieren", sagt Rößler weiter. Er sieht auch die Eltern in der Pflicht, sich mit ihrem eigenen Verhalten auseinander zu setzen. Nicht nur die Schule müsse sich ändern, sondern auch das allgemeine Verständnis von Erziehung und Bildung, sonst blieben alle pädagogischen Bemühungen nach der Pisa-Debatte nur Symptombekämpfung.

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