Er weiß stets, was die Stunde schlägt

Müllenbach · Eine ausgeklügelte Mechanik, eine Geschichte mit kaum mehr zu klärenden Geheimnissen und ein enorm hohes Alter - das sind Eigenheiten einer Uhr, die der Turm der Kirche St. Hubertus in Müllenbach (Kreis Cochem-Zell) beherbergt. Wolfgang Fröschen kümmert sich darum, dass das antike Stück nach wie vor zuverlässig anzeigt, welche Stunde es geschlagen hat.

Müllenbach. Mehr oder minder rostige Zahnräder unterschiedlicher Größe greifen in monotonem Rhythmus unaufhörlich ineinander. Das Geräusch, das dabei entsteht, ist jedem Menschen vertraut: tick, tack, tick, tack. Dieser Klang und ein mehr als ein Meter langes Perpendikel, das sich in dessen Takt hin- und herbewegt, offenbaren auch dem Laien sofort den Sinn des rötlich-braunen bis schwarzen Räderwerks.
Menschen ganz nah


Es treibt die Zeiger auf dem 1,50 mal 1,50 Meter messenden Ziffernblatt an, das in die Außenwand des Müllenbacher Kirchturms eingelassen ist.
Doch nicht nur das: Die rechte Hälfte der Räderensembles lässt zu gegebener Zeit einen Hammer gegen eine Glocke in der Turmspitze schlagen. So können die Müllenbacher auch hören, wie spät es ist.
Zwei säulenartig lange Steine mit achteckigem Grundriss, die an flaschenzuggeführten Stahlseilen hängen, halten Uhr- und Schlagwerk in Gang. Der eine wiegt circa 120, der andere 145 Kilogramm. Alle vier Tage zieht der Rentner Wolfgang Fröschen (73) diese Steine wieder herauf, damit die Uhr nicht stehenbleibt - und das seit fast 40 Jahren.
Rückblick: 1973 steht die Müllenbacher Turmuhr schon seit mehreren Jahren still. In dieser Zeit schult Fröschen vom Elektriker der Standortverwaltung des Bundeswehrstützpunkts Büchel auf Flugzeuginstrumentenmechaniker um.
Im entsprechenden Lehrgang sind mehrere Uhrmacher. Ihnen erzählt der Eifler von der stillstehenden Uhr im Kirchturm seines Heimatorts. Urban Lorenz aus Klüsserath ist es schließlich, der mit Fröschen nach Müllenbach fährt. Gemeinsam erneuern sie in der Dreherei des Fliegerhorsts unter anderem die Gleitlager des Ankers, der über dem Räderwerk der Uhr sitzt. Danach läuft das gute Stück wieder.
Doch damit ist die Vergangenheit des Zeitmessers noch keineswegs klar. Wann genau er in den Turm der 1855 eingeweihten Kirche kam, lässt sich nicht ermitteln, erzählt Fröschen. "Die entsprechenden Kirchenbücher sind nicht mehr vorhanden."
Aber was bedeutet das merkwürdige Relief auf dem eisernen Perpendikel der Uhr? Eine Eule hockt auf einem Zahnrad, den Buchstaben W auf dem Kopf, J und F rahmen ihre Flügel ein. Etliche Jahre nach Reparatur der Uhr bringt ein Besuch im Turmuhrenmuseum der Burg Sayn Fröschen auf die richtige Fährte: Das Logo gehörte zur Turmuhrenfabrik Johann Friedrich Weule aus dem niedersächsischen Bockenem. Die setzte von 1826 bis in die 1950er Jahre Maßstäbe, ging dann jedoch pleite.
Weitere Recherchen verschafften Fröschen im Jahr 2002 Kontakt zum 82-jährigen Uhrmacher Walter Linne. Der hatte bei Weule gelernt. Ihm zeigte Fröschen Fotos der Müllenbacher Uhr. Linne war sich wegen einiger Bauteile sicher, dass die Uhr nicht von Weule gebaut, sondern allenfalls saniert worden sein könne. Das Uhrwerk müsse mindestens 100 Jahre älter sein als die Müllenbacher Kirche.

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