Erinnerung im Pflaster

Gerolstein gedenkt den jüdischen Bewohnern, die in der Zeit des Nationalsozialismus deportiert und ermordet wurden. Deswegen hat der Kölner Künstler Gunter Demnig am Montag in den Bürgersteig vor zwei Häusern in der Hauptstraße und der Mühlenstraße Gedenktafeln, sogenannte Stolpersteine, eingelassen.

Gerolstein. Rund 150, überwiegend junge Menschen kommen zur Verlegung der Stolpersteine am Montagmorgen. Vor dem Haus Nr. 59 in der Gerolsteiner Hauptstraße ist ein kleiner Bereich abgesperrt, aus dem Pflastersteine entnommen werden, um für die kleinen Messingtafeln Platz zu schaffen.

Damit geht eine lange Phase der Vorbereitung zu Ende: Seit 2005 wird in Gerolstein über die ebenerdigen Mahnmale des Künstlers Gunter Demnig kontrovers diskutiert. Erst 2009 kommt zwischen den Initiatoren des Projekts, dem Forum Eine Welt e.V. und der Stadtverwaltung, ein Kompromiss zustande: Nur wenn die jeweiligen Hauseigentümer zustimmen, dürfen Stolpersteine verlegt werden.

"Wir sind mit den Leuten im Gespräch", sagt Christa Karoli, Vorsitzende des Vereins. "Wir hoffen, dass wir mit der Aktion im nächsten Jahr fortfahren können. Es ist wichtig, dass wir heute einen Anfang machen."

"Ein Mensch ist erst vergessen, wenn sein Name vergessen ist", sagt Gunter Demnig in seiner kurzen Rede vor dem Haus in der Mühlenstraße Nummer 1. "Die Stolpersteine sind ein Geschenk der Bürger an die Gemeinde." In Gerolstein erinnern nun vier Gedenksteine an die beiden Ehepaare Nathan und Gertrud Levy sowie Moritz und Elise Levy - allesamt verschleppt und in Auschwitz beziehungsweise Theresienstadt ermordet.

Auch ein Zeitzeuge ist unter den Zuschauern: Paul Bernardy aus Betteldorf erinnert sich noch gut an Moritz Levy: "Herr Levy war ein fröhlicher, stets gut gelaunter Mann. Wir Kinder haben ihn sehr gemocht. Damals haben wir nicht begriffen, was vor sich ging." Schüler des St.-Matthias-Gymnasiums, die zurzeit einen Austausch mit israelischen Jugendlichen vorbereiten, sind gekommen, um ihre Zustimmung zum Projekt Stolperstein zu demonstrieren. "Niemand darf diese Gräueltaten vergessen", sagt die 17-jährige Sarah Schon. Besonders gut gefällt ihr, dass derjenige, der die Namen auf den Messingtafeln lesen will, sich zu ihnen herabbeugen muss. "Das ist eine Verneigung vor den Opfern der Nationalsozialisten." Die Zwillinge Stefan und Uli Heitmann, 18, sind von der Dekra-Akademie in die Gerolsteiner Innenstadt gekommen. Sie haben vor, ihre Mitschüler über die Stolpersteine aufzuklären: "Das sollten alle wissen", sagt Uli.

Bundesweit ist Gerolstein die 616. Gemeinde, in der in dieser Form an verfolgte und ermordete jüdische Mitbürger erinnert wird. "Es sind keine Grabsteine", sagt Gunter Demnig. "Für viele Angehörige der damaligen Opfer sind es Schlusssteine - eine Art Versöhnung."

Ralf Wagner-Nowak aus Kelberg ist Pate des Stolpersteins für Moritz Levy: "Vielleicht sind es auch Anfangssteine, die eine neue Zeit symbolisieren, in der so etwas nie wieder passieren kann."

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