Es begann mit einem kleinen roten Rad - Amerikanerin aus Rockeskyll gewinnt Cyclocross-Weltmeisterschaften

Rockeskyll · Ein Buch ist zu wenig für Lillian Pflukes Leben: Die 55-jährige US-Amerikanerin absolvierte als eine der ersten Frauen die Militärakademie, hat mit dem Rad Amerika durchquert, einen Weltrekord aufgestellt und den Brustkrebs besiegt. Im Januar hat sie sich einen langen Traum erfüllt und beim 15. Versuch den Weltmeistertitel im Cyclocross geholt. Als Eifelerin.

Lillian Pfluke steht zwischen ihren Fahrrädern. Von der Decke hängen Reifen, auf einem Regal türmt sich eine Pyramide aus Fahrradflaschen, an den Wänden hängen Stoffregale mit Schuhen für alle möglichen Radsportarten. "Das Rad ist für Cyclocross. Das sind spezielle Rennräder mit dickeren Reifen. Das ist ein Bahnrad. Das hat keine Bremse und keine Schaltung. Damit kann ich nicht auf die Straße." Sie lacht. "Das ist ein Downhill. Damit kann man nur Berg runter fahren." Und das Einrad? "Das ist nur Hobby."

Eigentlich ist Lillian Pfluke studierte Maschinenbauingenieurin. Und Pädagogin. Und Skilehrerin. Und Blinden-Ski-Ausbilderin. Nebenbei macht sie Fallschirmsprünge, durchquert mit dem Rad Amerika, überquert den höchsten befahrbaren Pass der Welt, stellt einen Weltrekord auf und fährt in verschiedenen Radsportdisziplinen aufs Podest.

Lillian Pflukes Leben klingt wie ein riesiges Abenteuer. Und genau so wollte es die 55-jährige US-Amerikanerin, die seit Juni 2014 bei ihrem Lebensgefährten in Rockeskyll in der Eifel lebt. "Fun, Travel, Adventure (Spaß, Reisen, Abenteuer)", antwortet sie grinsend auf die Frage, warum sie als junge Frau zur Armee ging. Als 1976 Frauen zur Militärakademie United States Military Academy in Westpoint/New York zugelassen wurden, gehörte Lillian Pfluke zu den ersten 62 Absolventinnen der "Kaderschmiede der amerikanischen Armee", wie ihr Lebensgefährte sie nennt.

Ihre Laufbahn begann wie die vieler Menschen: "Ich bin schon immer Rad gefahren. Als ich fünf Jahre alt war, habe ich ein kleines rotes Fahrrad von meinem Vater bekommen." Das kleine rote Rad wurde zur Leidenschaft für die US-Amerikanerin. Zunächst machte sie jahrelang Triathlon. "Aber die Triathlon-Saison ist in Europa so kurz und Radfahren war immer meine beste Disziplin", erklärt sie.

Deshalb widmete sie sich ab 1995, als sie mit ihrem damaligen Mann und ihren zwei Söhnen nach Paris zog, ganz dem Radfahren. In Frankreich startete sie für das Paris US Metro Team. Zunächst in der Elite-Klasse, in der sie zuletzt auf Platz 103 der besten Fahrer Frankreichs rangierte - bis sie 2002 ein Schicksalsschlag ereilte: Brustkrebs. Sie wurde mehrmals operiert, musste Chemo- und Strahlentherapie machen.

Ob der Sport ihr geholfen habe, die Krankheit zu überstehen? "Ja. Ich bin immer weitergefahren, selbst als ich keine Haare mehr hatte", sagt sie und lacht. Noch während ihrer Behandlung gewann sie die Bronzemedaille bei den World Masters Cyclocross Championships in Belgien. "Ich habe mich selbst nie als Krebspatientin gesehen, sondern als Athletin, die Krebs hat", sagt sie. Wahrscheinlich verdankt sie es dieser sportlichen Einstellung, dass sie 2003 unter rund 1000 Bewerbern ausgewählt wurde, bei der Tour of Hope mit Radsportlegende Lance Armstrong mitzufahren. Mit 23 Krebsüberlebenden legte sie in einer Woche 4800 Kilometer quer durch Amerika zurück, um die Krebsforschung zu unterstützen.

Sportlich fuhr Pfluke weiter Erfolge ein: In der Masters-Klasse für Seniorenradsportler erreichte sie unzählige Podestplätze bei Weltmeisterschaften. Am 3. Januar dieses Jahres krönte die 55-Jährige ihre Karriere: Sie wurde Weltmeisterin im Cyclocross (siehe Extra) in ihrer Altersklasse. "15 Mal bin ich zur Weltmeisterschaft gefahren und nie habe ich gewonnen. Jetzt endlich!", freut sie sich, "Jetzt habe ich als Prümerin gewonnen." Sie lacht. Seit Anfang des Jahres hat Lillian Pfluke eine deutsche Lizenz und fährt für den Radsport-Club RSC Prüm. Und da schließt sich ein Kreis: Pflukes Vater war von 1956 bis 1957 in Prüm stationiert. "Und hier bin ich wieder. Ist das nicht verrückt?" fragt Lillian Pfluke und lacht.Extra: Cyclocross

Das Querfeldeinrennen (auch Cyclocross) ist eine Disziplin des Radsports. Sie wird fast ausschließlich im Herbst und Winter auf unbefestigten Wegen ausgetragen.
Im Unterschied zu dem seit den 1980er Jahren immer stärker konkurrierenden Mountainbikesport wird beim Querfeldein auf in ihren Abmessungen modifizierten, stabileren Rennrädern gefahren. Die Reifen haben unterschiedliche Profilierung und Breite, sind aber durchgängig stärker profiliert und breiter als herkömmliche Rennradreifen. Quelle: Wikipedia
Extra Best of: Lillian Pfluke

 Ganz schön matschig: Lillian Pluke bei der Cyclocross-Weltmeisterschaft Anfang Januar in der Schweiz. Bei solchen Rennen braucht die 55-jährige US-Amerikanerin aus Rockeskyll zwei Fahrräder, weil das Gefährt zwischendurch so verklumpt, dass sie nicht mehr weiterfahren kann. Dann steht ihr Lebensgefährte bereit, um das Rad auszutauschen und das schmutzige zu säubern, bis der nächste Wechsel nötig wird. Foto: Werner Jacobs

Ganz schön matschig: Lillian Pluke bei der Cyclocross-Weltmeisterschaft Anfang Januar in der Schweiz. Bei solchen Rennen braucht die 55-jährige US-Amerikanerin aus Rockeskyll zwei Fahrräder, weil das Gefährt zwischendurch so verklumpt, dass sie nicht mehr weiterfahren kann. Dann steht ihr Lebensgefährte bereit, um das Rad auszutauschen und das schmutzige zu säubern, bis der nächste Wechsel nötig wird. Foto: Werner Jacobs

Foto: Werner Jacobs
 Weltrekord, Manchester, England, Sept 2006, 41.2397 kms

Weltrekord, Manchester, England, Sept 2006, 41.2397 kms

Foto: Privat
 Ladakh, India, Oktober 2014 bei 5600 Metern am Mountain Bike

Ladakh, India, Oktober 2014 bei 5600 Metern am Mountain Bike

Foto: Privat
 Geschafft: Lillian Pluke und ihre Söhne haben den Atlantik erreicht. In 52 Tagen haben sie einmal Amerika durchquert. Mit einem Fahrrad für drei. “Das ist wie ein Lastwagen in der Kurve„, erzählt sie lachend. Das Gefährt ist in etwa vier Meter lang und wiegt soviel wie ein Motorrad Foto: privat

Geschafft: Lillian Pluke und ihre Söhne haben den Atlantik erreicht. In 52 Tagen haben sie einmal Amerika durchquert. Mit einem Fahrrad für drei. “Das ist wie ein Lastwagen in der Kurve„, erzählt sie lachend. Das Gefährt ist in etwa vier Meter lang und wiegt soviel wie ein Motorrad Foto: privat

Foto: Privat


1980 gehört Lillian Pfluke zu den ersten 62 Frauen, die die renommierte United States Military Academy in Westpoint/New York absolvieren.
2003 nimmt sie als eine von 24 Krebsüberlebenden an der Tour of Hope mit Radsportlegende Lance Armstrong teil.
2006 durchquert sie mit ihren Söhnen (damals 14 und 16 Jahre alt) auf einem Fahrrad für drei Amerika von Oregon bis New Hampshire (rund 6000 Kilometer in 52 Tagen). "Wenn man so etwas macht, startet man mit dem Hinterrad im Pazifik und am Ziel fährt man mit dem Vorderrad in den Atlantik", erklärt Lillian Pfluke mit leuchtenden Augen.
2006 stellt sie in Manchester den Bahnweltrekord in ihrer Altersklasse auf: 41,2397 Kilometer pro Stunde.
2008 durchquert sie erneut mit ihren Söhnen Amerika, von Kanada bis Mexiko (3140 Kilometer in 22 Tagen) durch die Rocky Mountains.
2014 wird sie gemeinsam mit einer Blinden französische Meisterin im Paracyclisme (Behindertenradsport).
2014 überquert sie mit dem Mountainbike den höchsten befahrbaren Pass der Welt im Himalaja (5603 Meter hoch).
2015 wird sie in Gossau (Schweiz) Cyclocross-Weltmeisterin in ihrer Altersklasse (55). aweb

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