"Es steht sehr viel auf dem Spiel"

Gerolstein · Die Ausweitung des Gesteinsabbaus bedroht auch das Grund- und Mineralwasser der Vulkaneifel. Das sagen Naturschützer und Vertreter der Mineralbrunnenindustrie. Sie fordern daher Gebiete, in denen der Schutz und die Gewinnung von Mineralwasser absoluten Vorrang haben.

Gerolstein. Neben der Zerstörung der Landschaft und massiven Einbußen im Tourismusgeschäft befürchten Kritiker, dass die Erweiterung des Gesteinsabbaus in der Vulkaneifel auch das Grund- und Mineralwasser bedroht - mit der Wasserversorgung Hunderttausender Menschen und Hunderten von Arbeitsplätzen in der strukturschwachen Region. So sagt Norbert Leinung von der BUND-Kreisgruppe: "Jährlich werden im Kreis 13 Millionen Kubikmeter Trinkwasser gefördert. Damit versorgen wir 250 000 Menschen in der gesamten Region." Denn das Wasser wird, weil reichlich vorhanden und gut, nicht nur im Kreis konsumiert, sondern auch ins benachbarte Nordrhein-Westfalen und bis an die Mosel exportiert. Grabungen nah bei Brunnen

Doch der Gesteinsabbau, und vor allem die geplante massive Ausweitung, bedrohe das Grundwasser. Leinung sagt: "Mit jedem Abtrag der Deckschicht besteht die Gefahr der Verunreinigung des Grundwassers. Denn Schadstoffe können, wenn tief gegraben wird, schnell und ungefiltert ins Grundwasser gelangen und dieses verunreinigen. Bei der geplanten Erweiterung ist das nur eine Frage der Zeit." Zudem gehe durch das Abtragen der obersten Schichten die Speicherfähigkeit des Bodens verloren. Besonders spricht er sich dafür aus, nicht im Wassereinzugsgebiet der Mineralbrunnen in der Vulkaneifel zu graben. Nach seinen Erkenntnissen wird schon jetzt in und um die Gerolsteiner Kalkmulde, wo der Gerolsteiner Brunnen seine Quellen hat, auf rund 300 Hektar Gestein abgebaut. Die Erweiterungspläne sehen laut Leinung eine Ausweitung auf 800 Hektar vor. Auch in der Nähe der Nürburgquelle in Dreis-Brück wird bereits gegraben, vor allem am Eselsberg und am Radersberg. Zudem ist eine neue Grube am Reinertsberg in der Planung. Und nahe des Dauner Sprudels wird am Mäuseberg und am Fuchskopf abgebaut. Leinung sagt: "Hier steht langfristig sehr viel auf dem Spiel." Das sieht die Mineralwasserbranche ebenso. Daher hat der Verband Deutscher Mineralbrunnen bereits eine kritische Stellungnahme an die Planungsgemeinschaft Trier geschickt (siehe Extra), hinter der auch Hermann Kreuter, Chef der Nürburgquelle, die 110 Menschen beschäftigt, steht. Die Vertreter des Gerolsteiner Brunnens verzichten auf markige Worte. Dennoch ist ihnen die Tragweite bewusst. "Wir sind von den Planungen direkt betroffen, und es ist für uns auch eine existenzielle Frage", sagt der kaufmännische Geschäftsführer Joachim Schwarz, "aber wir wollen nicht lautstark polarisieren, sondern nach Lösungen suchen." Und deswegen beschäftigt sich das Unternehmen, das mit einem Jahresumsatz von rund 230 Millionen Euro und 750 Arbeitsplätzen einer der größten Arbeitgeber in der Region ist, seit geraumer Zeit mit dem Thema. So sagt der technische Geschäftsführer Ulrich Rust: "Wir sind seit etwa sechs Jahren, seit das neue Landesentwicklungsprogramm auf den Weg gebracht wurde, in der Sache aktiv und haben erreicht, dass nicht nur das Trink-, sondern erstmals auch das Mineralwasser als schützenswertes Gut ins Landesentwicklungsprogramm aufgenommen wurde." Bei der nun beginnenden entscheidenden Phase der Raumplanung ist es laut Rust "Ziel des Unternehmens, in der Gerolsteiner Kalkmulde Vorrangflächen für Mineralwasser zu generieren". Dies hätte zur Folge, dass bei allen anderen gewünschten Nutzungen, wie etwa dem Gesteinsabbau, erst einmal der Brunnen gefragt werden müsste. Während das Unternehmen am Bestand der Abbauflächen in der Gerolsteiner Mulde nicht rütteln will ("Das ist unrealistisch"), lehnt es Erweiterungen dort aber kategorisch ab. In ähnlicher Sache hatte das Unternehmen mit seinen Bemühungen schon einmal Erfolg. So werden Erdwärmebohrungen in der Gerolsteiner Kalkmulde wegen der Gefahr für die Mineralquellen in der Regel nicht genehmigt. Wie es diesmal ausgeht, ist offen. Einen Teilerfolg vermelden die Brunnenvertreter aber bereits: "Eine Zusage, mit an den Runden Tisch zu kommen, wenn über die konkreten Abbaugebiete entschieden wird, haben wir bereits", sagt Rust. Meinung

Spiel mit dem FeuerNatürlich hat der Gesteinsabbau in der Vulkaneifel seine Berechtigung, da Lava, Basalt und Kalkgestein wichtige Rohstoffe sind - und Arbeitsplätze daran hängen. Aber bitte in Maßen und nur dort, wo er Mensch und Natur nicht massiv beeinträchtigt. Im Einzugsgebiet der Mineralwasserindustrie hingegen sollte der Abbau tabu sein. Es ist ein Spiel mit dem Feuer. Was passiert, wenn Mineralwasservorkommen - und sei es auch nur minimal - verunreinigt sind, hat das tragische Beispiel des Birresborner Phönix-Sprudels gezeigt. Nach langer Tradition musste er 2003 von jetzt auf gleich schließen, alle Mitarbeiter verloren ihren Job. Ein ähnlicher Vorfall in der Gerolsteiner Kalkmulde mit seinen großen Mineralwasservorkommen käme einer Katastrophe größten Ausmaßes für die gesamte Vulkaneifel gleich. Das muss allen Beteiligten klar sein. Daher kann es nur zwei Ziele geben: Kurzfristig muss allen Erweiterungsplänen für Gesteinsabbau in der Gerolsteiner Kalkmulde eine Absage erteilt werden. Mittelfristig müssen Lösungen erarbeitet werden, den bereits genehmigten Abbau im Mineralwassereinzugsgebiet zu stoppen - auch wenn das Entschädigungszahlungen mit sich bringt oder über weniger sensible Ersatzflächen nachgedacht werden muss. m.huebner@volksfreund.deExtra

In seiner Stellungnahme an die Planungsgemeinschaft der Region Trier zeigt der Verband Deutscher Mineralbrunnen die Risiken auf, die mit einem Gesteinsabbau im Einzugsgebiet von Mineralwasservorkommen verbunden sind. Es heißt: "Ein Rohstoffabbau stellt … durch das Aufbrechen der Gesteine eine besondere Gefahr für das natürliche Mineralwasser …dar. Die .. tiefer liegenden Wasserreservoire verlieren ihren Schutz, wenn darüber liegende, hydrogeologisch wichtige Erdschichten entfernt werden. Damit einher geht auch ein Verlust von Filtereigenschaften." Weiterhin wird betont, dass Mineralwasser laut Verordnung "von ursprünglicher Reinheit" sein muss. Weist das Wasser eine Verunreinigung auf, darf es nicht mehr gewonnen und als Mineralwasser verkauft werden - auch wenn es nachträglich gereinigt werden könnte. Daher fordert der Verband, dass die bisherigen Gesteinsabbauplanungen ausgesetzt und bei einer Neuaufnahme die Interessen der Mineralbrunnenunternehmen "in erhöhtem Maße Rechnung getragen werden". mh

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