Faires Duell zweier Kandidaten

Von Politikverdrossenheit keine Spur: Mehr als 250 interessierte Bürger sind am Montagabend ins Rondell nach Gerolstein gekommen, um sich dort über die beiden Kandidaten für das Amt des Stadtbürgermeisters zu informieren und überdies die eine oder andere Frage loszuwerden.

Gerolstein. Bernd May (51) und Knut Wichmann (56): Die beiden unabhängigen Bewerber für das Amt des Gerolsteiner Stadtbürgermeisters eint nicht nur das Ziel, am kommenden Sonntag gewählt zu werden, auch ihre Vorstellungen für die Zukunft der Brunnenstadt liegen nicht weit auseinander. Von TV-Redakteur Mario Hübner gefragt, welche Aufgabe sie denn nach einer Wahl als Erstes angehen wollen, nennen beide den Kindergarten. Allerdings müsse es nicht zwangsläufig auf einen Neubau hinauslaufen, sagt Wichmann, der auch ein SPD-Parteibuch hat. "Ich muss mir erst ein genaues Bild machen, dann muss man abwägen. Auch die Bürger sollen mitentscheiden, wenn alle Fakten auf dem Tisch sind", sagt Wichmann. Bernd May macht deutlich: "Die Zeit drängt."

In seiner "flammenden Rede" betont May, dass er die anstehenden Themen wie die Zukunft des Bahnhofs "offen und transparent" angehen wolle. Gerolstein habe mit seinem in der Welt bekannten Namen gute Voraussetzungen, auch den Tourismus weiter zu stärken. May verspricht, nach einer Wahl die Situation der Stadt schnell zu analysieren und Lösungen zu finden.

Wichmann greift in seiner Rede das Bild des Schiffes "MS Gerolstein" auf, das von seinem Kapitän auf hoher See verlassen worden ist - ein Verweis auf den Rücktritt des bisherigen Stadtbürgermeisters Karl-Heinz Schwartz.

Er sei bereit, das Steuer zu übernehmen und Gerolstein "in den sicheren Hafen Zukunft" zu führen. In seiner Zeit bei der Bundeswehr habe er viele Erfahrungen gemacht. Das wichtigste Kommando aber, das er mit ins Rathaus nehmen wolle, sei: "Rührt euch!"

Natürlich wollen die Besucher an diesem Abend nicht nur Allgemeines hören, sondern auch, wie sich die Bewerber konkrete Lösungen, etwa für den Bahnhof vorstellen. May zeigt sich dabei offen für eine Einbeziehung privater Investoren. Das sei mit einem schlüssigen Gesamtkonzept durchaus denkbar. Klar sei aber, dass etwas passieren müsse. "Gerolstein kann sich der Umgestaltung des Bahnhofs nicht entziehen", sagt May. Derzeit sei das Aushängeschild der Stadt in einem desolaten Zustand. Auch Wichmann betont die Bedeutung des Bahnhofs: "Das ist ein Alleinstellungsmerkmal." Um die Situation dort zu verbessern, setzt Wichmann auf einen Ideenwettbewerb.

Große Sprünge kann die Stadt angesichts der Haushaltslage derzeit nicht machen. Um diese Situation in den Griff zu bekommen, kündigt Wichmann an, alle Ausgaben auf ihre Zweckmäßigkeit zu überprüfen.

Aber bei Investitionen in die Zukunft müsse auch Geld ausgegeben werden. "Da muss man sich an den Bedürfnissen und Möglichkeiten orientieren", sagt Wichmann. May hingegen setzt auf eine Steigerung der Einnahmen: "Gerade im Tourismus gibt es noch ein enormes Potenzial."

Bei der Arbeit mit den Gremien, wo in jüngster Zeit das Gesprächsklima deutlich gelitten und Ex-Stadtbürgermeister Schwartz daher unter anderem Ordnungsgelder angedroht hat, kündigen beide Kandidaten an, offen und ohne Vorbehalte auf alle Beteiligten zuzugehen. Es solle nicht mehr um persönliche Befindlichkeiten gehen, sondern wieder an der Sache orientiert diskutiert werden.

Beim Forum gehen beide Kandidaten schon einmal mit gutem Beispiel voran. Schon direkt nach dem Ende der Bewerbungsfrist haben sich beide einen fairen Wahlkampf versprochen. Und daher auf das vom Moderator angebotene "Kreuzverhör" verzichtet.

Meinung

Die Katze bleibt im Sack

Einen fairen Wahlkampf haben sich die beiden Kandidaten versprochen - und daran haben sie sich bislang auch gehalten. Doch bei den Inhalten blieb es dünn. Keiner der Kandidaten wollte sich weiter als unbedingt nötig aus dem Fenster lehnen. Bürger einbeziehen, offen auf alle zugehen, sachorientiert an Lösungen arbeiten: Das ist mittlerweile das Standardvokabular jedes Lokalpolitikers. Solche Aussagen sind gut und schön - vor allem weil sie von inhaltlichen Festlegungen ablenken. Für die Bürger wird die Entscheidung über ihr neues Stadtoberhaupt so nicht einfacher. Niemand kann sich sicher sein, was der Kandidat, den man gewählt hat, nachher umsetzt - und ob das im eigenen Sinne ist. Es fehlen klare Positionen und Ideen, an denen sich die Wähler orientieren können. So bleibt die Katze schlicht im Sack. c.brunker@volksfreund.de

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