Falsche Papiere aus dem Osten

120 gefälschte Führerscheine aus Litauen, die deutsche Autofahrer sich illegal beschafft hatten, sind bundesweit bei Kontrollen aufgefallen. Etliche davon im Landkreis Vulkaneifel. Ein 28-Jähriger aus der Verbandsgemeinde Gerolstein stand deshalb vorm Dauner Amtsgericht. Der Prozess wurde vertagt, bis weitere Fakten aus Litauen vorliegen.

Daun/Gerolstein. (vog) Der Angeklagte kommt adrett gekleidet zur Verhandlung. Nichts deutet darauf hin, dass der 28-Jährige bereits eine Menge "auf dem Kerbholz" hat. Er war drogenabhängig und auch als Drogenkurier unterwegs. Von 2001 bis Anfang 2006 hat er die meiste Zeit im Gefängnis verbracht. Den Führerschein war er schon lange los. Der vorgeschriebene medizinisch-psychologische Test für einen neuen deutschen Führerschein war ihm zu aufwendig.

Der 28-Jährige erklärt: "Bei einem Fest in Gerolstein habe ich dann jemandenkennen gelernt, der Kontakte nach Litauen hatte, wo ich für 1500 Euro einen Führerschein machen konnte." Im April, Mai und Juni 2006 sei er jeweils für eine Woche nach Litauen zur Fahrschule gefahren. Weitere Kosten von 500 Euro. Am 26. Juni 2006 erhielt er seinen litauischen Führerschein. Beim Umschreiben zur deutschen Fahrerlaubnis am 4. Dezember 2007 flog der Schwindel auf.

Das illegale Papier zum Fälscher zurückgeschickt



Richter Hans Schrot hakt nach, will mehr über die Mittelsmänner wissen. Der Angeklagte, der seit kurzem in der Nähe von Koblenz wohnt, sagt: "Den Namen des Kontaktmannes kenne ich nicht." Er nennt die Gerolsteiner Firma, bei der er angeblich arbeitet.

Staatsanwältin Kristina Speicher und Richter Schrot glauben dem Angeklagten kein Wort. Schrot: "Es gibt hier in der Region eine Welle von gefälschten Führerscheinen aus Litauen. Keiner der anderen, die aufgefallen sind, war dort. Sie auch nicht." Verteidiger Detlef Jähnke stellt den Fall anders dar: "Er hat bei der Dauner Kreisverwaltung doch selbst den Führerschein prüfen lassen." Als die Fälschung klar war, hat der Angeklagte das illegale Papier nach Litauen zurückgeschickt. Schrot kopfschüttelnd: "Dem Fälscher auch noch das illegale Dokument zu schicken, da packt man sich doch an den Kopf." Er vertagt den Prozess, bis weitere Fakten aus Litauen (Hotelbelege und Eintragungen bei der Führerscheinbehörde) vorliegen.

Bei der Dauner Kreisverwaltung fällt die Anzahl der illegalen Führerscheine nicht ins Gewicht. Richter Schrot erklärt: "Viele fahren weiter mit dem illegalen Papier, ohne es laut deutschem Recht nach einem halben Jahr umschreiben zu lassen." Meist greifen Alkohol- und Drogenabhängige, denen die deutsche Fahrerlaubnis entzogen wurde, zur Masche des Führerscheintourismus (siehe Extra).

Heinz-Peter Thiel, Chef der Dauner Polizei: "Bei Verkehrskontrollen entdecken wir immer wieder welche." Nach seinen Erkenntnissen betrifft es in erster Linie die Drogenszene. Als "groben Einzugsbereich" nennt Thiel das Gerolsteiner Land.Extra Beim "Führerscheintourismus" beschaffen sich deutsche Autofahrer, denen die Fahrerlaubnis entzogen wurde, illegal im europäischen Ausland einen neuen Führerschein. Laut Josef Loth von der Spezialstelle beim Flensburger Kraftfahrtbundesamt (KBA) sind von Juli 2004 bis Dezember 2008 rund 12 000 illegale Führerscheine in Deutschland aufgefallen. 7300 stammen aus Tschechien, 2600 aus Polen und 120 aus Litauen. Loth vermutet: "Das ist nur die Spitze des Eisberges. Die wahre Zahl der illegalen Führerscheine lässt sich nicht schätzen, da viele sie nicht nach deutschem Recht umschreiben lassen." Die Gerichte beschäftigen sich bundes- und europaweit mit der Bekämpfung. Seit Montag, 19. Januar, gelten noch strengere Richtlinien. Dann dürfen EU-weit Führerscheine nur noch ausgehändigt werden, wenn sicher ist, dass im Herkunftsland des Fahrers gegen ihn keine rechtlichen Bedenken bestehen. Wird die Fahrerlaubnis trotzdem ausgegeben, kann dem Inhaber in Deutschland das Führen eines Fahrzeugs verboten werden. (vog)

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