"Fühlen uns total überrumpelt"

Gerolstein · Nach mehr als 20 Jahren droht das Aus: Der Schulträgerausschuss der Verbandsgemeinde hat beschlossen, dass die Verwaltung mit der Schulaufsichtsbehörde über die Auflösung des Grundschulzweigs der Realschule plus in Gerolstein diskutieren soll. Geplant ist die Eingliederung in die Grundschule Waldstraße. Schulleitung und Elternschaft sind verärgert bis fassungslos.

 Auf dem Spiel steht – für Lehrer und Eltern überraschend – der Grundschulzweig der Grund- und Realschule plus in Gerolstein. Die derzeit 49 Kinder werden in einem eigenen Trakt unterrichtet. TV-Foto: Mario Hübner

Auf dem Spiel steht – für Lehrer und Eltern überraschend – der Grundschulzweig der Grund- und Realschule plus in Gerolstein. Die derzeit 49 Kinder werden in einem eigenen Trakt unterrichtet. TV-Foto: Mario Hübner

Foto: Mario Hübner (mh) ("TV-Upload H?bner"

Gerolstein. Günter Mehles, Leiter der Grund- und Realschule plus in Gerolstein, ist sauer. "Wir können über alles reden, wir sind für alles offen. Aber bitteschön öffentlich, transparent und mit allen Beteiligten am Tisch", sagt er in Bezug auf die Überlegungen zur Auflösung des Grundschulzweigs an seiner Schule, der seit 1994 besteht. Derzeit werden dort 49 Kinder in drei Klassen unterrichtet, darunter eine Kombiklasse (1. und 2. Schuljahr).

Mehles fühlt sich vom Schulträger, der VG Gerolstein mit Verwaltungschef Matthias Pauly (CDU) an der Spitze, "total überrumpelt" und meint: "Ich weiß nicht, weshalb ohne Not eine solche Diskussion losgetreten und der Schulfrieden gestört wird."

Was ist passiert? In den Osterferien haben Bürgermeister Pauly und der für Schulen zuständige Fachbereichsleiter Bernd Schmitz - die Schulleitung zu einem Gespräch eingeladen. "Uns wurde gesagt, dass aus Gründen der Kostenersparnis überlegt werde, uns in die Grundschule Waldstraße zu verlegen. Dabei ging es um die drei Container an unserer Schule, die jährlich 25 000 Euro kosten sollen", berichtet Mehles. Auf die Einwände, dass es erstens pädagogisch sinnvoll sei, kleine Klassen zu unterrichten, und dass zweitens "ein bis zwei Klassen auch im Gebäude untergebracht werden könnten", wurde laut Mehles nicht eingegangen. Er sagt: "Die Containerkosten waren uns gegenüber nie ein Thema."

Vielmehr habe er nur einige Tage später eine Einladung zur Sitzung des Schulträgerausschusses bekommen. Darin enthalten war folgender Vorschlag der Verwaltung: "Auflösung des Schulbezirks der Grund- und Realschule plus Gerolstein zum Ende des jetzigen Schuljahres 2015/16 und Eingliederung in den Schulbezirk der Grundschule Gerolstein (An der Waldstraße)." "Ich wurde komplett überrumpelt", sagt Mehles und fügt hinzu: "Die Verwaltungsvorlage war bereits im Detail ausgearbeitet - mit Schülerzahlen, Prognosen und Kosten. So schnell geht das nicht. Sie muss also schon vor unserem Gespräch erarbeitet worden sein."Thema abgesetzt

Am Dienstagabend sollte über den Beschluss des Ausschusses öffentlich im Verbandsgemeinderat informiert werden. Auf Vorschlag von Pauly, dem der VG-Rat einstimmig folgte, wurde der Punkt dann aber von der Tagesordnung abgesetzt. Kurz zuvor war zudem die Verwaltungsvorlage mit dem Vorschlag der Auflösung des Grundschulzweigs bereits zum Ende dieses Schuljahrs aus dem Ratsinformationssystem genommen worden.

Dem TV liegt er aber vor. Hintergrund des Rückziehers: In der nichtöffentlichen Ausschusssitzung wurde die Auflösung zum Schuljahresende doch noch nicht beschlossen. Dafür gab es folgenden Beschluss, über den der Bürgermeister den TV auf Anfrage informierte: "Zum Thema Schulentwicklung hat der Schulträgerausschuss einstimmig beschlossen, dass die Verwaltung mit der ADD Gespräche über die mögliche Auflösung des Schulbezirkes der Grundschule in der Grund- und Realschule plus Gerolstein und die Eingliederung in die Grundschule Waldstraße führen soll."

Offiziell noch nicht informiert ist die Elternschaft der betroffenen Grundschüler, dennoch hat sich die Nachricht bereits rumgesprochen. Für kommende Woche hat Schulleiter Mehles daher eine außerordentliche Elternversammlung anberaumt, denn "schon jetzt klingelt bei mir dauernd das Telefon, weil besorgte Eltern wissen wollen, was es mit der Auflösung auf sich hat".

Auch Schulelternbeiratsmitglied Kerstin Kreis aus Gerolstein hat bislang "nur beiläufig gehört, dass da irgend etwas vor sich geht". Und nun eben die Einladung zur Elternversammlung bekommen. Sie sagt: "Es ist für uns als Elternvertreter schon ein Schlag ins Gesicht, dass wir erst so spät informiert werden, quasi vor vollendete Tatsachen gestellt werden und kein Mitspracherecht haben."

Kerstin Bockhoop-Maci, Schulelternsprecherin für den Grundschulzweig, ist ebenfalls sauer. Sie sagt: "Ich bin schockiert und habe das Gefühl, dass sowohl die Arbeit der Lehrer und auch von uns Eltern offensichtlich nicht gewürdigt wird. Ich sehe keine Notwendigkeit für eine Auflösung. Im Gegenteil: Die kleinen Klassen und die prima Betreuung werden von den Eltern sehr geschätzt."

Sie zweifelt daran, dass diese Art der Betreuung und des flexiblen Angebots - Eltern können ihr Kind zwischen einem und vier Nachmittagen in der Schule lassen - auch an der deutlich größeren Grundschule Waldstraße möglich sein wird. Für die Elternbeiratssitzung kommende Woche erwartet sie "ein großes Entsetzen", zudem geht sie davon aus, "dass wir eine Auflösung nicht einfach so heimnehmen, sondern Herrn Pauly und der ADD mal einen Brief schreiben werden".Meinung

Hoher DiskussionsbedarfEs kommt schon sehr selten vor, dass sich ein Schulträger vor Ort bei der Schulaufsicht meldet, weil er eine Schule (oder Schulzweig) aufgeben möchte. Wenn er das trotzdem nach mehr als 20 Jahren tut, dann hat er dafür gute Gründe, hat diese dargelegt und in einem entsprechend langen Prozess offen diskutiert: mit den politisch Verantwortlichen, der Schulleitung und Lehrerschaft sowie den Eltern. Ist selbstverständlich. Bei dem von der Verwaltung nun eingeleiteten Ende für den Grundschulzweig an der Grund- und Realschule plus in Gerolstein war nichts davon der Fall. "Kosten- und organisatorische Gründe" werden salopp als Rechtfertigung vorgebracht. Das ist weder stichhaltig noch akzeptabel! Geradezu unglaublich ist, dass das Aus wie aus heiterem Himmel nichtöffentlich beschlossen, danach kurz darüber informiert und dann binnen dreier Monaten vollzogen werden sollte. Dass nun doch noch zuerst die Schulaufsichtsbehörde einbezogen wird, sichert den Fortbestand des Grunschulzweigs keineswegs. Es bringt aber Zeit. Zeit für die dringend notwendige, breite und transparente Diskussion. Eltern und Lehrer haben ein Recht darauf. m.huebner@volksfreund.deExtra

Gerolsteins Bürgermeister Matthias Pauly bezieht Stellung zum Vorwurf von Schulleitung und Elternschaft, mit der Diskussion um Auflösung des Grundschulzweigs an der Realschule plus in Gerolstein überrumpelt worden zu sein: "Über den Schulbezirk entscheidet die Schulbehörde (ADD Trier). Die ADD führt auch die notwendigen Beteiligungen/Anhörungen mit dem Schulausschuss, Elternbeirat etc. durch. Der Schulträger (VG Gerolstein) schiebt lediglich das entsprechende Verfahren an. Wir stehen also noch ganz am Anfang eines längeren Entscheidungsprozesses. Insoweit kann von Überrumpelung keine Rede sein." Außerdem ist die Schulleitung nach Worten des Bürgermeisters vor den Ausschusssitzungen, in denen es um die Auflösung ging, informiert worden. An der Beratung und Beschlussfassung sei sie allerdings nicht beteiligt gewesen. Voraussichtlich im Mai werde das Gespräch zwischen Schulträger (VG) und Schulaufsichtsbehörde (ADD) stattfinden. Pauly sagt: "Die Diskussion hat also erst begonnen. Ob und wann es zu einer Entscheidung der ADD kommt, bleibt abzuwarten." mh

Meistgelesen
Neueste Artikel
Zum Thema
Aus dem Ressort