Geschichte Von der Wiege bis zur Bahre – Formulare

Dockweiler · In Geburtsbriefen waren früher Daten weniger wichtig als Aussagen über eheliche und „ehrliche“ Geburten. Das belegt auch ein Dokument aus Dockweiler.

 „Geburtsbrief für Leodegar Schotheler von Dockweiler“ aus dem Jahr 1670.

„Geburtsbrief für Leodegar Schotheler von Dockweiler“ aus dem Jahr 1670.

Foto: TV/Alois Mayer

Nicht nur in der Gegenwart sind Urkunden von Bedeutung. Schon seit dem frühen und hohen Mittelalter sind sie über Jahrhunderte hinweg häufig die einzigen überlieferten Dokumente. Für Historiker und Heimatkundler stellen sie wichtige Quellen für ihre Forschung dar und erlauben Einblicke in das Rechtsleben ehemaliger Epochen.

Rechtskräftig wurden Urkunden jedoch nur durch eine Beglaubigung. Das ist auch heute noch so. Sind es zur Zeit überwiegend noch Stempel und die Unterschrift des zuständigen Urkundenausstellers, so war das vorherrschende Beglaubigungsmittel im Mittelalter das Siegel (aus Wachs), das in der Regel an einem Seidenfaden oder einer Kordel an der Urkunde befestigt war. Klar, das Namenszeichen des Siegelführers und der Hinweis auf sein Amt durften ebenfalls nicht fehlen.

In der Jetztzeit wird wohl der Personalausweis oder die Identitätskarte am meisten verlangt und angeschaut. Diese sind jedoch nur erhältlich, wenn eine Geburtsurkunde vorgelegt werden kann. Diese Urkunde, dass ein neuer Mensch geboren wurde, erstellt das Standesamt des Geburtsortes des Kindes und händigt ihn in der Regel persönlich den Eltern aus.

Zur Freude vieler Genealogen finden sich noch Geburtsurkunden vergangener Jahrhunderte, die allgemein als Personalausweis galten. Genannt wurden sie meist „Geburts- oder Mannrechtsbriefe“. Im Gegensatz zu heute waren sie umfangreicher. Selten gaben sie genaue Geburtsdaten an, bezeugten dafür aber die eheliche Geburt der jeweiligen Person und benannten namentlich die Eltern, beschrieben den Leumund und trafen Aussagen über Vermögen und eventuelle Lehnsabhängigkeiten. Dies war von Bedeutung, denn der Betreffende durfte keiner fremden Herrschaft leibeigen sein. Der Geburtsbrief bestätigte so auch gleichzeitig die persönliche Freiheit seines Besitzers.

Die Ausstellung beziehungsweise der Besitz eines solchen Geburtsbriefes war in der Regel notwendig, wenn eine Person sich in einem anderen Ort niederlassen, eine Ehe eingehen, einen Beruf erlernen oder ausüben oder in eine Bruderschaft oder Zunft aufgenommen werden wollte. Bedeutsam ist dabei die Betonung, dass der Inhaber eines solchen Geburtsbriefes „ehelich und ehrbar“ war sowie von Eltern mit gutem Ruf abstammte. Angaben über Vermögensverhältnisse von Bürgen, schuld- und schuldenfreie Umstände, erleichterten die Entscheidungen von Gemeinden oder Arbeitgebern über Anträge des Bittstellers enorm.

Wer nicht „ehrlicher“ Herkunft war, wurde nicht als Lehrling zugelassen, durfte weder das Handwerk ausüben noch erhielt er Wohnrecht in einer Gemeinde. Mit der Ausstellung eines Geburtsbriefes wurden dem Empfänger bester Leumund und Ehrbarkeit bescheinigt. Gleichzeitig war damit die Verleihung des Mannrechts gegeben, also die volle Eidesfähigkeit und Rechtsfähigkeit. Die Bescheinigung war die Voraussetzung, um als Bürger an einem neuen Wohnort aufgenommen zu werden und fortan in den Genuss aller Bürgerrechte zu gelangen.

Die Aussteller eines Geburtsbriefes waren in der Regel die Geburtsgemeinde oder die jeweilige Herrschaft. Die Formulierungen in solchen Papier- oder Pergamentdokumenten ähneln sich.

Als Beispiel folgt der „Geburtsbrief für Leodegar Schotheler von Dockweiler“ aus dem Jahr 1670. Er befindet sich im Stadtarchiv Mainz G/1670 Oktober 1 und ist auf Pergament geschrieben. Das einstige Siegel ist nicht mehr vorhanden. Die Urkunde wird in freier Übersetzung wiedergegeben:

„Wir, Schultheiß und Schöffen des Hochgerichts zu Dockweiler-Dreis in der Herrschaft Kerpen in der Eifel, verkünden allen, die diesen unseren öffentlichen Brief sehen, dass der Inhaber dieses Briefes, der ehrenhafte Leodegar Schotheler von Dockweiler, etliche Jahre in unserer Gemeinde, aber auch anderenorts wohnte. Er bat uns inständig, Auskunft über seine eheliche und freie Geburt, über seine Abstammung und sein Verhalten zu erteilen, da dies für seinen weiteren Lebensweg notwendig wäre.

Sein Ersuchen und Bitten halten wir für angebracht und sind zur wahrheitsgemäßen Auskunft verpflichtet. Deshalb bekennen und bezeugen wir kraft unserer Amts- und Gerichtspflichten mit diesem öffentlichen Brief, dass vorgenannter ehrenwerter Leodegar ein ehelicher Sohn der Eheleute Martin Schotheler, Bürger zu Dockweiler, und seiner verstorbenen Ehefrau Katharina Mohr ist. Sie haben ihren Sohn Leodegar im Stand der Ehe gezeugt und ihn zu einem ehrbaren Mann erzogen. Das Ehepaar und sein Sohn haben in unserer Gemeinde gelebt und sich sehr rechtschaffen, redlich und gut verhalten. Wir können nur Gutes und Ehrenhaftes über sie aussagen und ihrem Wohlergehen und weiteren Aufstieg wohl gesonnen sein.

So grüßen wir und bitten alle freundlich, bei denen sich Leodegar Schotheler zur Zeit oder in Zukunft vorstellt und um Wohnung, Aufenthalt, Aufnahme in eine Zunft, Arbeit, Handel und Wandel ersucht, diesen Leodegar als einen wirklich ehelich geborenen Sohn der oben genannten Eltern, von uns empfohlen zu wissen und ihn so zu halten. Lasst ihn aufgrund unserer wahren Auskunft sein Fortkommen genießen. Er hat es gebührend verdient und sollte mit Wohlwollen und gutem Willen angenommen werden.

Zur Beurkundung der Wahrheit haben wir, oben genannte Schultheiß und Schöffen, bewusst unser Gerichtssiegel diesem Schreiben angeheftet. Ausgestellt am 1. Oktober 1670 nach Christi Geburt“.

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