Zweiter Weltkrieg Daun gedenkt ermordeter US-Soldaten

Daun · Eine Ehrentafel erinnert an vier US-amerikanische Soldaten, die im Zweiten Weltkrieg erschlagen wurden. Zur Enthüllung gab es eine bewegende Gedenkstunde.

Dauns Stadtbürgermeister Friedhelm Marder (links) und Heimatforscher Alois Mayer enthüllen die Ehrentafel.

Dauns Stadtbürgermeister Friedhelm Marder (links) und Heimatforscher Alois Mayer enthüllen die Ehrentafel.

Foto: Susanne Stumm/Jörg Stadelhoff

Geht man in Daun die Bahnhofstraße entlang, kommt man am Bestattungshaus Michels und dem ehemaligen Hotel „Eifeler Hof“ vorbei. Nur noch wenige Dauner wissen, von welch schrecklichen Ereignissen diese Häuserfassaden erzählen könnten. Vor 78 Jahren kam es nämlich in der Straße vor diesen Häusern zu einem furchtbaren Verbrechen: Vier amerikanische Soldaten wurden hier im Dezember 1944 grausam erschlagen. Über das Ereignis ist lange Zeit der Mantel des Schweigens gehüllt worden.

Recherchearbeit von Alois Mayer  Es ist der akribischen Recherchearbeit von Alois Mayer zu verdanken, dass dieses dunkle Kapitel der Dauner Geschichte jetzt historisch aufgearbeitet und angemessen gewürdigt wurde.

In einer bewegenden Gedenkstunde haben die Stadt Daun und ihre Bürger am Sonntagvormittag der vier jungen ermordeten Soldaten Pasquale J. Carino, Melvin E. Murphy, Erick C. Swenson und Charles F. Celeste gedacht.

Zur Enthüllung der Ehrentafel waren am Sonntag rund 60 Gäste gekommen – darunter die Vize-Präsidentin des Landtages Astrid Schmitt sowie Vertreter des kulturellen und politischen Lebens in Daun.

Keine Entschuldigung Stadtbürgermeister Friedhelm Marder knüpfte in seiner Begrüßung an aktuelle Ereignisse an. In einer Zeit, wo sich Krieg in unserer unmittelbaren Nähe abspiele, erinnere man sich an das Leid, das unsere Heimat im Zweiten Weltkrieg beherrscht habe, sagte Marder. Im Dezember 1944 sei es in Daun täglich zu Fliegerangriffen gekommen. Die Zerstörung des Bahnhofs und des Viadukts war das Ziel. In diesem Kontext sei auch der Lynchmord an den jungen Soldaten zu sehen.

Ausdrücklich betonte Marder, dass es nicht um eine Entschuldigung des Geschehens und auch nicht um Schuldzuweisung gehe, sondern darum, die Erinnerung wach zu halten und zur Versöhnung zu mahnen.

Doch was war geschehen? Heimatforscher Alois Mayer ist es gelungen, die Ereignisse minutiös zu rekonstruieren. In jahrelanger Arbeit hat er Zeugen befragt und in Archiven recherchiert.

Als gesichert gilt, dass am 23. Dezember 1944 kurz nacheinander zwei amerikanische Bomber unter deutschen Flak-Beschuss gerieten und abstürzten. Die überlebenden Soldaten wurden zunächst provisorisch inhaftiert. Zum Verhör sollten sie nach Daun in den „Eifeler Hof“ gebracht werden. Zeitgleich fanden just gegenüber unter den Trümmern des Möbelhauses Zender (heute das Bestattungshaus Michels) fünf Menschen nach einem Bombenangriff den Tod: Zwei Mütter mit ihren drei Kindern verbrannten qualvoll, ohne dass die Dauner Helfer etwas tun konnten. Als nun die gefangenen amerikanischen Soldaten die Unglücksstelle mit ihren Bewachern passierten, entstand aus dem Tumult und der allgemeinen Schocksituation eine Massenhysterie. Man erschlug die amerikanischen Feinde und verscharrte sie im heutigen Hotzendrees-Weg. Wer nun genau für den Lynchmord verantwortlich war oder sich aktiv daran beteiligte – das konnte ein amerikanisches Ermittlerteam zwischen 1945 und 1947 nicht klären. Die Untersuchungen wurden eingestellt. Die Täter können bis heute nicht beim Namen genannt werden.

Erinnerung aufrechterhalten Könnte der Fall, der inzwischen fast 80 Jahre her ist und in einer Extremsituation stattgefunden hat, nicht längst erledigt sein? Alois Mayer fand in seiner Ansprache gegen eine Mentalität des „Schwamm-drüber“ deutliche Worte: Die Erinnerung an das unmenschliche Geschehen müsse zur Mahnung gereichen, dass sich solche dunklen Kapitel der Geschichte nicht wiederholen. „Das waren junge Männer, zwischen 20 und 35 Jahre alt, die gern leben wollten. Sie sind hier zu Tode gekommen, wir dürfen sie nicht vergessen“, mahnte Mayer.

Für die mahnende Erinnerung sorgt die Gedenktafel, die an der Hausfassade des Bestattungshauses Michels von Alois Mayer und Friedhelm Marder feierlich enthüllt wurde.

Gebet der Vereinten Nationen Diakon Bernhard Saxler sprach anschließend mit den Anwesenden das Gebet der Vereinten Nationen, das zu Verantwortung für die Welt aufruft. Saxler zeigte sich emotional betroffen von der Tatsache, dass die jungen Soldaten kurzzeitig in der Sakristei von Schalkenmehren inhaftiert waren. „Ich werde die Sakristei jetzt mit anderen Augen sehen“, gab Saxler zu.

Auch der erste Vorsitzende des Eifelvereins, Michael Drockur, übermittelte seine Grußworte. Er verdeutlichte, dass der Beitrag des Eifelvereins zu der Gedenktafel das Bestreben symbolisiere, sich der Wahrheit zu stellen.

Die Gedenktafel mit Informationen und Fotos der zivilen Opfer und ermordeten US-Soldaten.

Die Gedenktafel mit Informationen und Fotos der zivilen Opfer und ermordeten US-Soldaten.

Foto: Susanne Stumm/Jörg Stadelhoff

Geht man künftig die Bahnhofstraße entlang, wird man sie vielleicht auch mit anderen Augen sehen, wenn man nun an der Ehrentafel vorbeikommt. Sie stellt mit einem kurzen Text Bezüge zur geschichtlichen Gesamtsituation her. Ergänzt wird dies durch Fotos, die von den zivilen Opfern und den getöteten Soldaten erhalten sind. Zusammen ergibt dies eine überzeugende Darstellung, die den Passanten einen bleibenden Zugang zu diesem traurigen Kapitel der Stadtgeschichte eröffnet und den Mantel des Schweigens wegzieht.

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