Gefährten für Krieg und Frieden - Wie die Bundeswehr in Ulmen auf vielerlei Art Hunde einsetzt

Ulmen · Christiane Ernst leitet die Schule für Diensthundewesen der Bundeswehr, die seit zehn Jahren in Ulmen (Kreis Cochem-Zell) stationiert ist. Die 42-Jährige Kommandeurin erzählt im Interview, welche Rolle Hunde in der Bundeswehr spielen und warum die Tiere auch bei Trauma-Opfern nach Auslandseinsätzen zum Einsatz kommen.

 Kommandeurin Christiane Ernst führt die Schule für Diensthundewesen der Bundeswehr in Ulmen. TV-Foto: Petra Mix

Kommandeurin Christiane Ernst führt die Schule für Diensthundewesen der Bundeswehr in Ulmen. TV-Foto: Petra Mix

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Ulmen. Tierärztin Christiane Ernst führt als Kommandeurin im Dienstgrad Oberfeldveterinär die Hundeschule der Bundeswehr in Ulmen. Die Einrichtung gibt es seit zehn Jahren, Ernst ist seit Januar 2014 ihre Leiterin. Mit unserer Mitarbeiterin Petra Mix sprach sie über die tiefe Symbiose, die Soldaten und ihre Hunde miteinander eingehen, über die Eignung der Tiere für den Wehrdienst und über deren Einsatz bei traumatisierten Soldaten.

TV: Gebelle, Soldaten, unglaublich viele Gebäude, ein großes Gelände mitten im Wald. Was ist Ihre Aufgabe?
Christiane Ernst: Meine Aufgabe ist die Führung der Schule, der einzigen dieser Art in Deutschland, das Personal einzuteilen, das Geld zu verteilen. Viel Büroarbeit. Das Kernstück meiner Tätigkeit ist die Ausbildung. Zu beobachten, zu erleben und auch zu bewerten, wie die Teams aus Hund und Hundeführer zusammenwachsen. Ich führe die Dienstaufsicht, bin also auch viel draußen. Fachlich ist mir als Tierärztin auch die Tierklinik unterstellt. Außerdem statten wir die Diensthundeführer aus, sind zentrale Versorgungsstelle: Hier gibt es alles - vom Diensthund bis zu Fressnapf und Leine. Und selbstverständlich testen wir das Material und sind auch ständig dabei, die Lernmethoden unter die Lupe zu nehmen.

Was ist ein typischer Diensthund, welche Eigenschaften muss er haben?
Ernst: Das hängt von der jeweiligen Verwendung ab. Ob ein Feldjäger, also ein Militärpolizist, Fallschirmjäger oder etwa ein Kampfmittelbeseitiger einen Hund benötigt - die Tiere brauchen ebenso wie ihr Hundeführer eine spezielle Ausbildung. Die Hunde müssen hoch motiviert sein, einen ausgeprägten Spieltrieb haben, sie müssen in der Lage sein, sich in ihrer Umwelt neutral zu verhalten, dürfen sich nicht durch äußere Einflüsse von ihrem Job ablenken lassen.

Woher kommen die Hunde?
Ernst: Wir kaufen sie europaweit, allerdings nur, wenn sie auch unseren Anforderungen genügen. Ob sie aus Holland oder Tschechien kommen, spielt keine Rolle. Besonders gut geeignet sind Belgische Schäferhunde, sogenannte Malinois, und Deutsche Schäferhunde. Wir haben auch Labrador-Retriever und seit einiger Zeit einen Cockerspaniel in der Ausbildung. Im Grunde ist der Markt leer gefegt, die Hunde sind sehr begehrt, auch bei der Polizei und dem Zoll, international. Deshalb züchten wir seit 2002 auch selbst. 2014 wurde hier sozusagen der Reset-Knopf gedrückt, um auch die eigene Aufzucht bis zum Lehrgangsbeginn zu ermöglichen.

Herrchen und Hund, muss das eine Symbiose sein? Wie muss ein Diensthundeführer gestrickt sein?
Ernst: Wichtig ist vor allem, dass er Spaß an dieser Aufgabe hat. Denn eines darf man nicht vergessen: Soldat und Hund, das ist dann eine Verbindung auf Lebenszeit. Sieben Tage die Woche, 24 Stunden am Tag. Und wenn der Hund in Rente geht oder auch krank wird, dann bleibt er in der Regel bei seinem Herrchen. Das sind Teams, die sind so eingeschworen, das sind sehr emotionale Bindungen. Die Diensthundeführer müssen voll hinter der Aufgabe stehen, denn sie haben dazu eine weitere verantwortungsvolle Aufgabe als Soldaten, die ihnen psychisch und physisch sehr viel abverlangt. Das ist anspruchsvoll, auch ausgebildete Hundeführer absolvieren immer wieder Lehrgänge. Es ist möglich, aus einem völlig unerfahrenen Soldaten einen guten Hundeführer zu machen. Das erleben wir hier, denn wir bilden ja auch die Zweibeiner aus.

Und wenn die Chemie einmal nicht stimmt?
Ernst: Das kommt sehr selten vor, kommt aber vor. Aber das hat nichts damit zu tun, ob die Chemie stimmt. Nicht jeder, der gern Diensthundeführer sein möchte, hat auch das Zeug dazu. Der Erfolg hat sehr viel mit Timing zu tun. Der Hund muss den Hundeführer, der Hundeführer den Hund lesen können. Zu 100 Prozent. Wenn ein Hund eine Mine aufspürt, dann muss das sein Hundeführer erkennen, bevor der Jeep mit den Kameraden darüber fährt. Im Fall der Fälle müssen sie sich blind aufeinander verlassen können.

Also machen Hunde doch in erster Linie einmal glücklich?
Ernst: Das passt sehr gut zu einem Projekt, an dem wir gerade zusammen mit dem Bundeswehrzentralkrankenhaus in Koblenz arbeiten. Hunde werden eingesetzt, um Soldaten zu helfen, die in Kriegseinsätzen Schreckliches erlebt haben. Wir befinden uns derzeit in der Studienphase, weil wir wissen wollen, ob es den Kameraden auch wirklich hilft: Sie kommen aus Koblenz zu uns und sind hier dann mit den Hunden und Hundeführern zusammen. Den Hunden gelingt es, dass sich Menschen, die sich komplett zurückgezogen haben, die nicht reden können über das Erlebte, und schon gar nicht berührt werden wollen, sich öffnen. Man sagt immer, dass man Menschen mit verwundeter Seele das nicht ansehen kann. Man kann, ich habe es hier in der Studie gesehen und ich war entsetzt, zutiefst geschockt. Und ich bin sicher, dass uns die Bugwelle der Traumatisierung durch Auslandseinsätze noch nicht erreicht ist.

Was können die Hunde tun?
Ernst: Nach einiger Zeit mit einem Hund sind die Kameraden gelöster und entspannter. Sie haben die Zeit genossen, Nähe zugelassen.

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