Gekämpft bis zum Letzten und doch dicht gemacht

GEROLSTEIN. Kein Ende in Sicht: Die Gerolsteiner Innenstadt blutet weiter aus. Jetzt kapitulieren sogar Spezialgeschäfte, deren Angebote in der Sarresdorfer Einkaufsmeile nicht zu bekommen sind.

"Das wird verheerend, wenn man keinen Vermittler, also einen Stadtmanager, einsetzt. Irgendeine Plattform muss her, denn die Innenstadt krankt an Kommunikationsfehlern", sagt Erik Böffgen. Der Stadtplaner ist ehrenamtliches Mitglied im Arbeitskreis "Leerstände und Einzelhandel". Als "beängstigend" bezeichnet Heinz Weber, Vorsitzender des Gewerbevereins Gerolstein, die aktuelle Situation in der Brunnenstadt. Jedoch weiß auch er nicht, wann ein Stadtmanager, von dem schon vor einem Jahr von Seiten des Gewerbevereins und der Touristik- und Wirtschaftsförderungsgesellschaft (TW) Gerolsteiner Land die Rede war, endlich kommt. "Durch die Wahlen entstand ein Vakuum. Jetzt müssen die neuen Räte sensibilisiert werden und ein Finanzierungsmodell muss aufgestellt werden", sagt Weber. Im September soll es zwei Veranstaltungen zum Thema Stadtmanagement geben. Seit dem Streich in der Mainacht 2003, als Unbekannte 27 leer stehende Läden in der Innenstadt mit roter Farbe markierten (der TV berichtete), wurde viel geredet und geplant, aber konkret umgesetzt wurde bis heute nichts.Für drei Läden jede Hilfe zu spät

Für weitere drei Läden kommt sowieso jede Hilfe zu spät. "Ich habe gekämpft bis zum Letzten. Das Dilemma ist die Infrastruktur und die Attraktivität Gerolsteins", sagt Waltraud Ziegler. Kurz vor dem zehnjährigen Bestehen hat sie ihren Naturkostladen mit dem großen Angebot von mindestens 40 Obst- und Gemüsesorten aus Bioanbau geschlossen. Naturbelassene Körner und Naturkosmetik hätten auch zunehmend Supermärkte im Angebot. Seit zwei Jahren sei der Umsatz rückläufig gewesen. Nun konzentriert sie sich auf ihren Laden in Prüm und bietet für die Gerolsteiner Kundschaft einen Lieferservice an. Ebenso haben Ursula Bohn und Ina Babendererde resigniert, die Geschäftsführerinnen der Boutique Babohe. "Der Entschluss ist lange gereift, aber der Umsatz ist kontinuierlich zurück gegangen. Im Mai haben wir dann die Schließung für Ende September beschlossen", berichtet Bohn. "Babohe" gehört seit der Eröffnung der Rondellpassage 1989 zur Geschäftswelt der Gerolsteiner Innenstadt. Mit der Schließung gehen fünf Arbeitsplätze (zwei Vollzeit- und eine Teilzeitkraft sowie zwei Aushilfen) verloren. "Ich gehe mit einem weinenden Auge. Ich habe alle besonderen Aktionen im Flecken mitgemacht, aber unmittelbar um mich herum, bis hin zum Rondell, sind jetzt neun Läden zu", bilanziert Traudel Meinen enttäuscht. Sie betrieb seit zwölf Jahren die Wollstube und einen Versandhaus-Bestellshop sowie seit wenigen Monaten eine Postagentur. Probehalber hat sie drei Monate einen Laden im Hit-Markt angemietet und parallel gearbeitet. "Die Umsatzzahlen und die Kosten sprechen eindeutig für den neuen Standort. Beides wäre wegen der Personalkosten nicht zu realisieren gewesen", sagt sie. Carsten Schneider, seit Anfang Juli Wirtschaftslotse im Gerolsteiner Rathaus, sagt: "Wir können keine Nachfolger oder Kundschaft besorgen, aber wir können ein positives Umfeld schaffen, damit Gerolstein attraktiver wird". Wie genau das passieren soll, weiß er noch nicht. Er verweist auf eine Veranstaltung am 21. September im Rondell. Finanzminister Gernot Mittler und Helmut Bott, Uniprofessor in Stuttgart, sollen dann Chancen aufzeigen. Motto der Veranstaltung: "Und es geht doch! Bauen, Modernisieren und Finanzieren in und um Gerolstein". Immerhin gibt es auch positive Nachrichten: Nach sechs Jahren Leerstand ist das Geschäft in der Hauptstraße 30 (ehemals Apotheke Raspe) am Ende der Fußgängerzone wieder vermietet. Am 1. Oktober wird eine Modedesignerin ihr Studio und eine Änderungsschneiderei eröffnen.

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