Gepflegtes Gruseln in alten Gemäuern

Kerpen · Ob es in dem alten Haus "A Widuasch" in Kerpen tatsächlich spukt? Die etwa 200 Besucher des "Abendgrauens", einer schaurig-schönen Lesenacht, haben dort jedenfalls eine ordentliche Gänsehaut bekommen.

Es herrscht an diesem Freitagabend eine merkwürdige Atmosphäre in dem kleinen Burgort Kerpen bei Hillesheim. Fahl scheint das Mondlicht in die verwinkelten Straßen des Dorfs. Nur schwer sind die Umrisse der alten Burg zu erkennen, die oberhalb der Siedlung thront. Und dann schiebt sich wie auf Bestellung eine dichte Wolkendecke vor den Mond. Es ist 21 Uhr und stockfinster.
Dennoch herrscht emsiges Treiben in den Gassen. Fans von Eifel-Krimis und Gruselgeschichten hat es an diesem Abend nach Kerpen verschlagen. Es ist "Abendgrauen", das Literatur-Event, das die Buchhandlung Lesezeichen aus Hillesheim seit mehreren Jahren organisiert.
Carola Clasen, Carsten Sebastian Henn, Ralf Kramp, Manfred Lang und Erika Kroell wollen ihren Zuhörern einen gehörigen Schrecken einjagen. "Die fünf Autoren lesen an unterschiedlichen Orten jeweils eine halbe Stunde lang ihre Gruselgeschichten oder Krimis vor, und dann wechseln sie den Raum. Das Publikum wandert ebenfalls von Lesung zu Lesung", erklärt Monika Kramp von der Buchhandlung das Konzept. Die Orte, an denen gelesen wird, sind nicht etwa hell beleuchtete Säle, nein.
Ein Vampir an der Ahr


"Immer muss ich als Erster in das Geisterhaus!", schimpft Casten Sebastian Henn auf dem Weg zu seiner ersten Lesung. Der Autor ist schon zum fünften Mal bei dem Spektakel in der Eifel dabei. In dem kleinen Haus "A Widuasch", wo er gleich seine Geschichte vorlesen wird, soll es spuken. Und tatsächlich: Während der Mann aus Hürth die Kurzgeschichte eines Vampirs vorträgt, der an der Ahr sein Unwesen treibt, poltert es im Obergeschoss, rüttelt irgendjemand an den Fensterläden. Die Blicke der Zuhörer huschen zwischendurch immer wieder durch den Raum - als ob sie Angst hätten, erschreckt zu werden.
Nach der Lesung im "A Widuasch" haben einige die Orientierung verloren, blicken ein wenig hilflos in die eine, dann in eine andere Gasse. Wo war noch einmal die alte Mühle? Für Ortsunkundige hat Monika Kramp, die an diesem Abend am gut besuchten Büchertisch im kleinen Landcafé die Stellung hält, einen Tipp: "Fragen Sie einfach die Untoten, die kennen sich aus." Die "Untoten", das ist eine Gruppe junger Leute, die die Besucher des Abendgrauens vielleicht noch ein bisschen mehr erschrecken als die Geschichten der Krimi-Autoren. Mit kalkbleich geschminkten Gesichtern, blutunterlaufenen Augen und starrem Blick wandeln die Gestalten durch die Straßen Kerpens. Und auch wenn die Besucher wissen, dass es sich nicht wirklich um Untote handelt, machen viele der 200 Gäste einen Bogen um die Schauspieler.
"Wir wünschen Ihnen heute keinen guten Abend, sondern einen schrecklichen Abend", hatte Organisator Ralf Kramp zu Beginn gesagt. Gefallen hat es den Besuchern trotzdem.

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