Justiz Nach Brandstiftung in Gerolstein: Angeklagter ist vor Gericht geständig

Trier · Der 20-Jährige, der unter anderem wegen Brandstiftung vor Gericht steht, hat umfangreich zu den vorgeworfenen Taten ausgesagt. Er schildert wie es soweit gekommen ist.

Gerolstein: Feuerwehr am Hagebaumarkt im Einsatz
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Feuerwehr am Hagebaumarkt in Gerolstein im Einsatz

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Foto: Agentur SIKO

Konzentriert schaut der 20-Jährige von der Anklagebank aus in Richtung Zeugenstand. Aufmerksam verfolgt er jedes Wort eines Polizisten, der zu den Ereignissen auf dem Gelände eines Baumarktes in Gerolstein aussagt. Detailliert beschreibt er die Situation, berichtet vom ersten Feuer im Eingangsbereich, vom Beschuldigten und davon, wie er sich gestellt hat und auf die weiteren von ihm gelegten Brände hingewiesen hat.

Mehr als zwei Stunden dauert zu diesem Zeitpunkt bereits der zweite Prozesstag vor dem Landgericht Trier. „ Er wirkte an dem Abend zunächst unsicher und verängstigt und machte einen hilflosen, traurigen Eindruck“, sagt der 34-jährige Polizist.

Der junge Mann – neben der Brandstiftung in Gerolstein werden ihm mehrere Sachbeschädigungen aus den Monaten vor der Tat zur Last gelegt – wendet sich bereits nach der ersten Befragung eines Polizisten an den zuständigen Richter Günther Köhler: „Es ist ein sehr komisches Gefühl, dies alles anzuhören und dabei kaum eine genaue Erinnerung zu haben. Es tut mir wirklich leid. Ich weiß nicht, ob ich Sie beleidigt habe oder nach Ihnen getreten habe, ich möchte mich aber bei Ihnen und den Kollegen entschuldigen“, sagt er. Der Polizist schaut ihn bewegt an und sagt: „Geht schon klar.“

Zeuge um Zeuge tritt auf. Vor allem die Beamten der Polizeiinspektion Daun schildern die Ereignisse aus verschiedenen Perspektiven, die deckungsgleich mit der Aussage des Beschuldigten sind. Jeder scheint um ein gebührendes Maß an Fingerspitzengefühl in diesem Prozess bemüht zu sein, wohl auch, weil der geständige, jungenhaft wirkende Mann glaubhaft von den Umständen berichtet, die zur Tat führten – und hier dreht sich immer wieder alles um das Thema Selbstmord.

Früh sei er mit etwa 15 in eher schwierige Kreise geraten. „Ich habe dann mit 16 Drogen genommen und getrunken.“ Mit 18 sei der Umgang mit Alkohol eskaliert. In der Schule habe es immer mehr Probleme gegeben. Die Realschule habe er verlassen, auf der Hauptschule sei er zunächst am Abschluss gescheitert, habe den dann aber auf der Berufsschule zumindest nachholen können.

Abgesehen von gelegentlichem Canabis-Konsum räumte er aber einen phasenweisen exzessiven Alkoholkonsum ein. „Ich merkte, dass ich mit meinen Depressionen betrunken besser zurecht kam.“ Die Beziehung zu seiner damaligen Freundin sei schwierig gewesen. „Es kamen immer mehr Momente mit Suizid-Gedanken auf“, erinnert er sich. Sein Ausbildungsplatz sei ihm schließlich gekündigt worden. „Ich war motivationslos – das Trinken war mir in dieser Zeit lieber“, erklärt er auf Nachfrage Köhlers.

Zugespitzt habe sich der Suizidwunsch jeweils bei oder nach Streitigkeiten beziehungsweise immer wieder beschlossenen Trennungen von seiner Freundin. Diese wiederum schildert in ihrer Aussage seinen ersten in die Tat umgesetzten Suizid-Versuch. Auch ihre Aussagen decken sich mit denen des jungen Mannes und auch denen seiner Mutter. Er habe damals erkannt, sagt der Beschuldigte, dass es so nicht weitergeht und sich im Krankenhaus in Gerolstein in psychiatrische Behandlung begeben.

„Mal in der geschlossenen Therapie, dann wieder für eine Weile in der offen Therapie. Als wir uns wieder einmal stritten und trennten, kam es zu diesem Kurzschluss“, sagt er. Er erinnere sich an einen heftigen Streit und daran, dass er sich betrunken habe und ... „eben die Kontrolle verlor“.

Er schildert einen besorgten Besuch der Mutter und der Cousine und kommt dann zur eigentlichen Tat: „Ich weiß noch, dass ich über den Zaun kletterte und ein Feuerzeug an eine Gasflasche hielt“, sagt er und geht die Ereignisse weiter durch. Stille liegt in diesen Momenten über dem Gerichtssaal. Er habe, so merkt er erstaunt wirkend an, nicht an Konsequenzen gedacht. „Ich wollte mich verletzen, niemanden anderes.“

Wie es dazu kam, dass er sich noch während des Einsatzes stellte, kann er nicht mehr sagen. Die Polizei beschreibt ihn in dem Moment und den Folgenden zunächst als aufgeregt, aber kooperativ. Er habe die Feuerwehr noch zu den unentdeckten Feuern geführt. Irgendwann sei sein Verhalten dann aber umgeschlagen und er aggressiv – und auf den Versuch der Beamten, ihn zu fixieren – auch handgreiflich geworden.

Den Eindruck der psychischen Notlage bestätigen weitere Zeugenaussagen. Besonders eindringlich ist die Schilderung eines Beamten, der nach der Festnahme bei der Blutentnahme dabei war. Ein Atemalkoholtest hat vorher einen Wert von etwa 2,5 Promille ergeben. „Für die Blutprobe mussten wir ihm die Handschellen abnehmen. Nachdem sie entnommen war, hat er mich darum gebeten, sie wieder anzulegen. Er vertraue sich gerade selber nicht mehr.“ Wo er sich denn in Zukunft sehe, wollte Richter Köhler wissen. „Bei meiner Familie mit einer Ausbildung, wenn das alles hier hinter mir ist. Nach der Therapie“, sagt er. Wie er sich die vorstelle, will Köhler wissen. Der Angeklagte: „Erstmal weiter geschlossen. Ich glaube nicht, dass ich schon so weit bin.“

Der Prozess wird am Donnerstag um 9 Uhr fortgesetzt.

Hinweis d. Red.: Normalerweise berichten wir nicht über Sachverhalte, die mit Suizid zusammenhängen. In diesem Fall haben wir uns aufgrund der Masse der Anklagepunkte jedoch dafür entschieden, da ein öffentliches Interesse besteht und die Sitzung öffentlich geführt wird.

Wenn Sie sich mit Suizidgedanken tragen, lassen Sie sich helfen. Hilfe und Unterstützung finden Sie bei der Telefonseelsorge unter 0800/1110111 und 0800/1110222.

(aff)
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