Gerolsteins Stadtrat rudert zurück

Gerolstein · Eskalation vermieden: Der Gerolsteiner Stadtrat hat zum einen darauf verzichtet, von Stadtbürgermeister Bernd May (parteilos) zu verlangen, sich künftig aus den Bau- und Immobilienangelegenheiten der Stadt rauszuhalten. Zum anderen muss er auch keine Geschäftsbereiche abgeben. Dafür kündigte Bernd May an, künftig bei solchen Dingen ein "besonderes Fingerspitzengefühl" walten zu lassen.

Gerolstein. Mit einem einstimmigen Beschluss nach einem gemeinsamen Antrag über alle Parteigrenzen hinweg hat der Gerolsteiner Stadtrat bestimmt, wie künftig die Immobiliengeschäfte der Stadt Gerolstein geregelt werden sollen. Zugleich sollte der Beschluss den politischen Schlussstrich unter der Postgebäude-Affäre darstellen.
Wegen der hatte die Kommunalaufsicht gegen Stadtbürgermeister Bernd May ermittelt, der im Hauptberuf Immobilienmakler ist. May stand durch die Aussagen eines anderen Gerolsteiner Maklers in Verdacht, versucht zu haben, sich beim Verkauf des Gebäudes durch sein Amt als Stadtbürgermeister finanzielle Vorteile zu verschaffen. Letztlich kam es nicht zum Verkauf, aber bereits der vermeintliche Versuch der Vorteilsnahme im Amt war Anlass des Ermittlungsverfahrens. May wurde freigesprochen, weil die Behauptungen nicht bewiesen werden konnten.
In dem Beschluss wurden drei Punkte hervorgehoben. Erstens heißt es: "Der Stadtrat beschließt, dass die Stadt auch künftig alle Immobiliengeschäfte ohne die Einschaltung eines Maklers abwickeln wird."
Zweitens wurde begrüßt, dass Stadtbürgermeister May im nichtöffentlichen Teil der Stadtratssitzung nun doch noch das Schreiben der Kommunalaufsicht zur Einstellung des Verfahrens gegen ihn den Ratsmitgliedern präsentiert hat. Das hatte er im Vorfeld abgelehnt. Im Beschluss heißt es dazu: "Der Stadtrat sieht hierin einen Schritt, die vertrauensvolle Arbeitsgrundlage, die in den ersten Monaten geherrscht hat, fortzusetzen." Der Öffentlichkeit will May das Schreiben jedoch weiterhin nicht zugänglich machen.
CDU-Fraktionsvorsitzende Monika Neumann sagte nach dem Beschluss, für den die Sitzung unterbrochen und eine dreiviertelstündige Beratung unter Ausschluss der Öffentlichkeit eingelegt worden war: "Ich bin zufrieden mit dem Ergebnis. Der Beschluss ist die Möglichkeit, wieder Vertrauen herzustellen." In die gleiche Kerbe schlug Antragsteller Tim Steen (Bündnis 90/Die Grünen): "Das war das Zeichen, das wir gefordert haben."
Anders als noch in den Tagen und Wochen zuvor, als vereinzelte Ratsmitglieder weitergehende Konsequenzen gefordert hatten, wurde nicht versucht, dem Stadtbürgermeister die Bau- und Immobilienangelegenheit komplett zu entziehen. Vielmehr beschränkte sich der Rat auf eine Bitte.
In der Entscheidung heißt es dazu: "Darüber hinaus bitte der Stadtrat den Stadtbürgermeister um Vorschläge, mit welchen Maßnahmen zukünftig Schaden von der Stadt und allen handelnden Personen bei Immobiliengeschäften vorgebeugt werden kann."
May kündigte daraufhin an, dass er künftig "bei Immobiliengeschäften der Stadt besonderes Fingerspitzengefühl an den Tag legen" werde. Wenn er dabei in seiner Funktion als Makler betroffen sei, "werde ich diese Sachen mit Sicherheit nicht als Stadtbürgermeister behandeln". Er betonte aber erneut: "Es gibt keine globale Befangenheit des Stadtbürgermeister bei Bau- und Immobilienangelegenheiten. Es gilt, jeden Einzelfall abzuwägen."
Bei den Ratsfraktionen sorgte das nicht für Euphorie. So sagte Steen: "Einen konkreten Vorschlag auf unsere Bitte habe ich da jetzt noch nicht rausgehört. Wir werden abwarten. Und Gudrun Will (FDP) sagte: "Wir werden auf Immobiliendinge ein besonderes Augenmerk richten. Es wird sich zeigen, ob die jetzige Vereinbarung funktioniert."
Meinung

Alles beim Alten
Der Beschluss des Stadtrats bedeutet formal einen Schlussstrich unter die Postgebäude-Affäre. Faktisch wird er aber weder dazu beitragen, dass sich die Vorwürfe einer Interessenskollision des Stadtbürgermeisters bei Immobiliengeschäften nicht wiederholen. Noch wird die Ankündigung von Bernd May etwas bringen, künftig besonderes Fingerspitzengefühl an den Tag zu legen. Kurzum: Es hat sich nichts geändert. Der Grund, warum der Stadtrat nun zurückgerudert und sich mit dem windelweichen Beschluss zufriedengegeben hat, ist: Angst vor einer Eskalation des Streits mit der Folge, dass May die Brocken hinwirft und man in Gerolstein schon wieder ohne Stadtbürgermeister dasteht. Mal sehen, wann das Thema erneut hochkocht. m.huebner@volksfreund.de

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