Hausnamen erzählen auch von Menschen

Hausnamen sind heute fast vergessen, aber in früherer Zeit waren sie fester Bestandteil des Zusammenlebens und stets im Gebrauch, als allgemeingültiges, ungeschriebenes Merkmal der Unterscheidung und der Identifikation.

 „Kutsch Tunn“, „Bursch Pitter“ und „Mejerisch Köbbes“ waren einst in der Brunnenstadt beheimatet – heute sind solche Hausnamen nicht mehr gängig und für viele Gerolsteiner auch nicht mehr verständlich. TV-Foto: Archiv/Mario Hübner

„Kutsch Tunn“, „Bursch Pitter“ und „Mejerisch Köbbes“ waren einst in der Brunnenstadt beheimatet – heute sind solche Hausnamen nicht mehr gängig und für viele Gerolsteiner auch nicht mehr verständlich. TV-Foto: Archiv/Mario Hübner

Gerolstein. "Hosterts Pittchen (Pitter)", eigentlich Peter Krämer, wohnte im Flurbereich "In der Hostert" (Hoostert), zwischen der Lindenstraße und der Straße "Am Auberg" gelegen, direkt am Brunnen Kalkesborn. Klempner Karl Breuer, Wohnung und Werkstatt befanden sich in der Ecke Hauptstraße/Bergstraße, wurde "Thele Karl" und der langjährige Küster, Organist und Chorleiter Karl Breuer "Koster Carl" genannt.

"Rejinne (von Regina) Jupp", seine Wohn- und Wirtschaftsgebäude standen unmittelbar neben dem alten Mühlentor, bekleidete als Josef Schildgen nach dem Zweiten Weltkrieg das Amt des Ortsvorstehers (wegen bis 1953 noch fehlender Stadtrechte amtierte noch kein Stadtbürgermeister).

Namen waren nicht an ein bestimmtes Haus gebunden



Dies sind nur einige wenige Einwohner Gerolsteins, die früher einen Hausnamen trugen. Heute fast vergessen, waren diese einst fester Bestandteil des Zusammenlebens und stets im Gebrauch, als allgemeingültiges, ungeschriebenes Unterscheidungs- und Identifikationsmerkmal - somit auch ein Teil unserer Geschichte.

Pater Josef Böffgen (1914-1981), Gerolsteins verdienstvoller Stadtchronist, Sohn von "Maddeline Jakob" (= Schuster Jakob Böffgen), hat 1979 einen Aufsatz über Gerolsteiner Hausnamen veröffentlicht, der auch diesem Beitrag zugrunde liegt. Er schrieb: "Sie (die Hausnamen) erzählen uns nicht nur etwas über das Werden unserer Stadt, sondern vor allem etwas über die Menschen, auf deren Schultern wir stehen."

Hausnamen waren nicht, wie irrtümlich oft angenommen, an ein bestimmtes Haus gebunden, sondern an eine Person. Männer, die ihr Stammhaus verließen, behielten ihren Hausnamen, auch wenn sie in einen anderen Ort zogen. Frauen dagegen bekamen den Hausnamen der Familie, in die sie einheirateten. Entstanden sind die Hausnamen etwa so wie die "amtlichen" Familiennamen: Grundlage konnten Herkunftsort oder Herkunftsgegend sein, die Lage des betreffenden Hauses im Ort, ein Beruf, der männliche oder weibliche Vorname eines Vorfahren/einer Vorfahrin oder andere Besonderheiten.

Beispiele gab es in Gerolstein genug: Mit "Muselpittisch" wurde eine Familie Jakobs bezeichnet, "Hosters Pittchen" ist bereits genannt. Das Haus von "Bursch Pitter" (Peter Horsch senior) steht heute noch auf der Löwenburg (Burg beziehungsweise Schloss Gerhardstein); früher kannte man noch die Hausbezeichnungen "owe Bursch" (obere Burg) und "enne Bursch" (unten, etwas tiefer liegende Gelände).

Die Böffgens sind in drei Linien gegliedert: Die bereits erwähnten "Maddeline" (nach dem weiblichen Vornamen Madeleine), die "Kirche" (ehemaliges Stammhaus neben der St. Anna-Kirche) und "Jenewisch" (Genoveva).

Dachdecker Nikolaus Daubach (ehemals Obere Marktstraße) wurde "Kesselpittisch" genannt, der Inhaber des einstigen Hotels Koch (heute Ratskeller) war "Ourmäschisch (Uhrmacher) Nikla", die Cremers aus der Sarresdorfer Straße waren die "Schmittbachs" (einst Betreiber einer Schmiede am Bach), und hinter "Schrengisch Jupp" verbarg sich nicht ein Schreiner, sondern der Schlosser Josef Koch (einst Hauptstraße/alte Untere Straße).

Eindeutig ist die Herkunft der Namen "Mejerisch (Maurer) Köbbes" (= Jakob Hoffmann), "Kutsch Tunn" (= Metzger Anton May) und "Hälte" (Flurname, Bereich Obere und Untere Marktstraße). Ebenso leicht zu erklären sind die früher in Gerolstein gebräuchlichen Hausnamen "Schomäschisch" = Schuhmacher, "Schläßisch" = Schlosser, "Schrejwisch" = Schreiber, "Schäwisch" = Schäfer und "Schauerbachs". Andere Hausnamen gelten bisher als ungeklärt, wie zum Beispiel "Make" oder "Maake" (Maake Lin), "Brejisch (Hanni) oder "Ohmes" (Ohmes Turm, Hauptstraße/Stadtmauer).

Und wie schön klingen Hausnamen in Mundart, wie zum Beispiel "Nellesse" = Cornelius, "Jusebantens" = Josef Anton und "Hanspittisch" = Hans Peter. Leider sind auch diese nicht mehr gebräuchlich!

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