Hilfe für Schwangere ist in Gefahr

Daun · Etwa jede fünfte Schwangere nimmt eine Beratung in Anspruch - Tendenz steigend. Dennoch will die Landesregierung ab 2015 16 von derzeit 116 Vollzeitstellen in Rheinland-Pfalz streichen. Die Anbieter im Vulkaneifelkreis, Caritasverband, Diakonie und Pro Familia, befürchten, dass sie künftig Leistungen reduzieren müssen.

Daun. Gerade hat Marie ihr Abitur bestanden, da merkt sie: Sie ist schwanger. Die 18-Jährige ist unsicher, sucht drei Beratungsstellen auf. Dann erfährt sie, dass sie Zwillinge erwartet. "Da kam ein Riesenproblemberg auf sie zu", berichtet Helga Kudjer-Lauer vom Sozialdienst Katholischer Frauen in Trier, die Marie beraten hat, "anfangs alle drei Tage". Heute sind die Zwillinge ein halbes Jahr alt, ihre Betreuung ist gesichert, beide Eltern studieren. "Wir brauchen Zeit für die Beratungen", sagt Kudjer-Lauer, denn jeder der rund 8000 "Fälle" bei den katholischen Beratungsstellen im Land - das ist jede fünfte Schwangere - erfordert rund sechs Kontakte und schließt die ersten drei Lebensjahre ein.
Zeit, die sie voraussichtlich bald nicht mehr hat. Mainz plant, ab dem Jahr 2015 16 von derzeit 116 geförderten Vollzeitstellen in der Schwangerenberatung zu streichen. "Ich bedauere es sehr", sagt Ministerin Irene Alt und verspricht: "Trotz der Reduzierung werden Frauen weiterhin ein gutes Netz an Beratungsstellen im Land finden." Alleine 34 davon betreiben katholische Träger, im Bistum Trier sind es 17 mit 23,06 vom Land geförderten Vollzeitstellen, hinzu kommen weitere 4,6 selbst finanzierte. In Daun beraten Caritasverband mit 1,2 Vollzeitstellen und Diakonisches Werk (0,5 Stellen), in Gerolstein Pro Familia (2,03 Stellen) insgesamt rund 400 Frauen in Einzelberatungen.
Die Beratungsstellen erfüllen den gesetzlichen Auftrag des Schwangerschaftskonfliktgesetzes, indem sie den Frauen Möglichkeiten aufzeigen, sich für ein Leben mit Kind zu entscheiden. Das Problem: Der Mindestschlüssel für eine Vollzeitstelle beträgt 40 000 Einwohner, das macht bei vier Millionen Rheinland-Pfälzern 100 Stellen. "Bisher waren wir mit dem Land der Ansicht, dass wir das Mindestmaß überschreiten dürfen", sagt Diözesan-Caritasdirektorin Birgit Kugel. Aufgrund der Etatkonsolidierung wolle es nun rund 500 000 Euro im Jahr einsparen. Trotz Kürzungen sei dem Land an einer wohnortnahen Beratung gelegen, auch auf dem Land, ergänzt Alt. "Bislang ist noch keine Entscheidung getroffen worden, welche Stellen gestrichen werden sollen." Dies werde eng mit den Trägern und den Kommunen abgestimmt. Es werden bereits Gespräche geführt.
Die insgesamt 124 Vollzeitstellen im Land - die Bistümer finanzieren zusätzliche acht Stellen - seien gut ausgelastet, weiß Kugel: "Der Bedarf ist gegeben." Der Stellenabbau gefährde die dringend benötigte Hilfestruktur für Frauen, die sich oft in belastenden Situationen befinden.
"Wir werden im Dauner Krankenhaus Beratungen anbieten, das ist gerade für frühe Hilfen wichtig", erklärt Monika Dondelinger, Fachbereichsleiterin beim Caritasverband Westeifel, die in Gerolstein einen Sprechtag anbietet. Ebenfalls im Aufbau: das Projekt ehrenamtliche Familienpatenschaften.
Neben Schwangeren- und Partnerschaftsberatung hat Pro Familia in Gerolstein ihren Schwerpunkt auf Präventionsarbeit gelegt. "Wir gehen in Schulen und Förderzentren, arbeiten mit Eltern und bieten Fortbildungen an", sagt Pro-Familia-Leiterin Claudia Heltemes. Bei 287 Veranstaltungen wurden 2012 925 Menschen erreicht, davon 420 aus den Nachbarkreisen. Da die Schwangerschaftsberatung gesetzlich vorgeschrieben sei, führe jeder Einschnitt zu Kürzungen im Präventionsbereich.
"Es ist nicht schlüssig, dass das Land bei der Schwangerenberatung mehr Aufgaben andockt wie frühe Hilfen, Pränataldiagnostik und ab Mai die vertrauliche Geburt, sich andererseits aber auf die Mindestbestimmungen zurückzieht", sagt Diakonie-Geschäftsführer Carsten Stumpenhorst. "Ich sehe den Bedarf, und ich habe nicht den Eindruck, dass wir nicht ausgelastet sind."
Extra

Die Beratungsstellen beraten bei durch Schwangerschaft ausgelösten Konflikten, in Lebens- und Beziehungsfragen, bei der Gestaltung des Lebens mit dem Kind, bei Schwangerschaft und Minderjährigkeit, in Fragen zur Sexualität und Familienplanung und bei Pränataldiagnostik, bieten auch sexualpädagogische Arbeit und Präventionsveranstaltungen an. Diakonie und Pro Familia stellen zudem Beratungsbescheinigungen aus und bieten Nachbetreuung an. Die Caritas unterstützt zudem bei Trennung und Scheidung, in Fragen zur Sexualität und Familienplanung, nach Fehl- und Totgeburt sowie in finanziellen Fragen. mehiExtra

Weitere Schwangerschaftsberatungsstellen sind in Bitburg (Caritas und Donum Vitae 2,32 Stellen), Prüm (Caritas 0,41 Stellen), Bernkastel-Kues (Caritas 1), Thalfang (Diakonie 0,5), Wittlich (Caritas und Diakonie 2) sowie in Trier (SKF, Pro Familia und Diakonie mit insgesamt 10,42 Vollzeitstellen). mehi

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