Gedenken Erinnerung wachhalten: Auch Prinz Karneval wurde ermordet

Gerolstein · Zum Holocaust-Gedenktag veranstaltete das Forum Eine Welt einen Erinnerungsgang entlang der Stolpersteine, die in Gerolstein an die Verbrechen der Nazis erinnern. Denn auch in der Eifel wurde die jüdische Bevölkerung deportiert.

 Holocaust-Gedenken: Das Forum Eine Welt veranstaltet einen Erinnerungsspaziergang entlang der Stolpersteine in Gerolstein.

Holocaust-Gedenken: Das Forum Eine Welt veranstaltet einen Erinnerungsspaziergang entlang der Stolpersteine in Gerolstein.

Foto: TV/Angelika Koch

So wie Fritz Mansbach. Er, ein angesehener Bürger, tief im Gemeinwesen der Stadt verwurzelt. Seine Familie hatte ein Kaufhaus, das viele katholische Kinder mit Kommunionskleidung ausstattete, und er selbst wurde zum Prinz Karneval erkoren. „Besser kann ein Mensch nicht in die Gesellschaft integriert sein“, sagte Helmut Blinn vom Forum Eine Welt, der auch das Buch „Gegen das Vergessen – das Schicksal der Gerolsteiner Juden“ gestaltete. Mansbach und die Seinen wurden 1943 deportiert und in Auschwitz ermordet – auch die bis zur Machtübernahme der Nazis gute Nachbarschaft mit den anderen Gerolsteinern half ihnen nicht. Heute erinnern so genannte Stolpersteine – in das Pflaster eingelassene bronzene Erinnerungstafeln – vor dem einstigen Haus der Mansbachs an die Familie in der Bahnhofstraße. Es sind nicht die einzigen Stolpersteine in Gerolstein, auch in der Hauptstraße, in der Mühlenstraße oder in der Sarresdorfer Straße lebten Menschen mit jüdischem Glauben Tür an Tür mit Menschen, die römisch-katholisch oder protestantisch waren. Die Juden in Gerolstein waren 1933 eine kleine Gemeinde von 52 Mitgliedern. Sie betrieben Limonadenfabriken oder Bierlager, Manufakturen oder Lebensmittelgeschäfte, sie waren Metzger oder Viehhändler, sie verkauften Süßigkeiten oder Konfektionskleidung. Kurzum: Sie waren das vertraute Herz des städtischen Gewerbes.

Die Mansbachs, Levys, Mayers, Baums, Gottschalks, Humbergs oder Adlers waren deutsche Staatsbürger so wie die meisten anderen, die in der Stadt lebten. „Aber die jüdischen Einwohner wurden zum Bahnhof getrieben, in Viehwaggons gesperrt und in KZs umgebracht“, so Blinn. „Sehr tragisch ist auch: Die Mansbachs hätten noch auswandern können. Aber sie taten es nicht.“ Der Grund: Die Großmutter hatte kein Visum erhalten. „Es war ein unglaublicher Akt charakterlicher Größe, dass sie ihre Oma nicht allein ließen. Vor solchen unbesungenen Helden können wir nur tief den Hut ziehen.“

Rolf Endebrock erinnerte an einen der „besungenen Helden“, die im Holocaust bewiesen, dass die Nazis auch mit ihren KZs der Menschlichkeit nicht vollends den Boden entziehen konnten: Janusz Korczak, einen polnischen Arzt, Verfechter der Kinderrechte und Kinderbuchautor. Auch er ließ die Menschen, die ihm anvertraut waren, nicht im Stich. Mit 200 Waisenkindern wurde er erst ins Ghetto und dann im KZ Treblinka ins Gas geschickt.

Der Gang unter dem Motto „Erinnern – wachsam bleiben – aufstehen!“ und mit rund vierzig Teilnehmerinnen und Teilnehmern gipfelte in der Erkenntnis: „Auch wenn wir Heutigen persönlich nicht am Holocaust schuldig sind, so tragen wir doch die Verantwortung dafür, dass er sich nicht wiederholen darf. Wir müssen mit all unseren Kräften verhindern, dass sich faschistische Gedanken fortsetzen und zu Gewalt antreiben.“ Das Schlussgebet des Erinnerungsgangs endete mit dem Wort „Amen“ – der zentralen liturgische Formel sowohl im Judentum wie im Christentum und im Islam.

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