"Ich fühle mich belogen und hintergangen"

GEROLSTEIN. Auch sechs Wochen, nachdem die Polizei die "Spanner-Aktionen" eines Fitnessstudiobetreibers in Gerolstein aufgedeckt hat, schlagen die Wellen hoch. Etliche Frauen, die von ihm auf der Sonnenbank gefilmt wurden, haben Strafanträge gestellt. Ein Bittbrief zugunsten des 29-Jährigen sorgt zusätzlich für Unmut. Bei mehreren Behörden laufen derzeit noch die Ermittlungen.

Am 30. Juni berichtete der Trierische Volksfreund über die Polizeirazzia, bei der laut Trierer Staatsanwaltschaft mehrere Dutzend VHS-Kassetten und DVDs mit weit über 100 Stunden Aufnahmen aus dem Sonnenstudio sichergestellt wurden. Der 29-jährige Betreiber des Fitnessstudios bestritt nicht, Kunden ohne ihr Wissen gefilmt zu haben. Die Sache war ans Tageslicht gekommen, weil seine Lebenspartnerin ihn angezeigt hatte. "Als sie die Aufnahmen entdeckte und mich um Hilfe bat, habe ich ihr zur Selbstanzeige geraten", sagt Friedhelm Lang, ein Freund des Paares. Mit Blick auf die Aufnahmen im Privathaus des 29-Jährigen meint er: "Ich bin der Überzeugung, dass den Kindern keine Gefahr drohte. Die Kinderzimmer wurden zwar gefilmt, aber es gibt keine Nacktaufnahmen."Freund des Beschuldigten fordert zweite Chance

Lang schrieb zudem gemeinsam mit seiner Frau einen Brief, der an alle Studiomitglieder versandt wurde und dem TV vorliegt. Darin heißt es: "Ich kann nicht verstehen, warum er es tat. Ich kann ihm aber verzeihen und gebe ihm eine zweite Chance und seiner Partnerin die Möglichkeit, ihre und die Existenz der Kinder aufrechtzuerhalten." Im vorherigen Absatz verweist er auf seine Tätigkeit im "wohl größten humanitären Hilfsverband der Welt" und appelliert daran, hier wie dort den Grundsatz der Menschlichkeit walten zu lassen. Dies irritiert viele Betroffene. Denn Lang gehört seit mehr als zwei Jahrzehnten zur Führungsriege des Kreisverbands des Deutschen Roten Kreuzes (DRK). Der Kreisverband und die DRK-Ortsgruppe Gerolstein distanzieren sich vehement von dem Schreiben. Lang betont derweil, er habe den Brief ausschließlich als Privatperson verfasst. Für Irritationen sorgte auch die "aufklärende Mitgliederversammlung" des Fitnessstudios, zu der der Betreiber eingeladen hatte. Laut Lang waren "140 Mitglieder da, und es ging heiß her". Mehrere betroffene Frauen wandten sich danach an den TV. "Nachdem wir von anderen Mitgliedern angefeindet werden, weil wir Anzeige erstattet haben, bitten wir, unsere Namen nicht zu veröffentlichen", erklärt eine 34-Jährige aus der Verbandsgemeinde Prüm. Sie schildert, dass in der Versammlung "alles verharmlost wurde und von Entschuldigung oder gar Reue nichts zu spüren war". Eine 35-Jährige aus der Verbandsgemeinde Hillesheim erinnert sich: "Alles zielte auf die Mitleidstour ab. Es gab Applaus für die Reden der Sympathisanten, aber keinen Applaus bei den Fragen oder Aussagen der Betroffenen." Eine junge Frau sei unter Tränen zusammengebrochen. Sie selbst habe auch mit den Tränen gekämpft. Die gefilmten Frauen, die Anzeige erstattet haben, seien quasi als "Täterinnen dargestellt worden, weil sie die Zukunft des Paares vernichten würden". Lang hält dagegen: "Ich kann mich nicht an eine Situation erinnern, die so bewertet werden könnte. Außerdem hat er sich mehrfach entschuldigt." Der 29-jährige Beschuldigte und seine Partnerin wollten sich gegenüber dem TV nicht zu den Vorwürfen äußern. Dafür bezog Rechtsanwalt Hans-Peter Ewertz für den Beschuldigten Stellung: "Er steht dazu, dass er Mist gebaut hat. Allerdings hat er aus freien Stücken nach drei Monaten die Aufnahmen, die er von einer und nicht von allen Sonnenbänken gemacht hat, beendet. Er hat sie sich angeguckt, und das war's." Die ganze Sache liege außerdem schon mehr als ein Jahr zurück. Im Fitnessstudio und in der Sauna sei nicht gefilmt worden. Zu den Aufnahmen im Privathaus seines Mandanten will sich der Jurist nicht äußern. Als "Hetzjagd" bezeichnet Ewertz hingegen die Aktionen, mit denen der Beschuldigte in der Zwischenzeit zu kämpfen hatte. Er berichtet: "Sein Auto wurde bereits zwei Mal absichtlich beschädigt, und anfangs gab es sehr viele Vertragskündigungen." Eine 26-jährige Betroffene wiederum sieht das ein wenig anders. Sie sagt: "Ich fühle mich belogen und hintergangen. Es ist ein Skandal, auch weil wir nicht wissen, ob er noch weiteren Profit daraus geschlagen hat." Eine 35-Jährige aus der VG Hillesheim hatte bei der Versammlung explizit nachgehakt. Verkäufe im Internet habe er verneint, aber auf die Frage nach dem Verkauf via DVD habe er sinngemäß geantwortet: "Die Sicherheit kann ich dir nicht geben."Kreisverwaltung und Rathaus beraten noch

Bei der Dauner Kreisverwaltung wird derzeit in einem "formellen Verfahren geprüft, ob die Ausübung des Gewerbes ganz oder teilweise zu untersagen ist". Auch im Gerolsteiner Rathaus wird noch beraten. Die Verbandsgemeindewerke sind Verpächter der Räume. Werkleiter Karl Servatius: "Wir haben vermutlich rechtlich keine andere Möglichkeit, als das Strafverfahren abzuwarten." Bis die Staatsanwaltschaft Trier über eine Anklage entscheiden kann, werden noch Wochen vergehen. Sie hat noch keine Ermittlungsakten vorliegen. Kriminalhauptkommissarin Waltraud Brenk steckt noch in den Ermittlungen. Zur Anzahl der Strafanträge und der betroffenen Personen macht sie keine Angaben. Sie verspricht: "In drei Wochen können wir Klartext reden."

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