"Ich und Schule? Niemals!" - Die Frau, die mehr als 40 Jahre Sekretärin an der Realschule Gerolstein war

Gerolstein · Martha Schröder (61) hat heute ihren letzten Arbeitstag als Sekretärin in der Grund- und Realschule plus Gerolstein. Mehr als 40 Jahre lang hat sie sich um die Probleme und Sorgen der Kinder, Eltern und Lehrer gekümmert und den Laden zusammengehalten.

 Ob mit offenem Ohr, einem guten Wort oder einem Pflaster: Schulsekretärin Martha Schröder (Mitte) ist seit mehr als 40 Jahren zur Stelle, wenn sie gebraucht wird. Das wissen auch (von links) ihre Nachfolgerin Heike Bowi, Konrektor Volker Simon und Schülerin Katrin Lorig. TV-Foto: Mario Hübner

Ob mit offenem Ohr, einem guten Wort oder einem Pflaster: Schulsekretärin Martha Schröder (Mitte) ist seit mehr als 40 Jahren zur Stelle, wenn sie gebraucht wird. Das wissen auch (von links) ihre Nachfolgerin Heike Bowi, Konrektor Volker Simon und Schülerin Katrin Lorig. TV-Foto: Mario Hübner

Gerolstein. Eine Schule bekommt eine neue Sekretärin. Eigentlich nichts Ungewöhnliches. Doch so einfach ist es nicht - zumindest nicht in der Grund- und Realschule plus Gerolstein. Schließlich ist Martha Schröder dort seit mehr als 40 Jahren eine eigenständige Institution. Sie managt den Alltag der Schule, ist erste Ansprechpartnerin für Schüler, Eltern und Lehrer und so etwas wie die gute Seele des Hauses. Braucht ein Schüler ein Pflaster, ist sie sofort mit Schere und Verbandskoffer zur Stelle.

Muss jemand zum Rektor oder aufs Sekretariat, ruft sie ihn aus. Je nach Anlass in einem anderen Ton. Daran erinnern sich heute noch Väter, deren Kinder inzwischen selbst die Schule besuchen. "Erst letztens bin ich im Dorf angesprochen worden: Oh je, Tant' Martha, hast du mich oft ausgerufen. Und ich habe gleich an deiner Stimme gewusst, wie schlimm es wird", erzählt Martha Schröder von einer Begegnung in ihrem Heimatdorf Hohenfels-Essingen.

Ja, sie denke schon, dass sie Respekt genieße, und das müsse auch so sein, meint die 61-Jährige, die durchaus auch resolut auftreten kann. "Aber die Kinder wissen auch ganz genau, dass ich keinem den Kopf abreißen würde", sagt sie.Ein Glas mit Bonbons

Im Gegenteil: "Zu Frau Schröder kann man immer kommen, die ist immer für einen da", sagt beispielsweise die Zehntklässlerin Katrin Lorig. Auch, wenn einer nur mal getröstet werden muss. Dann hört sie zu und hilft mit aufmunternden Worten - und einem Bonbon aus dem großen Glas auf ihrem Schreibtisch. "Das hilft. Das Glas ist immer gefüllt", sagt die 61-Jährige, die auf eine sagenhaft lange Schulzeit zurückblickt - selbst als Schülerin und eben als Sekretärin sind es insgesamt 53 Jahre.

Dabei war das alles andere als geplant. Nach der Schule und einer Ausbildung als Hauswirtschaftsgehilfin hat sie noch eine Ausbildung zur Bürokauffrau drangehängt, ein paar Jahre in einer Firma und dann in der Verwaltung im Gerolsteiner Rathaus gearbeitet. "Ich und Schule? Niemals! Das habe ich meinem damaligen Abteilungsleiter auf dem Amt gesagt, als er mir den Job als Schulsekretärin angeboten hat. Seit 1. September 1974 bin ich jetzt hier. Und ich bereue nichts", erzählt sie. Die Abwechslung ("Kein Tag ist wie der andere. "Hier ist immer Betrieb und man hat eben permanent Kinder um sich herum") hält jung.

Während ihrer Zeit hat sie Schüler kennengelernt, die nun Eltern und einige sogar schon Großeltern sind, hat sowohl drei Bürgermeister (als Arbeitgeber) und auch drei Schulleiter (als Chefs) erlebt.
Was sich an der Schule in dieser Zeit geändert habe? "Es ist viel mehr Schreibarbeit geworden, da alles dokumentiert werden muss. Aber die Probleme der Kinder sind eigentlich gleich geblieben, auch wenn sie heute mehr mit dem Handy zu tun haben", sagt sie, überlegt noch eine Weile und fügt dann noch hinzu: "Früher haben sie mehr Streiche ausgeheckt. Heute würde sich kein Schüler mehr trauen, einen Eimer Wasser auf die Türkante zu stellen oder den Feuerlöscher im Flur auszulösen." So richtig negativ hat sie nur die Tage in Erinnerung, an denen die Nachricht vom Tod eines Kollegen die Schule erschüttert hat - und der Tag, als ihr von ihrem Schreibtisch ihre Handtasche samt 300 D-Mark Bargeld und allen Papieren gestohlen worden sei. "Es kam nie raus, wer das war. Ich jedenfalls war schwer getroffen, da ich das nie für möglich gehalten habe", berichtet sie.Tränen sind geflossen

Überwogen haben aber ganz klar die vielen schönen Momente. Der vielleicht schönste: der Tag ihres 60sten Geburtstags. "Da wurde ich vom Konrektor in die Turnhalle gebeten, weil da noch was zu erledigen sei. Plötzlich stehen da die Grundschüler mit einem Blümchen in der Hand und singen mir ein Lied, und die Turnhalle war voll von Schülern und Lehrern. Oh je, da ist mehr als nur ein Tränchen geflossen. Und ich habe nichts geahnt, weil sie im Vorfeld alle dichtgehalten haben."

Auch jetzt ist noch nicht durchgesickert, wie die Schüler und Lehrer ihre Frau Schröder heute verabschieden wollen. Gut möglich, dass wieder ein paar Tränchen fließen.
"Ich gehe mit einem lachenden und einem weinenden Auge", sagt sie. Denn einerseits werde ihr das alles fehlen, andererseits freut sie sich auch auf mehr Zeit fürs Reisen und für die Familie - besonders ihre beiden Enkel Max (3) und Tom (5).

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