Ihr Patenkind ist 400 Millionen Jahre alt

Mürlenbach · Oft ist Maria Stump die einzige Frau im Steinbruch. Die 63-Jährige hat ein außergewöhnliches Hobby: Sie sammelt Fossilien, Zeugnisse, die mehr als 370 Millionen Jahre alt sind. Seit kurzem trägt sogar ein versteinerter Seelilienkelch den Namen der Mürlenbacherin.

Mürlenbach. Ein Urzeittierchen verbirgt sich hinter dem Namen Storthingocrinus mariastumpae. Das zwischen 370 und 400 Millionen Jahre alte Fossil hat Fangarme, einen Mund, innere Organe und einen Stiel mit Wurzel. Es ist ein Vorläufer der Seelilien, -gurken, und -igel. Diplom-Ingenieur Joachim Hauser hat ihn in den 90er Jahren im Steinbruch Gerolsteiner Mulde gefunden und dafür gesorgt, dass er den Namen der Mürlenbacherin Maria Stump erhält.
"Maria Stump hat sich um die Paläontologie verdient gemacht. Sie rückt ihre Person nicht in den Vordergrund und macht ihre Funde und Erkenntnisse der Wissenschaft zugänglich. Sie öffnet bereitwillig die mit ihrem Mann über Jahre hinweg zusammengetragene Sammlung. Diese enthält auch Dreilappenkrebse. Ein Teil ihrer Funde ist auch im Naturkundemuseum in Gerolstein zu sehen", sagt Joachim Hauser.
Die 63-Jährige freut sich sehr über diese Ehrung. "Das ist für mich wie das Lied ,Ein Stern, der deinen Namen trägt\'", sagt sie stolz. Nur selten werden Fossilien nach Laien benannt. Meist erhalten sie Namen der Wissenschaftler, die sie gefunden haben. Später wird die nach der Mürlenbacherin benannte Versteinerung im Naturkundemuseum in Berlin ausgestellt werden.
Als Fossiliensammlerin ist Maria Stump eine Rarität. Wenn die 63-Jährige in Gummistiefeln, mit Geologenhammer, GPS, Bürste, Lupe, Stiften und Klopfstein loszieht, trifft sie meist nur auf Männer. Von denen sie am Anfang, als sie vor 27 Jahren zum ersten Mal auf Tour ging, lediglich belächelt wurde. Wahrscheinlich dachten die Männer, dass eine Frau nicht genügend Kraft hat und nicht zäh genug ist, um im Matsch zu liegen und Steine aufzuschlagen, vermutet ihr Ehemann Diethelm Stump.
Heute ist das anders. "Maria ist bekannt wie ein bunter Hund", sagt er. Durch ihren Mann ist sie auch auf den Stein, besser gesagt, auf die Fossile gekommen. "Als er mir einen Urzeitkrebs geschenkt hat und gesagt hat, der Krebs sei 360 Millionen Jahre alt, habe ich gedacht: ,Was für ein Angeber.\' Es ist einfach eine unvorstellbare Zahl. Gleichzeitig hat das auch meine Neugier geweckt. Ich wollte mehr wissen, versuchen, das zu begreifen", sagt Maria Stump.
Wenig später fand sie ihren ersten Dreilappenkrebs, seitdem ist sie süchtig, sagt die Rentnerin. Dennoch ist das Finden der Versteinerungen nicht leicht. Das Ehepaar studiert zunächst Karten und sucht dann bestimmte Gesteinsschichten ab, da die beiden es auf Fossilien der Devonzeit abgesehen haben.
"Bei den Fundstücken sieht man nur klitzekleine Ausschnitte, die auf ein Fossil hindeuten", erklärt Maria Stump. "Dann schlage ich den Stein auf und hoffe, dass ich die richtige Stelle erwischt habe, damit ich das versteinerte Tier oder die Pflanze nicht zerschlage", ergänzt sie.
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Zu Hause bearbeitet das Ehepaar Stump die Steine weiter. Dies nimmt die meiste Zeit in Anspruch. Zwischen zehn und 300 Stunden brauchen sie, um einen Urzeitkrebs komplett freizulegen. Die Rentnerin beherrscht noch nicht alle Arbeitsschritte perfekt. "Ich bin noch bei meinem Mann in der Lehre in der hohen Kunst des Präparierens", sagt sie. Das Paar hat ein Zimmer, in dem es die Funde hauptsächlich säubert. "Das nenne ich die Giftküche", sagt Maria Stump und lacht. Danach folgt die Feinarbeit in einem weiteren Raum. Dazu haben Stumps eine Vielzahl von Geräten wie Diamantfräser oder Mikroskop.
Einige der Utensilien erinnern an den Bohrer beim Zahnarzt. Tatsächlich war ein Teil der Hartmetallfräsköpfe einst bei einem solchen im Einsatz. Für den abschließenden Arbeitsschritt beim Freilegen von Fossilien benötigt die Rentnerin ein Sandstrahlgerät. Mit ihm entfernt sie die letzten Staubspuren.
Allerdings muss sie dabei Einweghandschuhe tragen. Bei einem Druck von eins bis zu sechs Bar würden sonst kleinste Splitterchen in ihre Haut eindringen. Das muss nicht sein. Maria Stump hatte schon oft genug aufgerissene Finger oder blaue Flecken, trotzdem wollte sie ihr Hobby keine Sekunde missen.

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