Im Dreisprung durch die Nässe

Echternach · 12 000 Menschen sind gestern nach Echternach gekommen, um sich springend durch die Straßen der Abteistadt zu bewegen. Im Gegensatz zu sonst war die Prozession allerdings deutlich bunter, was an der notwendigen Regenbekleidung lag.

Echternach. "Der Himmel meint es gut mit uns", sagt Jean-Claude Hollerich. Ob der luxemburgische Erzbischof die aktuellen Wetterprognosen nicht kennt oder sie einfach ignoriert - oder aber, ob er damit die zweifelsohne geringe Sonnenbrandgefahr an diesem Vormittag meint, kann an dieser Stelle nicht geklärt werden. Tatsache ist aber: Noch während der Bischof die mit diesen Worten eingeleitete Begrüßung der Pilger vollzieht, fängt es an zu regnen. Und das weder zum ersten noch zum letzten Mal an diesem Tag.
Mehrere Tausend Menschen haben sich im Innenhof der Abtei Echternach versammelt, um wenig später an der Springprozession durch die Innenstadt teilzunehmen. Normalerweise tragen die Prozessionsteilnehmer weiße T-Shirts oder Hemden. Doch die Kreativen der Textilindustrie scheinen es die vergangenen Jahre versäumt zu haben, weiße Regenbekleidung auf dem Markt zu etablieren, weshalb der Abteihof an diesem Morgen trotz des regengrauen Wetters erfrischend farbenfroh wirkt.
Einige Pilger sind die ganze Nacht durchgewandert, andere sind mit Bussen gekommen. Nun stehen sie alle im Hof, sehen wie eine Armada von Bischöfen an ihnen vorbeizieht, gefolgt von acht Feuerwehrmännern. Die Männer der Echternacher Wehr tragen auf Hochglanz polierte Helme aus Chrom, an denen das Regenwasser abperlt. Und vier von ihnen tragen darüber hinaus noch das Reliquiar des heiligen St. Willibrord, zu dessen Ehren die Springprozession jedes Jahr veranstaltet wird.
Die ersten Gruppen stellen sich auf, um den Hof durch das Tor in Richtung Rue de Pont zu verlassen. Und dann geht es langsam los. Wobei die Betonung wirklich auf "langsam" liegt. Denn die Springprozession ist ein Ereignis, das für die eine Hälfte bereits zu Ende ist, bevor es für die andere Hälfte überhaupt begonnen hat. Zahlreiche Helfer sind nötig, um die Gruppen in der richtigen Reihenfolge anzuordnen. Und um das Kontingent von rund 45 Musikvereinen auf die scheinbar nicht enden wollende Pilgerschar der Springenden zu verteilen. Denn um sich halbwegs gleichmäßig in dem eigenwilligen Dreisprung vorwärtsbewegen zu können, ist ein Takt sehr hilfreich.
Nicht jeder beherrscht den Sprung. Und für einige der ebenfalls zahlreich beteiligten Kindergarten- und Grundschulkinder besteht die eigentliche Herausforderung ohnehin vor allem darin, von einer in die nächste Pfütze zu springen. Die Stimmung ist gut. Und irgendwann, nachdem die ersten Gruppen bereits die Basilika erreicht haben und die letzten Gruppen so langsam losspringen, lässt auch der Regen nach. Der Himmel meint es wieder mal gut.
Extra

Weil es seitens der Teilnehmergruppen aus den unterschiedlichen Einzugsgebieten der Echternacher Prozession zum Teil auch unterschiedliche Springtechniken gab, wodurch die Prozession früher des Öfteren ins Stocken geraten sein soll, gilt seit 1947 eine einheitliche Technik: ein Schritt seitlich nach links und dann ein Schritt seitlich nach rechts. Die Menschen springen in Reihen und sind mit weißen Tüchern, die sie festhalten, miteinander verbunden. Die ursprüngliche Melodie geht auf eine einfache Volksweise zurück, die man in ganz Europa in verschiedenen Varianten wiederfindet. Sie wurde im 19. und 20. Jahrhundert erweitert und harmonisiert und wird während der Prozession von den teilnehmenden Musikern und Kapellen gespielt. Wer den ersten Sprung gemacht hat, bleibt ein Geheimnis. Doch ist die älteste Erwähnung eines Dreisprungs in einer Sequenz des Mönchs Bruno von Prüm zu finden, der von 1008 bis 1048 Abt in Reichenau war. Diese Sequenz zu Ehren des heiligen Willibrord, der 739 gestorben war und nach dessen Tod aus Echternach einen Pilgerort werden ließ, deutet auf eine bestimmte Springprozession an einen bestimmten Tag hin. Warum allerdings gesprungen wird, darauf weiß auch die katholische Kirchengemeinde Luxemburgs keine Antwort. uheExtra

Peter Görgen aus Oberweis ist in einer Gruppe angehender Firmlinge die ganze Nacht durch bis nach Echternach gepilgert: "Ein wenig müde bin ich jetzt natürlich schon, aber wir haben dafür heute morgen sehr gut gefrühstückt." Annette Bayerlein ist aus Mutterschied im Hunsrück mit einer kleinen Gruppe angereist: "Ich bin bereits seit 35 Jahren dabei, aber so ein Wetter wie heute hatten wir bis jetzt noch nie." Peter Hoffmann ist Rektor an der Grundschule in Sehlem: "Wir fahren jedes Jahr mit unseren Kommunionkindern hierhin. Ich kann mich nicht erinnern, dass es schon mal so geregnet hat, aber unsere gute Laune lassen wir uns dadurch nicht verderben." Christine Comtesse ist Erzieherin an einem katholischen Kindergarten in Saarbrücken und mit mehr als 40 Kolleginnen angereist: "Einige von uns sind schon mal mitgesprungen, die meisten aber nicht. Wir haben aber im Bus schon geübt." Marie Therese Steichen aus Rosport pilgert schon seit ihrer frühen Kindheit zur Springprozession: "Dieses Jahr bin ich ausnahmsweise nicht zu Fuß hergekommen, weil ich mir meinen Arm gebrochen habe. Mitspringen werde ich aber auf jeden Fall." (uhe)/TV-Fotos (5): Uwe Hentschel

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