Integration oft Fehlanzeige

GEROLSTEIN. Der Migrationsdienst der Caritas hatte im ersten Jahr seit Eröffnung der Büros in Gerolstein viel Zulauf: 650 Einzelberatungen nahmen die beiden Mitarbeiter vor, mehr als 1000 Kontakte zu Behörden knüpften sie. Dennoch ist und bleibt für viele Aussiedler Integration ein unerfüllter Traum.

"Ich weiß nicht, wo mein Vaterland ist. Kasachstan ist es nicht und Deutschland auch nicht", sagt der 60-jährige Philipp Bär verzweifelt. Er lebt seit sechs Jahren in Gerolstein, und seit zwei Jahren ist der schwer herzkranke Mann arbeitslos. Nach der Arbeitslosenhilfe droht die Sozialhilfe, da auch seine 55-jährige Ehefrau Lydia arbeitslos ist. Bär erklärt seine schier ausweglose Situation: "Wir haben kein Geld. Mit zwölf Euro auf dem Konto und 20 Euro in der Tasche kann man nicht leben.""Vielen sind die Probleme übern Kopf gewachsen"

Das ist einer der 117 Fälle, um die sich Michael Fasen in der Beratungsstelle in der Bahnhofsstraße in Gerolstein kümmert. Nach einem Jahr Erfahrung und knapp 400 Einzelberatungen weiß der Diplom-Pädagoge: "Vielen Hilfesuchenden sind die Probleme über den Kopf gewachsen. Hilfe von anderen erfahren sie kaum. Integration wie man sie sich wünschen würde, findet nicht statt."Beispiel: Wohnungssuche. Fasen kennt etliche vorherrschende Vorurteile: "Ruft jemand mit russischem Akzent an, wird er abgewimmelt." Dann greift er als Vermittler ein und versucht, Vertrauen zwischen den Vermietern und der Gruppe der Spätaussiedler aufzubauen.Ebenfalls viele Hürden haben die Migranten bei der Arbeitssuche zu überwinden. Zeugnisse und Ausbildungen werden oft in Deutschland nicht anerkannt. Fasen berichtet von einer Krankenschwester, die schon etliche Jahre in Kasachstan in ihrem Beruf gearbeitet hat: "Nachdem die Zeugnisse übersetzt waren, musste sie ein Jahr Praktikum und erneut eine Abschlussprüfung machen, bevor sie in Deutschland als Krankenschwester arbeiten durfte." Fasen kennt sich außerdem im Antragsdschungel für finanzielle Hilfen aus. Egal ob Arbeits- oder Sozialamt oder Rentenkasse. Er hilft den Spätaussiedlern beim Ausfüllen der Formulare und berät sie.Der zweite Mann im Büro des Migrationsdienstes ist Guido Hannawald, ebenfalls Diplom-Pädagoge. Er kümmert sich um jugendliche Aussiedler, fährt zu deren Treffpunkten in der Stadt und den Dörfern, geht in die Schulen und bietet regelmäßig im Übergangswohnheim in Kerpen Sprechstunden an. Mit knapp 250 Jugendlichen steht er derzeit in Kontakt.Den Schwestern Olga (18 Jahre) und Irina Erke (17 Jahre), die seit vier Jahren in Gerolstein leben, hat er beispielsweise bei den Bewerbungsschreiben geholfen. Beide besuchen die zehnte Klasse der Regionalen Schule. Olga sagt: "Ich will Arzthelferin werden und habe über 70 Bewerbungen geschrieben." Irina verrät: "Guido hat mir auch schon geholfen, Aufsätze zu schreiben."Auch Alexej Huck hat Hannawald bei der Suche nach einer Ausbildungsstelle geholfen. Der Diplom-Pädagoge hat einen Wertewandel bei den jungen Aussiedlern festgestellt: "Es ist nicht mehr so wichtig, schnell Geld zu verdienen, sondern zuerst eine Ausbildung zu machen." Doch der Weg bis dahin ist nicht einfach - allein schon wegen des Papierkrams. Der ist für viele jugendliche Aussiedler ein Graus. Das kann Hannawald gut nachvollziehen. Er weiß, dass beispielsweise in Kasachstan ein ganz anderes System als in Deutschland gilt. "Da gibt es keine speziellen Ämter, sondern im Dorf eine Polizeistation, die alles regelt."Es muss nicht die teuerste Lebensversicherung sein

Oft führe Unwissenheit zu Problemen. Beispielsweise dass ein Auto versichert werden muss, eine teure Lebensversicherung hingegen nicht unbedingt notwendig ist. Auch Prävention beim Drogenkonsum hat sich Hannawald auf die Fahne geschrieben. In einigen Projekten arbeitet er an diesem kniffligen Thema. Und auch bei Familienproblemen ist Hannawald Ansprechpartner. Vorteil: Er spricht russisch.Allerdings sehen Fasen und Hannawald ihre Arbeit nicht isoliert. Unisono sagen sie: "Wir arbeiten eng mit den anderen Organisationen zusammen, die sich ebenfalls um Aussiedler in der Region kümmern."

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