Wirtschaft Mutmacher für Fachkräftesuche und Geschäftspartnerschaften

Gerolstein · Iran bietet trotz der Sanktionen gerade für den Mittelstand der Eifel-Mosel-Region Chancen sowohl als Absatzmarkt wie auch für die Rekrutierung dringend benötigter Fachkräfte. Eine Veranstaltung des Bundesverbandes Mittelständische Wirtschaft (BVMW) zeigte auf, wie das geht.

Viele Iranerinnen und Iraner sind in Deutschland heimisch geworden, arbeiten als Ärzte, Ingenieure oder anderweitige Fachkräfte – fast immer eine Erfolgsgeschichte für alle Seiten. Als Mittler zwischen beiden Ländern und Kulturen sieht sich auch der Wirtschaftsanwalt Alireza Azimzadeh: Er wuchs in Deutschland auf und studierte hier, pendelt beruflich seit vielen Jahren zwischen Teheran und Hamburg und ist Leiter der Ständigen Vertretung des BVMW für Iran. Nun war er auf Einladung von Hans-Peter Pick, BVMW-Leiter Eifel-Mosel, zu Gast in Gerolstein.

Nicht ohne einen Grund, der eng mit der Region zusammenhängt: Zum einen sind hier mittelständische Betriebe in Branchen aktiv, die nicht von den Sanktionen gegen das Land im Mittleren Osten betroffen sind, wie etwa Nahrungsmittel oder Medizintechnik. Zum anderen sind hier demografischer Wandel und Fachkräftemangel besonders drängende Themen. „Seit 30 Jahren diskutieren wir ein Einwanderungsgesetz für Nicht-EU-Länder. Nun wird es endlich umgesetzt und schafft wesentliche Hemmnisse aus dem Weg“, ist Pick zuversichtlich.

„Denn entweder wir müssen unsere Wirtschaftsleistung drastisch drosseln und noch mit 80 oder 85 Jahren arbeiten, wie es Experten berechnen, oder aber wir forcieren qualifizierte Einwanderung.“ Alles andere als überaltert ist die iranische Bevölkerung, wie Azimzadeh erläuterte. „Rund 75 Prozent sind unter 35 Jahren alt. Gerade die wachsende Mittelschicht ist sehr gut ausgebildet, bringt Englischkenntnisse mit und die Bereitschaft, schon bei den Goetheinstituten im Iran Deutsch zu lernen. Insbesondere im naturwissenschaftlich-mathematischen und im medizinischen Sektor haben die jungen Leute viel Know-how, im sozialen Bereich ebenfalls gut entwickelte Kompetenzen. Zugleich gibt es für sie derzeit wenig Berufschancen in ihrer Heimat und sie sind darum auswanderungswillig.“

Von der iranischen Regierung werde diese Entwicklung toleriert und teils sogar unterstützt, um den unter Druck geratenen heimischen Arbeitsmarkt zu entlasten und Devisen über die im Ausland lebenden Iraner zu bekommen. Es gebe eine lange Geschichte der Verbundenheit zwischen Deutschland und Iran. „Die Erfahrung zeigt: Wir neigen nicht zur Bildung von Parallelgesellschaften, sondern integrieren uns.“  Geschätzte 33 000 gut qualifizierte iranische Kräfte stünden derzeit als Potenzial zur Verfügung. „Auch Frauen sind bereit, allein auszuwandern. Sie sind im Übrigen viel emanzipierter, als das im Westen vermutet wird.“

Aus deutscher Sicht also beste Voraussetzungen, um iranische Akademiker, Handwerker, medizinisches Personal oder Gastronomiefachleute in die Region zu locken. Der BVMW Eifel-Mosel wird, so Pick, interessierte Unternehmer mit Hilfe von Azimzadeh über die notwendigen bürokratischen Hürden und zu den passgenau benötigten Arbeitnehmern oder Auszubildenden lotsen. Noch nicht ganz so unbeschwert verläuft, wie Azimzadeh schilderte, derzeit das Geschäft für deutsche Unternehmen mit iranischen Partnern. „Nach dem Atomdeal herrschte zunächst regelrechte Aufbruchstimmung, doch vor allem Großkonzerne mit US-Verflechtungen haben sich wieder zurückgezogen. Für den Mittelstand mit seinem bodenständigen Realismus lohnt es sich jedoch, den Markt im Iran mit seinen mehr als 80 Millionen Einwohnern nicht gänzlich zu verlassen.“ Der Anwalt erwartet mittelfristig eine deutliche Entspannung des Verhältnisses zum Westen, „dann ist es gut, den Fuß in der Tür zu haben“. Vor allem für Mittelständler aus den Bereichen Lebensmittel, Hygiene und Medizintechnik sei Iran ein geeignetes Feld für Investitionen und Engagements. „Wichtig ist natürlich, dass die Rahmenbedingungen und Details sorgfältig abgeklopft werden. Bisweilen muss man auch einfallsreich sein, um einen gangbaren Weg zu finden“, so Azimzadeh. Aber das sei schließlich überall auf der Welt so.

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