Jahre wie im Zeitraffer

DAUN-NEUNKIRCHEN. Vor knapp fünf Jahren wurde er durch einen Unfall aus seinem "normalen" Leben katapultiert. Tobias Krämer ist seitdem querschnittsgelähmt. Er hat sich den Herausforderungen gestellt und Erstaunliches geschafft.

 Computer stehen zwar im Firmenbüro und zu Hause, aber ein "Stubenhocker" ist Tobias Krämer keinesfalls. Er fährt regelmäßig zum Sport und trifft sich oft mit Freunden.Foto: Stephan Sartoris

Computer stehen zwar im Firmenbüro und zu Hause, aber ein "Stubenhocker" ist Tobias Krämer keinesfalls. Er fährt regelmäßig zum Sport und trifft sich oft mit Freunden.Foto: Stephan Sartoris

16. Juli 1998: Tobias Krämer ist mit einer 19-jährigen Kollegin mit dem Auto auf dem Weg nach Prüm. Was als ganz normaler Tag beginnt, endet für den 17-Jährigen in einem Vorfall, der sein Leben verändert. Die Fahrgemeinschaft wird in einen Unfall verwickelt, Tobias wird schwer verletzt. "Als ich auf der Intensivstation wach geworden bin, war mir nicht bewusst, was mit mir passiert ist", erinnert sich der heute 22-Jährige. Die Diagnose: Querschnittslähmung.Unterstützung von der großen Familie

Nach einer solchen niederschmetternden Botschaft wären wohl viele in eine tiefe Depression gestürzt, hätten mit der Zukunft abgeschlossen, hätten sich von anderen Menschen abgekapselt. Nicht so Tobias. Er hat sein "neues" Leben in die Hand genommen. Was ihn motiviert, sind nicht nur die Erfolge, die er erreicht hat, sondern auch die Unterstützung seiner (großen) Familie. Seine Eltern haben ihn gepflegt, seine Geschwister ihm geholfen, Vater Horst hat sich "tief in den bürokratischen Dschungel" zwischen Berufsgenossenschaft, Versicherungen und Behörden begeben, meist mit Erfolg.Wer den 22-Jährigen kennenlernt, hat einen sympathischen, selbstbewussten, Optimismus ausstrahlenden jungen Mann vor sich. Berührungsängste kommen gar nicht erst auf. "Ich habe die Jahre nach dem Unfall fast im Zeitraffer erlebt. Ich bin schneller erwachsen geworden, habe das Gefühl, einige Jahre übersprungen zu haben. Gegenüber Gleichaltrigen habe ich andere Prioritäten gesetzt, teilweise natürlich anders setzen müssen", zieht Tobias Bilanz.Sein ursprüngliches Berufsziel Schreiner musste er nach dem Unfall aufgeben. Nach einer Umschulung ist Tobias nun Fachinformatiker und hat auch eine Stelle gefunden. Keine Selbstverständlichkeit, wie Tobias erfahren hat: "Von den 50 Leuten, die mit mir beim Umschulungs-Lehrgang in Heidelberg waren, haben nur zehn Prozent einen Job gefunden. Ich bin superglücklich, dass ich eine Stelle habe. In ländlichen Gebieten sind Angebote für Informatiker nicht eben üppig gesät." Tobias arbeitet seit Anfang des Jahres bei der Firma de facto im Technologie- und Gründerzentrum Nerdlen/Kradenbach: "Dort wurde ich mit offenen Armen empfangen."Die große Leidenschaft des jungen Mannes, der im Dauner Stadtteil Neunkirchen in einem behindertengerechten Anbau direkt neben seinem Elternhaus wohnt, ist Rollstuhl-Rugby. Zweimal wöchentlich fährt Tobias zum Training nach Koblenz.Der Sport hat sein Leben positiv beeinflusst

Der Sport hat in vielerlei Hinsicht sein Leben positiv beeinflusst. "Ich bin sehr viel selbstständiger, mobiler geworden durch das regelmäßige Training. Im ersten halben Jahr nach dem Unfall konnte ich kaum einen Löffel zum Mund führen, mittlerweile ziehe ich mir Hemd oder T-Shirt selber an", beschreibt Tobias die Entwicklung. Zudem hat er beim Rugby viele neue Freunde gefunden, mit denen er sich über das gemeinsame Hobby, aber auch die gemeinsamen Lebensumstände unterhält. "So habe ich erfahren, dass ich nicht allein dastehe. Es geht auch anderen so, und auch sie haben ihren Lebensmut nicht verloren."Ein Leuchten ist in Tobias' Augen zu erkennen, wenn er über sein nächstes Ziel spricht: "Ich hoffe, dass ich in wenigen Monaten ein Auto habe. Ich hatte schon eins in Aussicht, aber damals ist die Firma, die es liefern sollte, Pleite gegangen." Bis dahin wird er weiter mit einem Spezialtaxi zur Arbeit gebracht. Tobias hat nicht vergessen, wer dazu beigetragen hat, sein Leben so gut in den Griff zu kriegen: "Neben der Familie und echten Freunden haben mir die vielen Menschen Mut gemacht, die für mich Geld gespendet haben. Es ist unglaublich, welch eine Welle von Hilfsbereitschaft ausgelöst wurde. Das riesige Engagement hat mir vieles von dem ermöglicht, was ich heute habe."

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