Keine Schuld, aber Trauer

Keine Verurteilung: Das Amtsgericht Daun hat das Verfahren wegen fahrlässiger Tötung gegen einen 72-Jährigen aus der Verbandsgemeinde Obere Kyll eingestellt. Am Neujahrsmorgen 2009 hatte der Angeklagte einen 20-Jährigen kurz vor Oberbettingen angefahren, der Tage später starb. Laut Gutachter war das betrunkene Opfer maßgeblich am Unfall beteiligt, weil es einen Ausfallschritt auf die Straße gemacht hatte.

Daun/Oberbettingen. (vog) In der anderthalbstündigen Verhandlung vor dem Amtsgericht Daun, in dem sich ein 72-jähriger dem Vorwurf der fahrlässigen Tötung ausgesetzt sah, weil es in der Neujahrsnacht einen jungen Mann angefahren hat, brachen alle Dämme: Die Mutter des verstorbenen 20-Jährigen kämpfte mehrmals mit den Tränen. Als die Anklageschrift verlesen und der Unfallhergang im kleinsten Detail erörtert wurden, kamen unaufhaltsam Erinnerungen an ihren Sohn auf. Spürbare Trauer auf allen Seiten. Denn auch der 72-jährige Angeklagte war sichtbar aufgewühlt. Noch vor der Detailbefragung sagte er: "Ich konnte ja wirklich nichts dafür. Mir tun die Eltern sehr leid." Den Unfallhergang schilderte er wie folgt: "Wir feierten mit unserem Kegelclub, aber ich hatte nichts getrunken, weil ich meinem Enkel versprochen hatte, ihn von einer Party abzuholen." Nachweislich wurde bei dem Senior in der Neujahrsnacht kein Alkohol im Blut gemessen. Auf dem Rückweg zur eigenen Silvesterfeier fuhr er dann auf der K 54 von Lissendorf nach Oberbettingen. Gegen 1.45 Uhr erfasste er mit seinem Wagen den 20-Jährigen. Der hatte zur Unfallzeit 1,67 Promille und erlag am 6. Januar seinen schweren Verletzungen. Der Angeklagte erinnerte sich: "Er tauchte aus dem Nichts auf und sprang aus dem Graben auf die Straße." Er hingegen sei "langsam und den winterlichen Straßenverhältnissen angemessen unterwegs" gewesen. Der Sachverständige Eugen Weiten aus Koblenz bestätigte dies. Nach seinem Gutachten war der Angeklagte maximal Tempo 72 gefahren. Weiten hat gemeinsam mit der Polizei den Unfall rekonstruiert. Zu Hilfe nahmen sie eine lebensgroße Puppe als Unfallopfer. Dabei berücksichtigte er die Witterung, die Sicht und die technische Ausstattung des älteren Autos. Weiten erklärte: "Da das Auto kein ABS-System hatte, blockierten die Räder bei der Vollbremsung, und es war kein Ausweichschlenker nach links möglich." Der Sachverständige legte auf dem Richterpult mehrere Fotos aus. Während die Juristen darüber brüteten, gerieten der Vater des Unfallopfers und der Angeklagte aneinander und beschimpften sich gegenseitig. Die Nerven lagen blank. Richter Hans Schrot mahnte zur Ruhe.

Der Sachverständige machte deutlich, dass es nur zu einem Unfall kommen konnte, weil der 20-Jährige mit einem Ausfallschritt die Fahrbahn betrat. Weiten: "Wäre er am Fahrbahnrand geblieben, wäre es zwar eng geworden, aber nicht zu einer Kollision gekommen." Nach der Beweisaufnahme waren Staatsanwältin Kristina Speicher und der Vorsitzende Richter Hans Schrot sich einig: Eine Einstellung des Strafverfahrens ist die angemessene Entscheidung, weil der im Raum stehende Vorwurf der fahrlässigen Tötung nicht belegt werden konnte.

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