Kerpener Feuerwehr setzt Notruf ab: Ungewöhnliche Mitgliederwerbung soll Fortbestand sichern

Kerpen/Daun · Mit einer nicht alltäglichen Aktion hat die Freiwillige Feuerwehr Kerpen auf ihre Existenzsorgen aufmerksam gemacht und um neue Mitglieder geworben. Kreisweit verzeichnen die Wehren seit einigen Jahren einen Rückgang an aktiven Mitgliedern.

Kerpen/Daun. "Es war ein letzter Hilferuf", sagt Albert Etten, Vorsitzender des Fördervereins und seit 40 Jahren Mitglied der Kerpener Feuerwehr. Die verbliebenen zehn aktiven Wehrleute zogen durch den rund 470 Einwohner zählenden Ort in der Verbandsgemeinde Hillesheim und verteilten rote Löscheimer an alle Haushalte. Darin enthalten: ein Zettel mit Verhaltensmaßregeln für die Hausbewohner, der erklärt, was bei einem Brand zu tun sei, wenn trotz eines Alarms die Feuerwehr nicht käme. "Wenn Feuer zu groß - Nachbarn informieren und Eimerkette bilden", heißt es in der Anweisung.Ein Schuss Galgenhumor


"Das ist selbstverständlich mit Galgenhumor zu sehen", sagt Etten, der die Aktion initiiert hatte. "Doch wir haben es geschafft, die Kerpener aufzurütteln."
Zu einem Info-Abend kurz darauf später seien rund 20 Interessenten erschienen. "Überwiegend Jugendliche, die wir trotz einiger Versuche in den vergangenen Jahren nicht überzeugen konnten, der Feuerwehr beizutreten", wundert sich Etten. "Die Löscheimer-Aktion hat wohl zu Gesprächen in den Familien geführt."
Zum Aufstellen des Maibaums am 30. April, das traditionell die Feuerwehr veranstaltet, sind die Interessenten erneut eingeladen, "und ich hoffe, dass möglichst viele sich in der Zwischenzeit dazu entschlossen haben, bei uns mitzumachen", sagt Etten.

Sollte dem nicht so sein, drohe das Aus: "Wir brauchen acht Leute, um die Übungen vorschriftsgemäß zu absolvieren. Im Augenblick sind wir zwar noch zehn, doch in den kommenden Jahren erreichen vier Kameraden die Altersgrenze von 63 Jahren und scheiden aus dem aktiven Dienst aus." Dann bliebe nur noch eine Zusammenlegung mit den Feuerwehren der Nachbargemeinden.

Für Kerpen hätte das Konsequenzen, denn auch der 25 Mitglieder zählende Förderverein hätte dann keine Daseinsberechtigung mehr. "Ein Verein, der den Handwerkermarkt und den Weihnachtsmarkt organisiert." Der Förderverein könne sich zwar umbenennen, "aber ganz das Wahre wäre das wohl nicht mehr", sagt Etten.
Ortsbürgermeister Rudolf Raetz lobt die Löscheimer-Aktion, die in dieser Form auch vor einigen Jahren in Lissendorf erfolgreich verlaufen ist: "Hier wurde den Bürgern deutlich vor Augen geführt, was geschieht, wenn es vor Ort keine Feuerwehr mehr gibt."
Er hoffe, dass sich viele junge Leute melden, sagt Raetz. "Die Gemeinde unterstützt die Feuerwehr voll und ganz."

Kreisfeuerwehrinspekteur Christoph Bach schließt sich an: "Die Feuerwehr gehört zu einem Dorf wie die Kirche", sagt er. Der demografische Wandel führe dazu, dass die kreisweit Ortsfeuerwehren zunehmend Mitglieder verlören (siehe Extra): "Deshalb ist es toll, wenn mit einer solchen Aktion Nachwuchs gewonnen wird." Etten erinnert sich noch an die Mannschaftsstärke der Kerpener Feuerwehr in den 1970er Jahren: "Als ich vor vierzig Jahren Mitglied wurde, waren das noch 30 Mann." Die Zeiten seien vorbei, doch eines ist ihm noch wichtig: "Wir freuen uns, wenn weibliche Mitglieder eintreten", sagt er. "Wir sollten es doch schaffen, genug Leute zusammenzukriegen, damit wir zumindest erste Schritte am Brandort vornehmen können, bis weitere Wehren eintreffen."Extra

Kreisfeuerwehrinspekteur Christoph Bach verfolgt die Entwicklung der Feuerwehren im Landkreis Vulkaneifel mit Besorgnis. Zurzeit existieren in den fünf Verbandsgemeinden noch 124 Wehren, doch längst sorge der demografische Wandel dafür, dass die Personaldecke ausdünne. Inzwischen würden sogar Feuerwehrgruppen aus benachbarten Verbandsgemeinden zusammengelegt werden, um die Mindestteilnehmeranzahl bei Grundlehrgängen zu erreichen. Bach sagt: "Unsere Feuerwehren erfüllen nicht nur eine kommunale und hoheitliche Aufgabe, sie sind auch Kulturträger in den Dörfern. Ich appelliere an Bürger auch mittleren Alters, der Feuerwehr ihrer Gemeinde beizutreten und damit Wichtiges für das Gemeinwohl zu leisten." Und an die Vertreter aus Politik, Verwaltung und Unternehmen appelliert er, "die Arbeit der ehrenamtlichen Feuerwehrangehörigen und der Hilfs- und Rettungsdienste bestmöglich zu unterstützen." nowExtra

Zahlen: 2014 waren im Kreis 2839 Menschen aktiv bei den Feuerwehren, davon 2564 Männer und 275 Frauen. 2010 waren es noch 2985 Wehrleute (270 Frauen). 2005 lag die Zahl der Feuerwehrangehörigen bei 2881, davon 259 Frauen. Auch bei den Jugendfeuerwehren sinken die Mitgliederzahlen: 2014 waren 349 Jungen und 116 Mädchen in den Jugendwehren, insgesamt 465 aktive Nachwuchskräfte. 2010 stand die Zahl der Mitglieder noch bei 510 (364 Jungen und 146 Mädchen), 2005 bei insgesamt 560 (416 Jungen und 144 Mädchen). Auflösungen und Zusammenlegungen: Aufgelöst wurden in der jüngsten Vergangenheit zwei Wehren: die in Loog 2013 sowie die in Nitz 2011. 2008 wurden die Wehren Dreis und Brück zusammengelegt. Weitere Auflösungen oder Zusammenlegungen stehen derzeit nicht an. now

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