Kind angesprochen: Polizei gibt Entwarnung

Neroth/Daun · Wie ein Lauffeuer hat sich die Nachricht verbreitet, dass ein achtjähriges Kind vor der Grundschule in Neroth von einem Mann aus einem weißen Kleinbus angesprochen worden ist. Während immer mehr verängstigte Eltern im gesamten Kreis via Telefon und im Internet die Meldung weitergeben, gibt die Polizei Entwarnung.

 Der " nette Onkel" im Auto: Oft geht Fällen von Kindesmissbrauch das Ansprechen der Kinder voraus. Eine neue Datenbank soll entsprechende Verdächtige erfassen.Foto: Klaus Kimmling

Der " nette Onkel" im Auto: Oft geht Fällen von Kindesmissbrauch das Ansprechen der Kinder voraus. Eine neue Datenbank soll entsprechende Verdächtige erfassen.Foto: Klaus Kimmling

Neroth/Daun. "Der Junge ist zwar in der Tat in Neroth angesprochen worden, wir schließen aber einen kriminellen Hintergrund hundertprozentig aus." Mit diesen Worten versucht Dauns Polizeichef Heinz-Peter Thiel die Situation zu beruhigen, die "fast schon an eine Massenhysterie gegrenzt" habe. Nach einem laut Thiel "intensiven Gespräch mit dem Jungen und seinen Eltern" stellt sich für die Polizei folgender Sachverhalt dar: In der Nähe der Grundschule in Neroth hält der mit sechs Bauarbeitern besetzte weiße Kleinbus neben dem Jungen an. Allein der Umstand, dass der Bus voll besetzt ist, spricht laut Polizei gegen eine kriminelle Absicht. Der Junge wird von dem Fahrer angesprochen und vermutlich nach dem Weg befragt. Schließlich wird der Verkehr wegen der Bauarbeiten im Ortskern auch entlang der Schule in Neroth umgeleitet. Der Wagen soll laut Aussage des Kindes ein F-Kennzeichen für Frankfurt gehabt haben. Ob dies letztlich wirklich so war, ist für die Polizei jedoch fraglich. Sie ist zwar vermehrt dort Streife gefahren und hat auch weiße Kleinbusse angehalten. Sie hat aber weder den Bus noch dessen Fahrer ermittelt. "Immerhin sind 90 Prozent aller Kleinbusse und Kastenwagen weiß", sagt Thiel.
Da der Junge von seinen Eltern aber darauf vorbereitet gewesen sei, sich nicht von Fremden ansprechen zu lassen beziehungsweise einen solchen Vorfall sofort den Eltern mitzuteilen, nimmt die Nachricht seinen Lauf. Der Vater informiert die Schulleitung. Diese erinnert sich an eine ähnliche Meldung mit einem Kinderansprecher in einem weißen Kleinbus im sozialen Netzwerk Facebook und benachrichtigt sofort weitere Schulen - unter anderem die Grundschule in Daun. Weitere Schulen werden informiert, Kinder und Eltern benachrichtigt. Aber die Polizei unterrichtet zu diesem Zeitpunkt noch niemand.
"Lawine" rollt auf Polizei zu


Erst später, als die Polizei bereits mit dem Jungen und seinen Eltern gesprochen hat, rollt auch auf die Polizei die "Lawine" zu. Thiel: "Inzwischen haben wir hier 80 Anrufe und Hinweise zu weißen Kastenwagen. In Zeiten von Twitter und Facebook ist so etwas dann aber erst einmal nicht mehr zu stoppen." Der Erste Polizeihauptkommissar appelliert daher für künftige Fälle: "Man sollte immer zuerst mit der Polizei Kontakt aufnehmen, anstatt andere zu verängstigen. Wir sind sofort da und stehen aber auch beratend zur Seite." So seien nach den Amokläufen an deutschen Schulen und den darauf folgenden Schüler-"Scherzen" auch hier im Kreis gemeinsam mit den weiterführenden Schulen Kriseninterventionsteams gebildet worden. Diese würden sofort zusammenkommen und analysieren, wie groß die Gefahrenlage wirklich ist und dementsprechend handeln.
Zum aktuellen Fall sagt Thiel: "Die Facebook-Meldung kursiert schon seit zwei Monaten im Netz. Zuerst kam sie aus Bayern und ist über das Saarland zu uns gekommen. Und dann hat die Nachricht von einem vermeintlichen Kinderansprecher in einem weißen Kleinbus gereicht, um zu dieser Fehlinterpretation zu kommen."
Die Polizei hat inzwischen auch bereits gegenüber den Schulen und den Schulträgern Entwarnung gegeben und die Schulaufsichtsbehörde über die Nachricht und ihre Folgen informiert.
volksfreund.de/umfragen
Meinung

Vorsicht ja, Panik nein
Es ist gut, wenn ein Kind so aufgeweckt ist, dass es zunächst einmal misstrauisch auf Fremde reagiert, die irgendetwas von ihm wollen. Und es ist gut, wenn das Kind seinen Eltern das sofort erzählt. Und es ist auch gut, wenn Eltern ihren Nachwuchs zu kritischer Distanz gegenüber Fremden und Selbstvertrauen - Nein sagen zu können - erziehen. Denn allein das hält in vielen Fällen Perverse schon davon ab, Kindern etwas anzutun. Es ist aber ebenso die Pflicht von Eltern und Lehrern, bei einem Vorfall wie in Neroth zunächst die Polizei einzuschalten, damit dem Vorwurf professionell nachgegangen wird. Das gilt vor allem seit Facebook & Co. Denn es möchte auch niemand als Kinderschänder gebrandmarkt werden, wenn er einmal gedankenverloren oder naiv ein Kind nach dem Weg gefragt hat. Deshalb gilt: Vorsicht ja, Hysterie nein. m.huebner@volksfreund.de

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