Klärschlamm befleckt makellose Bilanz - Verbandsgemeinde Gerolstein verzichtet trotzdem auf Gebührenerhöhung

Gerolstein · Technische Probleme an den Kläranlagen Gerolstein-Lissingen, Birresborn und Neroth machen den Verbandsgemeindewerken Gerolstein zu schaffen. Denn sie verursachen Mehrkosten von 290 000 Euro. Eine Gebührenerhöhung ist für 2017 aber nicht vorgesehen. Im Detail geht es um die Becken, die Klärschlamm zu Erde umwandeln sollen.

 Ein Kran lässt Wilfried Back, Abwassermeister der VG-Werke (weißer Overall), und Thomas Nellenschulte vom Ingenieurbüro DNC über einem der Lissinger Vererdungsbecken schweben, damit sie Proben des Klärschlamms entnehmen können.TV-Foto: Vladi Nowakowski

Ein Kran lässt Wilfried Back, Abwassermeister der VG-Werke (weißer Overall), und Thomas Nellenschulte vom Ingenieurbüro DNC über einem der Lissinger Vererdungsbecken schweben, damit sie Proben des Klärschlamms entnehmen können.TV-Foto: Vladi Nowakowski

Foto: Vladi Nowakowski (now) ("TV-Upload Nowakowski"

Gerolstein. Die Vererdungsbecken in den Kläranlagen in Gerolstein-Lissingen, Birresborn und Neroth funktionieren nicht wie sie sollen. Der Klärschlamm wird nicht schnell genung zu Erde umgewandelt, die Becken sind daher bereits vollgelaufen, der Schlamm muss anderweitig (und teuer) entsorgt werden. "Daher müssen wir die jährlichen Kosten für die Entsorgung neu berechnen", sagt Harald Brück, Leiter der Werke der Verbandsgemeinde (VG). Stellvertreter Walter Krämer fügt hinzu: "Die zwei Becken in Lissingen sollten den Klärschlämmen insgesamt 25 Jahre lang das Wasser entziehen, bis ihre Aufnahmekapazität erschöpft sein sollte. Jetzt sind sie bereits nach zehn Jahren voll."Minus von rund 290 000 Euro


Für die Entleerung der Vererdungsbecken in Lissingen, Neroth und Birresborn sind jährliche Rückstellungen von 11 200 Euro veranschlagt worden. Doch die Lissinger Becken sind nun schon bereits voll, für Neroth (Baujahr 2011) und Birresborn (Baujahr 2002) rechnen die Wasserwerker mit einer maximalen Laufzeit von 20 Jahren.
Da nun wesentlich mehr Schlamm in kürzerer Zeit entsorgt werden muss, steigen die Kosten auf jährlich 47 100 Euro. In den Jahresabschluss 2015 im Betriebszweig Abwasserbeseitigung reißt der große Schlammberg ein Minus von rund 290 000 Euro.

"Wir kommen aber ohne eine Gebührenerhöhung klar", sagt Werkleiter Harald Brück. Der Verbandsgemeinderat Gerolstein hatte in seiner jüngsten Sitzung beschlossen, die zusätzlichen Kosten aus den Rücklagen der VG-Werke zu begleichen.
Noch sei nicht restlos geklärt, warum das System der Klärschlammentwässerung nicht so funktioniert. Der Prozess, bei dem das Wasser mittels Drainagen, Verdunstung und Pflanzenwachstum der Masse entzogen wird, laufe langsamer als geplant, sagt Brück. Im Verdacht stehen die Schlämme, denen im Faulturm der Anlage zunächst Gase entzogen werden, um das Blockheizkraftwerk der Kläranlage zu betreiben - bevor sie in den Becken entwässert werden. "Die Faulung reduziert zwar die Menge des Schlammes. Andererseits haben die Versuche ergeben, dass sie Auswirkungen auf die Entwässerungseigenschaft im Vererdungsbecken hat", erklärt Brück.

Das heißt in Zukunft, zwischen den Kosten für die Entsorgung des Schlammes und des Energiebedarfs abzuwägen. Schließlich werden jährlich gut 360 000 Kilowattstunden Strom mithilfe der Faulgase erzeugt, was 45 Prozent des Verbrauchs der Anlage entspricht.
Inzwischen ist das Hannoveraner Ingenieurbüro DNC beauftragt worden, zu untersuchen, was die Vererdung der Masse ausbremst. Auch die Beschaffenheit des Klärschlamms wird zurzeit geprüft - die Becken sollen im kommenden Jahr entleert werden.

Vor der Ausschreibung für die Arbeiten soll Klarheit herrschen, ob abgepumpt werden muss oder ob der Inhalt der mehr als 2000 Quadratmeter großen und rund drei Meter tiefen Becken fest genug ist, um ihn auszubaggern. "Das wäre wesentlich kostengünstiger", sagt Thomas Nellenschulte vom Ingenieurbüro DNC. Die Ergebnisse der Untersuchungen sollen in der Sitzung des Werkausschusses am 3. November vorliegen.

Bereits im August entschied der Werkausschuss, künftig rund ein Viertel des anfallenden Klärschlamms von jährlich 4000 Kubikmetern sofort landwirtschaftlich zu verwerten, anstatt ihn in die Becken zu leiten. "Die Ausbringung erfolgt allerdings außerhalb der Gerolsteiner Mulde", heißt es im Bericht der Werke. Wo die trübe Flut aus Lissingen verteilt werden soll, dafür werde nach der Ausschreibung der Unternehmer verantwortlich sein, der den Auftrag erhalte, sagt Harald Brück. "Wir erwarten im Rahmen der Bewerbung selbstverständlich einen Nachweis darüber."Extra

Die Vererdungsbecken in Lissingen haben ein Aufnahmevolumen von gesamt 11 000 Kubikmetern. Die Kosten für den Bau eines Beckens geben die VG-Werke mit rund 1,1 Millionen Euro an. Jährlich werden ihnen rund 4000 Kubikmeter Schlamm zugeführt. Im bisherigen Betrieb seit 2006 sind etwa 40 000 Kubikmeter Schlamm in die Becken geflossen. Zum jetzigen Zeitpunkt beinhalten die Becken rund 10 000 Kubikmeter - seit 2006 hat somit ein Entwässerungsprozess von 30 000 Kubikmetern stattgefunden. Die vorhandene Kapazität ist bereits heute, nach 10 Jahren ausgeschöpft, für die Kosten der Entleerung fehlen also Rückstellungen von 15 Jahren. In Deutschland fallen jährlich etwa zwei Millionen Tonnen Klärschlammtrockensubstanz aus kommunalen Kläranlagen an. Die Substanz enthält eine ganze Reihe von Schadstoffen, die eine Entsorgung erschweren. nowExtra

Der Jahresabschluss der Verbandsgemeindewerke Gerolstein zeigt im Betriebszweig der Wasserversorgung einen Gewinn von 42 313,52 Euro. 2015 lieferten die Werke insgesamt 1 413 083 Kubikmeter Wasser an die Abnehmer. Das waren 32 772 Kubikmeter mehr als im Vorjahr (2014: 1 380 311). Der Jahresverlust im Bereich Abwasser ergibt sich aus der Neuberechnung der Rückstellungen für die Entleerung der Vererdungsbecken (siehe Bericht) und einem Schaden am Abwasserkanal Gerolstein - Lissingen, der im Zuge der Baumaßnahmen am Ufer der Kyll entstanden war. Dabei wurde der Kanal mit schwerem Baugerät überfahren und zerstört. Über die Übernahme der entstandenen Kosten wird vor Gericht noch verhandelt. Der bisher ausgewiesene Jahresverlust beträgt 341 684,90 Euro. now

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