Komplimente von Kanzlerin und Kronprinzessin

Gerolstein · Florian Müller aus Kalenborn hat das Wasser in der Kyll untersucht und ist zu überraschenden Ergebnissen gekommen. Damit hat er nicht nur beim Bundeswettbewerb von Jugend forscht glänzen können - seine Arbeit fand auch international Anerkennung.

 Besondere Begegnung mit der Prinzessin: In Stockholm steht Florian Müller Victoria von Schweden (links) Rede und Antwort. Foto: privat

Besondere Begegnung mit der Prinzessin: In Stockholm steht Florian Müller Victoria von Schweden (links) Rede und Antwort. Foto: privat

Gerolstein. Wenn Florian Müller über seine Leidenschaft spricht, fallen Worte wie Festphasenextraktion, Massenspektroskopie und Lorenzkraft. Der 20-Jährige aus Kalenborn hat beim Bundeswettbewerb von Jugend forscht den dritten Platz belegt. Er besuchte daraufhin Kongresse und Konferenzen, wurde sogar zu einem Empfang bei Kanzlerin Angela Merkel eingeladen. In Stockholm stand Müller Kronprinzessin Victoria von Schweden Rede und Antwort. "Sie war nett und fand mein Projekt sehr interessant."
Medikamente im Abwasser


Müllers Fachgebiet ist die Chemie. Sein Projekt: der Nachweis von Diclofenac im Wasser der Kyll. Diclofenac? Was ist denn das?
"Diclofenac ist der Wirkstoff in Arzneimitteln wie Voltaren", erklärt Müller. "Es kann bei rheumatischen Erkrankungen, Zerrungen oder auch einfachen Muskelschmerzen verwendet werden." Das Problem mit den Diclofenac-Cremes: "Der Wirkstoff wird über die Haut nicht gut aufgenommen. Ein großer Teil wird deshalb beim nächsten Duschen abgewaschen - und landet im Abwasser." Und so gelangt das Arzneimittel auch in die Kyll.
Für sein Chemieprojekt nahm Müller Wasserproben vor und hinter der Kyll-Kläranlage in Lissingen. Auch direkt am Ausfluss der Anlage nahm er eine Probe.
Mit einem aufwendigen chemischen Prozess versuchte er dann, das Diclofenac aus dem Kyllwasser zu isolieren und die Menge zu bestimmen.
"Das Verfahren, das ich genutzt habe, nennt sich Gaschromatografie mit angeschlossener Massenspektrometrie. Eine sehr leistungsfähige Methode, die in abgewandelter Form auch für Dopingproben angewandt wird", erklärt er. Mit dieser Technik könne er sogar ein Stück Würfelzucker im Bodensee nachweisen. Die Geräte in seiner Schule, dem St.-Matthias-Gymnasium in Gerolstein, hätten für so etwas ausgereicht.
"Das ist nicht mehr Schulchemie, wo alles rot und blau wird", sagt er lachend. "Man muss sich mit einem Blubbern zufriedengeben." Glücklicherweise konnte er für seine Untersuchung das moderne Labor des AWA-Instituts für Wasseranalysen in Pelm benutzen.
Im Kyllwasser vor der Kläranlage fand Müller 40 Nanogramm Diclofenac. In dem unterhalb des Werks 100 Nanogramm. Und direkt am Ausfluss konnte er sogar eine Konzentration von bis zu 3800 Nanogramm nachweisen.
Besonders Fische seien von hohen Konzentrationen des Medikaments betroffen. "Sie sind sehr empfindlich. Ihre Kiemen reagieren auf das Arzneimittel, die Zellstruktur verändert sich." Das Ergebnis sei überraschend - und nicht unbedenklich. Denn obwohl eine Menge von 100 Nanogramm für Menschen zunächst gering erscheint, könne es zu ungewollten Nebeneffekten kommen

Fische reagieren empfindlich


Niemand wisse genau, welche Substanzen neben dem Diclofenac in der Kyll schwimmen. Und unterschiedliche Stoffe könnten sich ergänzen und verstärken. "Das ist ein großes Problem - man kann nicht sagen, wie die Substanzen zusammenwirken", sagt Müller.
Deshalb hat er sich für die Kyll auch schon Möglichkeiten ausgedacht, wie man das Wasser in der Kläranlage reinigen könnte. "Man könnte das Wasser mit Membranen oder Aktivkohle filtern", erklärt er. Am günstigsten wäre aber die Bestrahlung mit UV-Licht. 90 Prozent aller Pharmaka würden dadurch im Wasser zerstört. Seine Vorschläge hat Müller auch der Verbandsgemeindeverwaltung unterbreitet. "Eine sehr gute Arbeit", sagt Wolfgang Bohr, der Leiter Gerolsteiner Verbandsgemeindewerke, zu denen auch die Kläranlage gehört. "Wir wissen durch Herrn Müller jetzt, dass wir diese Rückstände in der Kyll haben."
Die VG-Werke wollen die Messungen von Müller fortführen und untermauern. "Wir werden zum Beispiel das Abwasser aus dem Krankenhaus testen", erklärt Bohr. Und vielleicht könne man in der Zukunft sogar ein Pilotprojekt anstoßen, dass zum Ziel hat, die Substanzen aus dem Abwasser herauszubekommen.
Hocherfreute Kanzlerin


Im vergangenen Jahr hat Müller sein Abitur (Note: 1,0) gemacht. Seit Herbst studiert er an der renommierten rheinisch-westfälischen technischen Hochschule (RWTH) in Aachen. Allerdings nicht Chemie, sondern Physik. "Das ist die grundlegende Wissenschaft der unbelebten Natur. Man kann fast alles mit ihr beschreiben", schwärmt er.
Bei dem Empfang im Kanzleramt hat sich Müller übrigens darüber auch mit Angela Merkel unterhalten. "Sie war sehr erfreut, dass ich mich - wie sie - für die Physik entschieden habe."

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