Kreis nimmt Kelbergern ein Stück Mobilität

Weil er Geld sparen muss, hat sich der Landkreis Vulkaneifel dazu entschlossen, einen Anruf-Taxi-Dienst für die Verbandsgemeinde Kelberg nicht mehr zu finanzieren. Für gehbehinderte Menschen in der VG wird das zum Problem.

Kelberg/Daun. Wer in der Verbandsgemeinde Kelberg lebt und nicht Autofahren kann, ist auf den Bus angewiesen. Wer beispielsweise aus gesundheitlichen Gründen nicht den Bus nehmen kann, der kann bei Bungard in Uersfeld oder bei Friedrichs in Kelberg anrufen, um mit dem "Andi" zu fahren, einer Art Taxi zum Buspreis. Eine Fahrt von Kirsbach nach Kelberg kostet beispielsweise 2,40 Euro.
Ab Sonntag gilt das aber nicht mehr. Denn der Landkreis Vulkaneifel streicht den Anruf-Nahverkehrsdienst "Andi" für die Verbandsgemeinde Kelberg mit Beginn des neuen Jahres. Grund dafür sind die Bemühungen des Kreises, Geld zu sparen, um dem kommunalen Entschuldungsfonds des Landes Rheinland-Pfalz beitreten zu können. Konkret erhofft sich die Kreisverwaltung Einsparungen in Höhe von 20 000 Euro jährlich. Denn der Dienst, der im Jahr 2010 für Kelberg mehr als 30 000 Euro gekostet hat, wird mit Landesmitteln bezuschusst.
In einem Auszug aus der Kreistagssitzung vom 29. August heißt es, dass "ein Großteil der Kosten von einer kleinen Personengruppe verursacht wird".
Genannt werden eine Person mit Schwerbehinderung sowie deren Begleitperson. Weiterhin heißt es, dass die Fahrten von Andi teilweise billiger seien als die Fahrten mit normalen Bussen. So kostete eine Fahrt von Müllenbach nach Kelberg mit Andi 1,90 Euro, mit dem Bus hingegen 2,20 Euro.
Ein Taxi ist teuer


Für Christa Bungard ist diese Entscheidung des Landkreises nicht nachvollziehbar. Die Unternehmerin macht mit ihrem kleinen Fuhrpark vor allem Krankentransporte, doch bei "Andi" sei sie von Anfang an dabei gewesen, auch wenn es für die Uersfelderin nur nebenher lief. "Wir bringen unsere Kunden beispielsweise zum Friseur, zum Einkaufen oder auch mal zu einem anderen Termin nach Kelberg", sagt Christa Bungard. "Wenn wir das nicht mehr machen, wird es für einige der älteren Menschen schwer." Denn 90 Prozent der Menschen, die Andi nutzen, seien gehbehindert und nicht in der Lage, mit dem Bus zu fahren. Und von Uersfeld nach Kelberg mit dem Taxi fahren? Das würde mehr als 13 Euro kosten und ist somit für viele ältere Menschen nicht realisierbar.
Ähnlich beschreibt auch Stefan Friedrichs das Problem. Er hat ebenfalls Andi-Fahrten angeboten. 30 bis 40 Menschen haben nach seiner Auskunft mehr oder weniger regelmäßig den Fahrdienst genutzt. "Die Kunden sind verzweifelt. Einige haben sogar fast geweint." Die Leute seien durchaus bereit, etwas mehr für Andi zu zahlen.
Eine Kundin, die Andi regelmäßig nutzte, ist die Mutter von Anke Nold. Nold ist Ärztin in Mayen. Ihre Mutter, 86 Jahre alt, ist dement und in der Tagespflege im Kelberger Regina-Protmann-Stift. "Sie ist immer mit Andi von Köttelbach nach Kelberg gefahren", sagt Anke Nold, die selbst morgens schon um 7 Uhr aus dem Haus sein muss und aufgrund ihres Berufs keine Zeit hat, ihre Mutter nach Kelberg zu fahren. "Mit ihrem Rollator kann meine Mutter schlecht zum Seniorenwohnsitz laufen", sagt sie.
Nold hat sich deshalb mit einem Brief an den Landrat Heinz Onnertz gewandt, damit er seine Entscheidung, "Andi" zu streichen, noch einmal überdenkt. Sie hat auch eine Liste mit 70 Unterschriften eingereicht. Eine Antwort habe sie nicht bekommen.
Gillenfeld behält seinen Service


Einen ähnlichen Service hat der Kreis im Raum Gillenfeld eingerichtet. Hier funktioniert das System nicht wie ein Taxidienst, sondern wie ein Bus auf Abruf. Diesen Dienst wird der Kreis nicht streichen - eine Entscheidung, die der Kelberger Verbandsgemeindebürgermeister Karl Häfner (CDU) als "absolut willkürlich" bezeichnet. Er selbst sehe aber auch keine Möglichkeit, einen Ersatz zu schaffen, den die Verbandsgemeinde finanziert. Allerdings gebe es Überlegungen, beispielsweise für den Bereich der Tagespflege im Kelberger Regina-Protmann-Stift einen eigenen Fahrservice einzurichten.
"Alternativen zum Andi sind der öffentliche Personennahverkehr oder das Taxi", sagt Kreissprecherin Verena Bernardy. Stefan Friedrichs sieht das anders: "Die werden ihre Nachbarn um Hilfe bitten müssen." Ähnlich auch die Einschätzung von Christa Bungard: "Welcher Busfahrer trägt einer Gehbehinderten schon die Einkäufe ins Haus?"Meinung

Bitterer Einschnitt
Die Zahl der Menschen in der Vulkaneifel, die bei der Bewältigung ihres Alltags auf Hilfe angewiesen sind, wird in den kommenden Jahren nicht sinken. Bitter also, wenn der Kreis einen Anruf-Taxi-Dienst in der Verbandsgemeinde Kelberg nicht mehr anbietet. Einen Dienst, den Gehbehinderte genutzt haben, um zum Arzt zu kommen oder ihre Lebensmittel einzukaufen. Dass solch ein Service nicht billiger sein kann als ein normaler Linienbus, ist verständlich. Doch bevor man "Andi" in Kelberg ganz streicht, hätte man darüber nachdenken müssen, ob man nicht die Preise für die Fahrten anhebt, um die Kosten für die Verwaltung zu senken. Man hätte auch mit Geschäftsleuten und Dienstleistern über ein Sponsoring nachdenken können. Die profitieren schließlich davon, dass sie für die Menschen erreichbar bleiben. sl.gombert@volksfreund.de

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