Kreis türmt weiter Schulden auf

Daun/Gerolstein · Lachen und weinen zugleich: Der Kreis nimmt 2012 wegen der guten Konjunktur deutlich mehr ein als dieses Jahr. Im Etat klafft dennoch eine Lücke von 5,8 Millionen Euro (2011: 7,7 Millionen Euro).

Daun/Gerolstein. Die Kreisumlage, also das Geld, das der Kreis von den kreisangehörigen Gemeinden bekommt, war Gegenstand vieler Debatten in den vergangenen Jahren. Diesmal ist sie kein Grund für Zwist, sondern eher für Freude. Wenn auch der einzige des gesamten Kreisetats für kommendes Jahr. Sie bleibt unverändert bei 42,5 Prozent und beschert dem Kreis wegen der deutlich gestiegenen Steuerkraft der Kommunen durch die gute Konjunktur trotzdem ein sattes Plus von 3,5 Millionen Euro. Insgesamt liegen die Einnahmen aus der Umlage bei 23,5 Millionen Euro. Und trotzdem klafft im Etat für 2012 eine Lücke von 5,8 Millionen Euro.
Unterfinanzierung ist enorm


Das sorgt für Resignation. So sagt Landrat Heinz Onnertz (parteilos): "Wir haben noch in keinem Jahr so viel über Sparen gesprochen wie in diesem Jahr. Doch das, was wir einsparen können, ist verschwindend wenig. Denn die Anforderungen von Bund und Land werden ständig erhöht, insbesondere im Jugendbereich."
So machen die Aufwendungen der sozialen Sicherung die Hälfte des Gesamtetats aus, die Unterfinanzierung ist enorm: Beim Sozialamt liegt sie bei zehn Millionen Euro, beim Jugendamt bei 13 Millionen Euro. Vor allem den letztgenannten Bereich nennt Büroleiter Helmut Klassmann "besorgniserregend", da das Defizit seit 2007 von 7,5 Millionen Euro über 12 Millionen Euro (2011) auf 13,2 Millionen Euro im Jahr 2012 ansteigt. Helmut Klassmann sieht zwei Gründe: Zum einen den zusätzlichen Personalbedarf in den Kitas wegen der Betreuung der Kinder unter drei Jahren (plus 500 000 Euro).
Zum anderen steigenden Bedarf bei den Hilfen zur Erziehung (plus 452 000 Euro). Er sagt: "Wir haben einen deutlichen Anstieg der Fallzahlen bei der Heimerziehung von 46 auf 59. Zudem steigen die Pflegegeldsätze." Die Mär von der heilen Welt in der Eifel stimme längst nicht mehr. Klassmann sagt: "Wir haben kürzlich eine erfahrene Kollegin aus Köln bekommen, und sie meinte nur: Hier herrschen ja Verhältnisse wie in der Großstadt. Nur eben nicht im gleichen Umfang. Es gibt aber nichts, was es bei uns nicht auch gibt."
Die Liste reiche von Gewalt in Familien über Verwahrlosung bis hin zu vermüllten Wohnungen. Und da die "Bevölkerung sensibilisiert" sei, habe das Jugendamt auch immer genug zu tun.
Und es werden weitere Aufgaben draufgesattelt, ohne dass der Kreis entsprechenden finanziellen Ausgleich erhalte. Klassmann nennt zwei Beispiele: 2012 werde das Vormundschaftswesen neu geregelt, so dass künftig jeder Vormund sein Mündel mindestens einmal pro Monat persönlich besuchen müsse. Klassmann: "Da ja nicht alle im Kreis wohnen und so längere Fahrten nötig sind, haben das früher immer auch mal Kollegen übernommen, die ohnehin in der Familie oder der Nähe waren. Das geht künftig nicht mehr, so dass wir alleine dafür im nächsten Jahr 1,5 Stellen mehr brauchen. Kostenpunkt: deutlich über 100 000 Euro im Jahr."
Zweites Beispiel: Veterinärwesen. Künftig muss der Kreis im Auftrag des Bundes den Bestand der frei verkäuflichen Arzneimittel auf den Höfen kontrollieren. Begründung laut Klassmann: "Wir sind ja sowieso vor Ort."
Bei einer anderen Sache zeige sich die übergeordnete Ebene dafür weniger großzügig: Ab 2012 zieht das Land die Bußgeldstelle für den fließenden Verkehr an sich. Der Kreis verliert dadurch jährlich 200 000 Euro.
Die Schulden des Landkreises Vulkaneifel steigen zum Ende nächsten Jahres auf 86 Millionen Euro an. Davon machen die Investitionskredite mit 28 Millionen Euro, für die ja ein Gegenwert geschaffen wird, den geringeren Part aus.
Klassmann sagt: "Das Verderbliche sind die Kassenkredite, die man mit der Kontoüberziehung bei einem Privatmann vergleichen kann. Sie steigen permanent."

Entschuldung reicht nicht aus


Und liegen Ende 2012 bei 58 Millionen Euro - trotz Teilnahme am Entschuldungsfonds und einer diesbezüglichen Landeszuweisung von 1,6 Millionen Euro im nächsten Jahr.
Zum Stichtag 2009 lag der Schuldenstand bei den Kassenkrediten bei 45 Millionen Euro. 30 Millionen Euro sollen während der Laufzeit des Fonds (15 Jahre) getilgt werden. Davon übernimmt das Land 20 Millionen Euro, dem Kreis bleiben zehn Millionen Euro, die er durch Einsparungen oder Mehreinnahmen abbauen muss.Meinung

Es hilft nur ein klarer Schnitt
Es ist so deutlich wie selten: Die Wirtschaft brummt, die Kommunen nehmen deutlich mehr Gewerbesteuern ein oder geben davon einen Großteil an den Kreis weiter. Und trotzdem bleibt die Finanzdecke für diesen viel zu kurz. Es ist utopisch, darauf zu hoffen, dass die Einnahmen irgendwann einmal so steigen werden, dass das Geld reicht, damit der Kreis seine Aufgaben erledigen kann, ohne weitere Schulden zu machen. Natürlich muss eine Neuregelung der Finanzausstattung der Kommunen her. Aber dadurch werden die Probleme auch nicht an der Wurzel gepackt. Das Einzige, was hilft, ist ein klarer Schnitt. Die laufende Kommunalreform ist keiner. Die komplette Auflösung von Verbandsgemeinden wäre einer, die des Kreises ein anderer. Weniger Menschen, weniger Verwaltung, geringere Ansprüche. So könnte es was mit dem dauerhaften Schuldenabbau werden. m.huebner@volksfreund.deExtra

2012 investiert der Landkreis Vulkaneifel 4,1 Millionen Euro. Die wichtigsten Projekte: Den größten Posten macht mit drei Millionen Euro der Kreisstraßenbau aus. Nach Abzug der Zuschüsse vom Land und den beteiligten Gemeinden bleibt ein Kreisnettoanteil von 770 000 Euro übrig. Geplant sind der Ausbau der Brücke in Weidenbach (K 5), der Strecke von Ober- nach Niederwinkel (K 14), der Ortsdurchfahrt Niederwinkel (K 14), der Ortsdurchfahrt Gees (K 33), der Ortsdurchfahrt Kirchweiler (K 36), der Ortsdurchfahrt Niederehe (K 59), der Straße bei Oos (K 84) und des Kreuzungsbereichs bei Nollenbach (K 69). Für die kreiseigenen Schulen sind Investitionen von 390 000 Euro geplant. Unter anderem werden am Thomas-Morus-Gymnasium in Daun die Lehrertoiletten und ein Behinderten-WC neu gebaut. Kostenpunkt: 95 000 Euro. Am St. Matthias-Gymnasium in Gerolstein wird für 63 000 Euro ein Physik- und Biologieraum eingerichtet. Für weitere 200 000 Euro werden Computer, Tafeln, Büromöbel etc. angeschafft. Darüber hinaus stehen Unterhaltungsmaßnahmen an den Schulen für weitere 834 000 Euro an. Darunter fällt auch der Umbau des ehemaligen Internatstrakts am Thomas-Morus-Gymnasium zu einem Gebäude für die Schulverwaltung für 350 000 Euro. Für 125 000 Euro wird die Straße zum Jobcenter komplett erneuert. Für den Zivil- und Katastrophenschutz wird ein Gerätewagen für den Sanitätsdienst für 150 000 Euro gekauft. Das Land beteiligt sich mit 60 000 Euro. Die Feuerwehr Daun erhält für ihre neue Drehleiter einen Kreiszuschuss von 144 000 Euro. Für 100 000 Euro wird die EDV-Ausstattung der Kreisverwaltung erneuert. mhExtra

Landrat Heinz Onnertz: "Bei uns leben 522 Leute weniger als noch im Jahr zuvor. Das ist eine Entwicklung, die seit Jahren gleich ist. Das heißt zum einen, dass wir mehr zusammenstehen müssen. Zum anderen sollten wir für weniger Menschen auch weniger Verwaltung machen. Das Beste wäre, den Landkreis aufzulösen." Peter Lepper (BUV) regt wegen der unzureichenden Finanzausstattung der Kommunen an: "Lasst uns doch mal klagen!" Zudem meint er: "Wenn wir einen Haushalt wie diesen anschauen, frage ich mich: Was nützt eigentlich der Kommunale Entschuldungsfonds?" Und weiter: "Wir sind nicht besser als Griechenland." Auch Gordon Schnieder (CDU) meint: "Der Kommunale Entschuldungsfonds ist eine Mogelpackung." Er sagt zudem: "Mir wird schwindelig, wenn ich auf den Haushalt schaue. 5,8 Millionen Euro Defizit, das ist mehr als erschreckend." Wolfgang Jenssen (SPD) sagt: "Wie lange es wohl noch dauert, bis wir gar kein Geld mehr kriegen? Vielleicht noch ein bis zwei Jahre." Alfred Lorenz (FWG) stellt nüchtern fest: "Wir gehen vor die Hunde!" slg

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