Kurze Beine, kurze Wege

Daun/Gerolstein/Wallenborn · Die Kinder werden immer weniger, die Klassen immer kleiner - und trotzdem soll keine Grundschule im Vulkaneifelkreis geschlossen werden. Stattdessen setzen die Schulleiter auf neue Konzepte: So werden beispielsweise mehrere Jahrgänge in einer Klasse unterrichtet.

Daun/Gerolstein/Wallenborn. Die 17 Kinder der Kombiklasse eins und zwei der Grundschule Wallenborn sitzen im Quadrat an ihren Tischen. Links sitzen die Zweitklässler, an den beiden Bänken rechts die Erstklässler. Gleich steht Mathe auf dem Programm - obwohl die Kinder eigentlich lieber Sport machen würden. Wirklich laut geht es trotzdem nicht zu. Lehrerin Anna Becker, die die Klasse erst im Februar übernommen hat, hat den Laden im Griff.
"Im Prinzip unterrichten wir beide Altersstufen gemeinsam", sagt die 28-Jährige aus Hillesheim. "Nur bei Mathe und Deutsch gibt es manchmal eine separate Lerngruppe für die Erstklässler."
Zwei Lehrer gleichzeitig


Die Kombiklasse ist eine der Möglichkeiten für kleine Schulen, den Lernbetrieb effektiv zu gestalten und aufrechtzuerhalten. Zwei verschiedene Stufen werden darin gemeinsam unterrichtet, meist von zwei Lehrern gleichzeitig. Zusätzlich gibt es an einigen Schulen - so auch in Wallenborn - spezielle Förderlehrer.
Das Modell hat Vorteile: "Die Kleinen lernen von den Großen", sagt Lehrerin Becker. Zudem würden soziale Kompetenzen gefördert.
Manche Eltern fürchten allerdings, dass ihre Kinder von den Jüngeren gebremst werden - oder von den Älteren gegängelt. Auch in Wallenborn mussten die Eltern am Anfang überzeugt werden, erinnert sich Schulleiter Manfred Gorges. Viele hätten Bedenken geäußert, dass die Kinder nicht so viel lernen wie in einer normalen Klasse. "Dabei gibt es auch in herkömmlichen Klassen Unterschiede in der Entwicklung von bis zu drei Jahren."
Und wie gefällt der Kombiunterricht den Kindern? "Sehr gut", rufen die 14 Zweitklässler fast im Chor. Die drei Erstklässler schauen ob der Übermacht nicht so begeistert drein. Dafür werden sie aber gleich in der Lernecke von einer Lehrerin separat unterrichtet. Heute sind die Zahlen von eins bis 20 dran. Gleichzeitig machen die Zweitklässler sich dann schon an das Einmaleins.
Auch die dritte und vierte Klasse der Grundschule Wallenborn ist zusammengefasst. 25 Kinder werden hier unterrichtet. Das Konzept kann auch auf die Spitze getrieben werden: Im Landkreis Cochem-Zell gibt es Schulen, die vier Schuljahre in einer Klasse zusammenfassen.
Gebäude wird renoviert


Die Klassen der Wallenborner Grundschule sind noch in der ehemaligen Grund- und Hauptschule in Niederstadtfeld untergebracht. Am eigentlichen Schulstandort wird noch bis August umgebaut. Insgesamt 460 000 Euro kostet die Modernisierung der Schule, die für die Hinterbüschgemeinden zuständig ist. Lohnt sich diese Investition überhaupt noch? Nur drei Erstklässler wurden im vergangenen Jahr in Wallenborn eingeschult. Dieses Jahr - so die vorläufigen Zahlen der Aufsichts- und Dienstleistungsdirektion (ADD) in Trier - sind es immerhin acht.
"Diese Schülerzahlen liegen in der Tat unterhalb der Klassenmesszahl", erklärt Manfred Hein von der Verwaltung der VGDaun. Dennoch habe sich die Verwaltung bewusst für den Erhalt entschieden. "Die Schule dient der Sicherung der Infrastruktur", sagt Hein. Sie sei eine Maßnahme, um den Auswirkungen des demografischen Wandels entgegenzutreten.
Dem stimmt Schulleiter Gorges zu: "Die Dörfer, die weiter von Daun entfernt sind, haben Probleme mit dem Rückgang der Bevölkerung." Wenn man den Orten dann auch noch die Grundschule wegnähme, würde sich der Effekt zusätzlich verstärken. "Eine Grundschule ist ein wichtiger Grund für Familien, sich niederzulassen", sagt Gorges.


Auch in der VG Obere Kyll macht sich der demografische Wandel bemerkbar. "Vor allem die Grundschulen in Jünkerath und Stadtkyll kratzen derzeit an der Zweizügigkeit, also der Einschulung von zwei Klassen der gleichen Stufe gleichzeitig", erklärt Arno Fasen, Büroleiter bei der VG-Verwaltung. Fasen geht davon aus, dass es in allen drei Grundschulen in der VG zukünftig nur noch eine Klassenstufe geben wird - Kombiklassen seien an der Oberen Kyll bis jetzt aber noch nicht in Sicht.

Obwohl die Grundschule Neroth mit sieben Grundschülern bis jetzt die wenigsten Anmeldungen im Kreis hat, soll auch in der VGGerolstein keine Schule geschlossen werden. "Es macht Sinn, auch kleine Schulen so lange wie möglich vor Ort zu halten", sagt Hans-Josef Hunz von der Gerolsteiner VG-Verwaltung. Der Unterricht in Kombiklassen habe sich bewährt; zudem sei in kleineren Klassen eine individuelle Förderung möglich.

Auch in der VG Kelberg bleiben alle Schulen erhalten. Trotz des demografischen Wandels sind die Anmeldezahlen dort relativ stabil, sagt Peter Seifert, Leiter der Schulabteilung. "Maßnahmen wegen geringerer Anmeldezahlen waren bisher nicht erforderlich."

In der VG Hillesheim gibt es zwei Schulstandorte: in Hillesheim und Üxheim. Und auch diese beiden werden bestehen bleiben. "Die Standorte sind erforderlich, damit die Schüler nicht länger als 30 Minuten vom Heimatort zur Schule brauchen", erklärt Günther Linnertz von der VG-Verwaltung. Aus diesem Grund würde auch die Zusammenlegung der beiden Schulen scheitern. "Hinzu kommt, dass das Thema Inklusion in den Schulen künftig zu mehr Raumbedarf führen wird."
Linnertz macht aber darauf aufmerksam, dass die Schulplanung auch von Entscheidungen der ADD in Trier abhängig ist.
Die will den Trägern bei ihrer Planung aber gar nicht so viel hereinreden. "Die ADD wird von sich aus nicht an die Schulträger wegen der Schließung von Grundschulen herantreten", sagt Referatsleiter Bernhard Herbrand. Das sei politisch so nicht gewollt. Natürlich seien kleine Schulen teurer als größere. "Nach wie vor gilt aber die Marschrichtung: Kurze Beine, kurze Wege" sagt Herbrand. Erst wenn die Landesregierung von diesem Grundsatz abrücken würde, könnte die ADD tätig werden.Meinung

Grundschulen sind Grundversorgung
In der Fläche verteilte Grundschulen erscheinen zunächst wie dekadenter Luxus - umso mehr, wo mancherorts nicht einmal ganze Klassen zustande kommen. Trotzdem spricht einiges dafür, die vorhandenen Strukturen nicht einzureißen, was wahrscheinlich endgültig wäre. Den ja doch noch vorhandenen Kindern sind anstrengende Fahrten in weit entfernte Schulzentren nicht so ohne weiteres zumutbar. Das wissen auch junge Familien, die heute umso genauer prüfen, wo sie sich überhaupt niederlassen. So sind neben den Kitas die Grundschulen unerlässliche Standortfaktoren für jede Gemeinde, die nicht ihrer Überalterung entgegenschrumpfen will. f.goebel@volksfreund.de Eine Schwalbe macht noch keinen Sommer, und eine Grundschule fast ohne Schüler schützt kein Dorf vor den Folgen des demografischen Wandels. So verständlich der Kampf um jede Einrichtung ist, so hoffnungslos ist er auch. Erschreckend am Umgang des Landes mit schrumpfenden Zwergschulen ist, dass der Slogan "Kurze Beine, kurze Wege" kein Konzept ist. Er ist nur eine Umschreibung für Durchgewurschtele, bis es irgendwo gar keine Schüler mehr gibt. Besser wäre ein mittelfristiger Plan, der absehbare Schließungen terminiert und eine Stärkung bestimmter Standorte frühzeitig ins Auge fasst. Das würde Planungssicherheit und eine tragfähige Grundschullandschaft schaffen. l.ross@volksfreund.de

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