Liebeslyrik mit giftigen Zutaten

Literatur in der Galerie: Die Autorin und Journalistin Jutta van Hasselt aus Wetzlar hielt unter dem Titel "Aus großen Schmerzen kleine Lieder" einen bemerkenswerten Vortrag über "den entlaufenen Romantiker" Heinrich Heine (1797-1856). Gastgeberin war Marita May, Veranstalter war die Friedrich-Naumann-Stiftung.

 Die Autorin und Journalistin Jutta van Haselt beschrieb den Dichter Heine. TV-Foto: Brigitte Bettscheider

Die Autorin und Journalistin Jutta van Haselt beschrieb den Dichter Heine. TV-Foto: Brigitte Bettscheider

Daun-Pützborn. (bb) "Müde Beine, viele Steine, Aussicht keine, Heinrich Heine": Was man heute für eine coole SMS halten mag, schrieb der Dichter als Student 1824 in das Gipfelbuch des Bocken, den er an einem nebligen Tag bestiegen hatte. "Ich weiß nicht, was soll es bedeuten": Wovon der Rheintourismus bis heute profitiert, steht in Heines (Kult-) "Buch der Lieder"; er verfasste "Die Loreley" 1823, beim Übergang von der Romantik in die Moderne. Liebeslyrik mit giftigen Zutaten

Er sei ein religiöser Zweifler mit urchristlicher Botschaft gewesen. Er habe spielerische Plaudereien mit politischer Sprengkraft und Liebeslyrik mit giftigen Zutaten versehen. Er habe typisch romantische Stimmung erzeugt, um sie dann schlagartig und komisch zu zerstören. Er sei ein "entlaufener Romantiker". Vielleicht sei er seiner Zeit zu weit voraus gewesen.Was die Zuhörerin Sabine Gabriel im Gespräch mit dem Trierischen Volksfreund am Ende als "großartigen, engagierten, fundierten Vortrag in dem schönen Rahmen der Galerie" bezeichnen wird, was Gerd Hommelsen "eine wunderbare Zeitreise" nennen wird, wovon Walter Manderscheid schließlich den sehr differenzierten Blick der Referentin auf die Bewertung Heines in rund zwei Jahrhunderten besonders loben wird, hatte die aus Heines Geburtsstadt Düsseldorf stammende Jutta van Hasselt mit einer persönlichen Erinnerung an das Heinrich-Heine-Haus eröffnet: "Wir kauften dort Kuchen." In dem Geburtshaus befanden sich (in dieser Reihenfolge) eine Bäckerei, eine Gaststätte, ein Modegeschäft. "Erst seit 1981 gibt es in Düsseldorf ein Heine-Denkmal, erst seit 1988 trägt die Universität seinen Namen," berichtete sie über den jüdisch-stämmigen Dichter, dessen Bücher die Nazis verbrannt und dessen Namensschild sie von seinem Geburtshaus abmontiert hatten. Im Exil in Paris sei Heine von den Franzosen geschätzt und geliebt gewesen wie kein anderer Deutscher. Er sei - so zitierte die Referentin den Literaturkritiker Marcel Reich-Ranicki - der bedeutendste Journalist unter den Dichtern und der größte Dichter unter den Journalisten gewesen. Jutta van Hasselt erinnerte an die Sehnsucht des Emigranten nach seiner Heimat, sprach über "Deutschland, ein Wintermärchen" und die letzten acht Jahre seines Lebens, die er schwer krank in der "Matratzengruft" verbracht habe. Sie schloss mit seinem augenzwinkernden Rat für die Grabbesuche seiner Witwe.Mit dem Heinrich-Heine-Abend setzte die Galeristin Marita May die vor Jahren begonnene Tradition fort, Literatur in dem ehemaligen Pützborner Schulhaus zu präsentieren. "Ich bin froh, dass die Friedrich-Naumann-Stifung mich darin unterstützt, dass solche Veranstaltungen auch fernab großer Städte angeboten werden," hatte sie vor den rund 50 Besuchern in ihrer Ansprache zur Begrüßung erklärt.

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