Literaturkritiker Hubert Winkels referiert beim Literaturcafé des Kulturkreises vor 100 Bücherfreunden

Daun · Der bekannte Literaturkritiker Hubert Winkels hat nach seinem ersten Gastspiel im vorigen Jahr erneut das "Literaturcafé" des Kulturkreises Daun im Forum bestritten. Um die 100 Bücherfreunde folgten seiner gleichermaßen informativen wie unterhaltsamen Vorstellung und kritischen Einordnung von Neuerscheinungen.

Daun. "Leider nicht", erklärt Hubert Winkels zu Beginn mit Blick auf die landläufige Meinung, dass Literaturkritiker lesend zu Hause sitzen. "Wir haben ein unruhiges Leben", sagt der 60-Jährige und erzählt von einer Preisverleihung in Braunschweig am Vortag und dem Beginn seines Terminreigens auf der österreichischen Buchmesse in Wien am nächsten Tag. Doch nimmt er sich wieder die Zeit für den Bücherherbst in Daun, wie der Kulturkreis-Vorsitzende Roy Coppack anerkennend bemerkt. Hubert Winkels' aus Daun stammender Kollege und langjähriger Literaturcafé-Referent Christoph Schmitz hatte den Kontakt geknüpft.

Elf Neuerscheinungen stehen auf der Empfehlungsliste (siehe Extra) des Autors, Kritikers, Jurors und Literaturpreisträgers Hubert Winkels, der in Düsseldorf lebt und in Köln arbeitet. "Was die Bücher zusammenhält, ist das Fremde, das in das normale Leben einbricht", erklärt er. Und widmet einer Handvoll Titel seine Hauptaufmerksamkeit. "So etwas hat es in der deutschen Literatur bisher noch nicht gegeben", meint Winkels zur Sprache in Heinz Strunks Buch "Der Goldene Handschuh". Da zucke jeder Leser zurück, wie Strunk sich in das extreme Milieu der Gaststätte auf der Hamburger Reeperbahn und in den Serienmörder Fritz "Fiete" Honka hineindenken könne. "Doch lässt Strunk den Verlorensten der Verlorenen durchaus ihre Würde", urteilt Winkels.
Nicht was der aktuelle Träger des Deutschen Buchpreises, Bodo Kirchhof, in seiner Novelle "Widerfahrnis" erzähle, sei hoch zu schätzen, sondern wie er erzähle: Damit distanziert Hubert Winkels sich von den Kollegen, die die Handlung der Liebes- und Flüchtlingsgeschichte in den Mittelpunkt rücken. "Die Machart ist tatsächlich ausgezeichnet", betont er. "Die Klischees sind die Schwächen des Buchs", räumt er ein.

"Daldossi oder Das Leben des Augenblicks" ist der Titel des neuen Buchs von Sabine Gruber. Es beginne mit zwei Paukenschlägen, seine Kapitel setzten mit der Beschreibung eines Bildes ein, das ein von seiner Tätigkeit zu Tode erschöpfter Kriegsfotograf aufgenommen habe, erklärt Winkels zur Struktur des Werks. Er bemerkt noch zu dem sehr konzentrierten Roman "Das Mädchen mit dem Fingerhut" von Michael Köhlmeier: "ein kleines Wunder von 160 Seiten". Und nennt Kathrin Schmidts Buch "Kapoks Schwestern" eine "DDR-basierte, große deutsche Familiengeschichte". bbExtra

Neben den im Bericht genannten Neuerscheinungen empfiehlt Hubert Winkels folgende Titel: Anna Katharina Hahn, Das Kleid meiner Mutter; Sibylle Lewitscharoff, Das Pfingstwunder; Thomas Melle, Die Welt im Rücken; Sylvie Schenk, Schnell, dein Leben; Juli Zeh, Unterleuten; Matthias Zschokke, Die Wolken waren groß und weiß und zogen da oben hin. bb

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