Neue Ideen für alte Menschen

Gerolstein/Daun · Wie kann man im Alter auf dem Land gut wohnen? Malu Dreyer, Sozialministerin und zukünftige Ministerpräsidentin von Rheinland-Pfalz, sieht die Zukunft vor allem in neuen Wohnformen und generationenübergreifenden Projekten. Im Landkreis Vulkaneifel gibt es bisher keine.

Gerolstein/Daun. "Mit welchen bestehenden Angeboten für Seniorinnen und Senioren in unserer Region sind Sie zufrieden?" steht auf grünen Karten, die auf den Stühlen im Gerolsteiner Lokschuppen liegen. Die Besucher sollen ihre Antworten eintragen und die Zettel abgeben. "Welche Angebote? Ich kenne keine", grummelt ein Mann in der dritten Reihe. Die Frau neben ihm legt die Zettel auf den Boden.
130 Menschen sind an diesem Abend in den Gerolsteiner Lokschuppen gekommen, unter anderem, um sich den Vortrag ihrer künftigen Ministerpräsidentin anzuhören. Eingeladen haben die SPD-Kreistagsfraktion und die Landtagsabgeordnete Astrid Schmitt. Es geht um das Thema "Gut Leben im Alter - Gutes Wohnen im Alter". Schnell wird klar: Im Landkreis Vulkaneifel ist in diesem Bereich bisher wenig passiert.
Als die designierte Ministerpräsidentin den Raum betritt, klatschen die Besucher. "Wir werden immer weniger", beginnt Malu Dreyer ihren Vortrag. Nur drei Städte in Rheinland-Pfalz wachsen: Trier, Mainz und Landau in der Pfalz. Alle anderen Orte schrumpfen. Das gilt besonders für ländlich geprägte Regionen wie die Vulkaneifel (siehe Extra): Häuser stehen leer, junge Menschen ziehen weg, Dörfer sterben aus. "Gleichzeitig wollen die meisten älteren Menschen in ihrem Dorf bleiben", sagt Malu Dreyer.
Eine mögliche Lösung für dieses Problem: Gemeinschaftliche Wohnprojekte, bei denen ältere und jüngere Menschen unter einem Dach oder in unmittelbarer Nachbarschaft gemeinsam leben. Davon gibt es schon einige in Rheinland-Pfalz, beispielsweise in Trier oder Mainz, auch in Wittlich entsteht gerade das Generationendorf St. Paul.
Nur ein Projekt in Planung


Bei der Diskussionsrunde im Anschluss an den Vortrag der Sozialministerin wird deutlich: Der Landkreis Vulkaneifel hinkt bei Ideen für neue Wohnformen für Senioren hinterher. Nur ein Projekt ist derzeit in Planung. In Daun-Steinborn soll eine Siedlung mit Seniorenwohnungen entstehen. "Es soll eine Bungalowgemeinde mit modernen, barrierefreien Wohnungen werden", erklärt Hans Peter Bell, der das Projekt plant.
Dass vons0eiten der Städte und Gemeinden nicht weitere Vorhaben dieser Art realisiert werden, liegt vor allem daran, dass dafür zunächst einmal Geld in die Hand genommen werden muss. Und das ist nicht nur bei der Landesregierung, sondern auch bei den Gemeinden knapp.
Seniorenwohnungen zu teuer


Doch Geld ist nicht nur ein großes Problem vor der Realisierung von Wohnprojekten, sondern auch für die potenziellen Bewohner. "Bisher sind viele Wohnprojekte leider ziemlich teuer", sagt Malu Dreyer, "und das ist gerade hier in der Eifel, wo viele Leute eine geringe Rente haben, schwierig". Ein Ziel für die Region müsse deshalb sein, bezahlbaren Wohnraum für Ältere zu schaffen. Das sieht auch Landrat Heinz Onnertz so. "Kommen Sie zu uns in die Kreisverwaltung, wenn Sie ein Wohnprojekt planen möchten, wir unterstützen Sie, wo wir können", appelliert er an die Besucher. Auch Malu Dreyer sagt: "Es würde mich freuen, wenn Sie sich anstecken ließen, in diesem Bereich aktiv zu werden".Meinung

Eigeninitiative gefragt
Malu Dreyer drückt es treffend aus: Jetzt müssen sich die Bürger anstecken lassen. Und das gleich in mehrerlei Hinsicht: Die Menschen im Kreis müssen sich überlegen, wie sie selbst im Alter leben wollen - und das nicht erst, wenn die Frage unausweichlich ist. Und sie müssen sich überlegen, was sie für ihr Dorf und füreinander tun wollen - und das nicht erst, wenn das soziale Leben im Dorf zum Erliegen gekommen ist. Warum nicht mit vereinten Kräften einen alten Hof im Dorfkern zu einem barrierefreien Wohnhof umbauen? Warum nicht ein Dorfcafé organisieren, in dem Senioren mit Kindergartenkindern Mensch-ärgere-dich-nicht spielen? Auch wenn es Arbeit macht, vor der wir alle uns gerne drücken wollen: Wir werden nicht umhinkommen, uns um die Art, wie wir leben wollen, selbst zu kümmern. Zuschüsse vom Land und der Gemeinde können Anreize sein - handeln aber müssen wir selbst. Und das bald. m.meissner@volksfreund.deExtra

Die meisten Menschen haben im Jahr 2001 im Landkreis Vulkaneifel gelebt - insgesamt 64 464. Seitdem sinkt diese Zahl kontinuierlich - zuletzt um ein Prozent zwischen den Jahren 2010 und 2011. Am 31. Dezember 2011 lebten nach Angaben des Statistischen Landesamtes nur noch 60 648 Menschen im Kreis. Die Bevölkerungsentwicklung ist schwer vorherzusagen, da sie von vielen Faktoren abhängt. Statistiker des Landesamtes gehen davon aus, dass im Jahr 2050 noch 47 000 bis 54 000 Menschen im Vulkaneifelkreis leben werden. Jahrzehntelang gab es eine gegenläufige Entwicklung: Zwischen den Jahren 1963 und 2001 stieg die Bevölkerungszahl um 10 000 Menschen. Außerdem werden die Menschen, die in der Region leben, immer älter: Lag der Anteil der über 65-Jährigen im Vulkaneifelkreis 2002 noch bei 20,1 Prozent, lag er 2011 schon bei 22,9 Prozent. Gleichzeitig sank der Anteil der unter 20-Jährigen von 23,3 Prozent (2002) auf 19,5 Prozent (2011). mem

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