Neues Integrations-Modell stößt auf Vorbehalte

Der gemeinsame Unterricht von Kindern mit und ohne Lernbehinderung in Gerolstein und Daun wird neu geregelt. Dagegen regt sich Protest.

Daun/Gerolstein. Eltern von Gerolsteiner Grundschulkindern sind besorgt. Bisher wurden alle Kinder - ob mit oder ohne Förderbedarf - im Rahmen des Daun-Worms-Modells (Extra) in einer Klasse unterrichtet. Dabei unterstützt ein Sonderpädagoge zeitweise den Klassenlehrer im Unterricht der Schüler, die teilweise aufgrund körperlicher oder geistiger Beeinträchtigungen erhöhten Förderbedarf haben.

Mit dieser Praxis soll nun Schluss sein. Zukünftig soll der gemeinsame Unterricht anders verlaufen. Die Grundschule (GS) soll eine Schwerpunktschule (SPS) werden, also mehr Förderschüler aufnehmen. Petra Assion, Elternsprecherin der Grundschule Gerolstein, ist alarmiert, da es in der Schule bereits heute zu wenig Förderstunden gibt. "Wir befürchten, dass alle Kinder - egal, ob beeinträchtigt oder nicht - in der neuen Schulform schlechter wegkommen." Schlechter deshalb, weil bei Schwerpunktschulen ein höherer Bedarf an Unterricht durch Sonderpädagogen besteht. Es gibt jedoch bereits heute bei den Förderstunden eine Unterversorgung.

Das bestätigt Schulleiter Stefan Gerber: "In den vergangenen zwei Jahren haben wir nur zwölf der 39 Wochen-Förderstunden durch Sonderpädagogen abdecken können." Und das, obwohl nach Auskunft Assions von Schulaufsicht Abhilfe versprochen worden sei.

Auch die Lehrer sind besorgt, sagt Schulleiter Gerber. Das Kollegium befürchte, dass bei knappen Förderstunden im Resultat "die ganze Klasse darunter leiden wird". Im April 2009 hatte die Grundschule Gerolstein (340 Schüler) erfahren, dass sie ab Sommer 2010 SPS wird. Die ersten Fortbildungen werden erst im Juni 2010 angeboten.

Auch die Grundschule Daun (260 Schüler) soll SPS werden. Schulleiter Harald Thome: "Das Kollegium ist abwartend." Ebenso wie die Gerolsteiner Kollegen wird das Dauner Lehrerteam bereits bestehende SPS (Prüm, Kaisersesch, Wittlich) besuchen.

In der Vulkaneifel herrscht Unverständnis über die Einrichtung der zwei Schwerpunktschulen, denn in Daun und in Gerolstein gibt es anders als in anderen Landkreisen Förderzentren. Beate Neugebauer-Kraft, Leiterin des Gerolsteiner Förderzentrums, sagt: "Die Schwerpunktschulen ist für mich ein Schnellschuss. Ich befürchte, dass eine politische Idee verfolgt wird, wobei Kinder Mittel zum Zweck sind." Ihr Dauner Kollege Hans-Peter Schneider sagt: "Ich wehre mich gegen Integration um jeden Preis. Das Wohl der Kinder muss im Vordergrund stehen."

Auch die Gewerkschaft Erziehung/Wissenschaft (GEW) reagiert.

Marianne Rösner, GEW-Sprecherin in der Vulkaneifel, resümiert: "Der theoretisch gute Ansatz wird in der Praxis an viel zu vielen Schulen nicht erreicht." Wolf-Jürgen Karl, Sprecher des rheinland-pfälzischen Bildungsministeriums, sagt: "Erst im März werden die neuen Schwerpunktschulen veröffentlicht. Das Schwerpunktschulen-Netz wird aber deutlich ausgebaut."

Extra In Schwerpunktschulen werden förderbedürftige Kinder (Förderkinder) und Kinder ohne Beeinträchtigung (Regelkinder) in einer Klasse unterrichtet. Rheinland-Pfalz hat 2000 das Konzept der Schwerpunktschulen (SPS) beschlossen und ab dem Schuljahr 2001/02 mit der Umsetzung begonnen. Mittlerweile gibt es 172 SPS (davon 96 Grundschulen) im Land. 29 SPS sind es bisher in der Region Trier (17 Grund-, 7 Haupt- und 5 Realschulen), davon liegt keine SPS in der Vulkaneifel. Im Landkreis Vulkaneifel gibt es seit dem Schuljahr 1991/92 eine Sondersituation. Neben der Stadt Worms wurde der Vulkaneifelkreis vor fast 20 Jahren zur Modellschulkommune, dem Daun-Worms-Modell. Dabei wurde vor allem an Grundschulen integrierter Unterricht für beeinträchtigte Kinder bis zur Förderstufe III eingerichtet. Je nach Anzahl der Förderschüler (maximal drei je Klasse) und des Fördergrads wurden Stunden festgelegt, die ein Sonderschulpädagoge in der Klasse gemeinsam mit dem Klassenlehrer unterrichtet. Mit Einrichtung der SPS wird das Daun-Worms-Modell aufgehoben. (vog)

Meinung :Mit der Brechstange

Der Unterricht von Kindern ist kein Thema, um mit der Brechstange Systemveränderungen durchzusetzen. Das scheint das Ministerium jedoch zu planen. Kommen die Schwerpunktschulen, gehen Schüler mit sonderpädagogischem Förderbedarf ins Förderzentrum oder in die Schwerpunktschule. Je nach Entscheidung der Schulaufsicht. Dieses Herumdoktern am Fördersystem sollte unterbleiben. Stattdessen sollte das Ministerium dafür sorgen, dass genügend Sonderpädagogen da sind, um die Mindestsandards zu erfüllen. Das ist derzeit nicht der Fall. h.jansen@volksfreund.de

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