Nilpferd in Burgunder

GEROLSTEIN. Man kennt sie aus dem Fernsehen urkomisch an der Seite von Loriot und resolut im Kriminalkommissariat. Wie Evelyn Hamann unnachahmlich die Frauenfiguren von Kurt Tucholsky und Wilhelm Busch gibt, erlebte, wer sie beim Gastspiel im Rondell sah.

Sie kommt auf die Bühne und lächelt und sagt: "Guten Abend." Und dann möchte man sie (außer in der Pause) zwei Stunden nicht aus den Augen lassen. Nicht, als sie die Liebesbriefe liest, die Loriot und Karl Valentin aus der Sicht von Frauen schrieben; nicht, als sie die satirisch-kabarettistischen Szenen von Kurt Tucholsky spielt; und nicht, als sie als Abschiedsgeschenk (und Zugabe) ein "kleines überschaubares Menü" von Loriot serviert: als Vorgericht "Nilpferd in (2000 Liter) Burgunder" (acht bis 14 Tage kochen, dann das Nilpferd gut abtropfen lassen), als Hauptgang "Jäger im Reisrand" (der Jäger muss jung, frisch gewaschen und mit Hut sein), zum Dessert "Zimtsterne" (von Mutter handgesägt). Das Programm ihrer vierwöchigen Tournee heißt "Frauen" und hat neben geistreich-ironischer Kleinlyrik zwei Schwerpunkte. Den Stoff für den ersten lieferte Kurt Tucholsky mit der Frau, die ihrem Ehemann einen Geliebten beichtet; auch mit der Frau, die sich mit einer dummen Angewohnheit ihres Mannes befasst ("Er lässt die Gläser, die er anstößt, immer ausklingen"); schließlich mit dem Ehepaar, das seinem Besuch einen Witz erzählen will. "Kurt Tucholsky hat unglaublich zartfühlend in die Seele der Frauen geblickt", erläutert Evelyn Hamann dem Publikum. Darunter ist Ulrich Geßner aus Gerolstein, dem vor allem Hamanns "variantenreiche Stimme" gefiel bei Wilhelm Buschs "Frommer Helene".Humorvolles von geistreichen Zeitkritikern

Tatsächlich bildete Buschs berühmteste Bildergeschichte für Erwachsene den zweiten Schwer- und Höhepunkt des Abends. Da leiht Evelyn Hamann mit offensichtlicher Freude dem Schriftsteller ihre Stimme und ihre Körpersprache, um die unter heuchlerischer Frömmigkeit und Biedermeierlichkeit verborgenen Gelüste, Lasten, Begierden und Boshaftigkeiten zu demaskieren. "Ganz erstaunlich" findet die aus Zülpich (Kreis Euskirchen) angereiste Zuschauerin Jeany Sonneberg, wie Evelyn Hamann in die Rolle der verschiedenen Frauen schlüpft und dabei auf der Bühne "noch intensiver und origineller wirkt" als im Fernsehen. Nur etwas mehr als hundert Besucher kamen zum Evelyn-Hamann-Gastspiel ins Rondell. "Ich könnte weinen", sagte Veranstalter Harry Braun (Eifelevents) im Gespräch mit dem TV. Mit der bekannten Schauspielerin, deren Auftritt in Gerolstein zwischen Gastspielen vor ausverkauften Häusern in Mainz und Stuttgart terminiert war, habe er den Menschen in Gerolstein und Umgebung etwas Besonderes bieten wollen: "Und zwar nicht Klamauk auf unterster Stufe, sondern mit Texten von geistreichen Zeitkritikern."

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