Oft am Rand der Erschöpfung

DAUN/GEROLSTEIN. (bb) Der Caritasverband will einen Helferkreis für die Angehörigen von Demenzkranken aufbauen und veranstaltet dazu Informationsabende. Der TV sprach mit einer Betroffenen über den Alltag mit der Pflege ihrer demenzkranken Mutter.

Petra L. (Name von der Redaktion geändert) ist 54 Jahre alt und lebt in einem kleinen Eifeldorf. Manchmal dreht sie abends eine Runde mit dem Fahrrad ums Dorf; wenn sie zum Einkaufen oder zu einer Familienfeier will, muss sie organisieren. "Für diese Dinge und erst recht für persönliche Kontakte habe ich kaum Zeit und Ruhe," sagt sie. Und dennoch - das kommt im Gespräch immer wieder zum Ausdruck - ist Petra L. im Grunde froh, dass sie ihre Mutter pflegt: "Ich habe das Gefühl, dass ich ihr dafür, dass sie und mein verstorbener Vater mir in eigenen schweren Zeiten immer zur Seite gestanden haben, nun auch gut sein kann."Erste Anzeichen vor sieben Jahren

Die Mutter von Petra L. leidet an Demenz, eine Krankheit, deren wesentlichstes Merkmal der Verlust der geistigen Leistungsfähigkeit und anderer Fertigkeiten ist. Die ersten Anzeichen dafür nahm die Tochter vor etwa sieben Jahren wahr. Die Mutter war Anfang 80 und verwechselte ein chlorhaltiges Desinfektionsmittel mit einem Spülmittel. Kurze Zeit später wandte die Frau sich in großer Aufregung an ihre Tochter und ihren Ehemann. Eine Enkelin war mit ihrem Mann zu Besuch gewesen, und die alte Frau hielt den jungen Mann für ihren eigenen "zweiten Mann". Sie habe sich kaum beruhigen lassen und beichten wollen. In der gleichen Zeit "behandelte" sie ein Ekzem an ihrem Bein mit Zahnpasta und allem anderen, was in Tuben war. Immer wieder habe die Mutter damals den Wunsch geäußert, dass sie "nach Hause" wolle, erinnert sich die Tochter. Der endgültige Pflegefall trat vor drei Jahren ein, nachdem die Mutter gestürzt war und während des Krankenhausaufenthalts auch noch Parkinson diagnostiziert worden war. Petra L. gab ihre Arbeitsstelle auf und widmet sich seither der Pflege ihrer Mutter - rund um die Uhr, sieben Tage in der Woche. Seit zwei Jahren liegt die Frau im Bett, sitzt stundenweise im Wohnzimmersessel und wird an guten Tagen im Rollstuhl spazieren gefahren. Die meisten Menschen erkenne sie nicht mehr, berichtet die Tochter; auch sie selbst nicht immer. "Darf ich mal fragen, wer Sie sind?" - so wird Petra L. immer wieder begrüßt. Am Anfang sei sie darüber traurig und betroffen gewesen, erinnert sie sich. "Heute lache ich, erkläre, wer ich bin, und dann lachen wir zusammen." Äußerst liebebedürftig sei ihre Mutter. Damit kann Petra L. gut umgehen: "Ich gebe ihr 100 Küsschen am Tag." Aber oft genug sei sie auch am Rand der Erschöpfung. "Dann denke ich, ich halte es nicht mehr aus, ich schaffe es nicht mehr," bekennt sie. Kraft gebe ihr dann der Besuch eines Gottesdienstes, das persönliche Gebet und auch das Beten und Singen gemeinsam mit der Mutter. Morgens um halb acht nimmt Petra L. ihre Mutter aus dem Bett; sie wäscht sie und kleidet sie an und frühstückt mit ihr und dem im gleichen Haushalt lebenden, ebenfalls hochbetagten Onkel. Dreimal am Tag (um zehn Uhr am Vormittag, mittags um 14 Uhr und am Abend zwischen 20 und 21 Uhr) wird die Patientin zu Bett gebracht. Die Tochter registriert genau, wann das Sitzen im Sessel oder im Rollstuhl der Mutter zuviel ist. Sie achtet darauf, dass sie viel trinkt. Das bedeutet gleichzeitig, dass immer wieder die Windel zu wechseln ist, auch in der Nacht. "Ich kann mir gut vorstellen, dass ich jemanden aus dem Helferkreis anfordern würde," sagt Petra L., die im März bei einem Vortrag von Rose Götte über den Umgang mit Demenz-Kranken (der TV berichtete) von der Gründung des Helferkreises gehört hatte. Wer sich für die Mitarbeit in dem ehrenamtlichen Helferkreis zur Entlastung pflegender Angehöriger interessiert, ist zu Informationsveranstaltungen eingeladen. Sie finden statt am Donnerstag, 6. Mai, 19 Uhr, in Daun im Caritas-Gebäude in der Mehrener Straße und am Montag, 17. Mai, 19 Uhr, in Gerolstein in der Caritas-Sozialstation in der Raderstraße. Auskunft erteilt Gertrud Simonis, Caritasverband-Geschäftsstelle Daun, Telefon 06592/95730.

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