Pudelnass bei prächtiger Parade

GEROLSTEIN. Erst kamen die Gäste, dann das Unwetter: Den Höhepunkt der Gerolsteiner Festwoche, den großen historischen Festumzug durch die Innenstadt an Pfingstsonntag, erlebten rund 10 000 Besucher. Zum anschließenden Fest blieben nur wenige.

 So' n bisschen Regen kann Gerolsteinern doch nicht die Feierlaune verderben.Fotos: Helmut Gassen (4), Mario Hübner (1), Brigitte Redwanz (1)

So' n bisschen Regen kann Gerolsteinern doch nicht die Feierlaune verderben.Fotos: Helmut Gassen (4), Mario Hübner (1), Brigitte Redwanz (1)

Die Stadt hat sich für das herausragende Ereignis herausgeputzt und ist liebevoll geschmückt. Der Sturm auf die besten Plätze erfolgt pünktlich zum Zugbeginn. Zwar nicht die erhofften 20 000 Zuschauer, aber immerhin noch die Hälfte davon erwartet das große Ereignis - und immer wieder ein besorgter Blick nach oben. Und überall wird ein Stoßgebet gen Himmel geschickt: "Hoffentlich hält es!" Das Wetter. Und es hält. Zunächst.Die mehr als 800 Zugteilnehmer in ihren 40 Gruppen - darunter zehn Wagen und einige Musikgruppen - zeigen ein lebendiges Gerolstein mit den vielen Facetten seines Lebens. An der Normaluhr, am Rondellvorplatz und am Brunnenplatz kommentieren Wolfgang Meyer, Manfred Schneider und Karl-Heinz Böffgen die Gruppen fachkundig und unterhaltsam.Bestaunt und bejubelt

Die Zuschauer erleben Brauchtum, Leben und Arbeiten, Sport und Freizeit im Gerolsteiner Land. Viele Vereine beteiligen sich mit der Darbietung ihrer Sportart. Alte Zugmaschinen, ein Wagen mit Baumaterial aus den 50er Jahren, Klepperjungen, Ausscheller und Nachtwächter werden bestaunt und bejubelt.Karl-Heinz Schwartz als Graf Carl Ferdinand von Gerhardstein erinnert mit seinen Burgschauspielern an die "Speerwurf"-Aufführung anlässlich der 650-Jahr-Feier von Gerolstein. Kindergärten und Schulen versetzen die Zuschauer 50 Jahre zurück und erinnern mit ihrer Kleidung sowie mit Tintenfass und Tafel an die Dorfschule von damals. Unter großem Lob und Beifall zeigen sie, wie die Kinder vor 50 Jahren auf Schulhöfen und in den Straßen spielten. Doch mit der Hüpfkästchenmalerei auf der Straße nimmt es jäh ein Ende: Der Himmel öffnet seine Schleusen. Doch Zuschauer und Zugteilnehmer harren aus und nehmen hin, was von oben kommt. Und das ist reichlich, kühl und nass.Den Schaulustigen dienen Bäume, Markisen und Dachvorsprünge als Regenschutz. Der Spaß ist dennoch keinem verdorben. Erst recht nicht den 20 Schülern des Hubertus-Rader-Förderzentrums auf ihren Rollschuhen, die mit einem großen Schwungtuch die Erdkugel balancieren: Sie wünschen allen Kindern dieser Welt Frieden.Brauchtum zeigen die Geeser Jungen. Sie binden fleißig ein Rad mit Stroh, so wie sie es am "Scheiwe Sonntag" tun, um den Winter auszutreiben. Lautstark geht es auch bei der Feuerwehr zu: Eine alte Handspritze und ein historisches Löschfahrzeug aus der Partnerstadt Gilze en Rijen fahren mit Sirenenlärm durch die Straßen.Beifall zollt das Publikum auch für den wunderbar geschmückten Wagen, der eine "Eselshochzeit" zeigt. Sie wurde in einigen Orten der Eifel dann - quasi als Parodie - gefeiert, wenn Braut und Bräutigam zu geizig waren, der Dorfjugend einen auszugeben.Zeitreise in die Vergangenheit

Großes Interesse zieht auch das Forstamt auf sich, das Waldarbeit 1953 und 2003 zeigt. Der Anblick eines Rückepferds bei seiner Arbeit berührt Theodor und Margarete Schmitz aus Köln sehr: "Wir können uns noch gut an diese Zeit erinnern. Lebten wir doch vor 50 Jahren hier." Für beide ist der Umzug eine Zeitreise in die Vergangenheit. Stolz erzählt Theodor Schmitz: "Vor 50 Jahren war ich bereits beim Festumzug dabei. Ich habe den ,Kaiserwagen' geführt, und ich bin begeistert, wie Gerolstein sich entwickelt hat."Entwickelt hat sich auch die Arbeitsweise der Waldarbeiter. Demonstriert wird die Arbeit eines automatischen Vollernters: Einerseits stolz und mächtig sucht er sich andererseits filigran den Weg durch die engen Gassen. Auf den Kyllwiesen wird später die Arbeit mit dem meterhohen Gerät das Publikum ins Staunen versetzen.Nach gut zweieinhalb Stunden Jubel, Frohsinn, Spaß und Schauern suchen sich Zugteilnehmer wie Zuschauer ein trockenes Plätzchen. Simone Raschke, die aus Berlin in die Eifel gezogen ist, findet einen solchen unter einem Sonnenschirm. Sie sagt: "Toll. Nur der Regen hätte nicht sein müssen." Simone Schaaf aus Salmtal, die mit Mann und Hund Unterschlupf unter einer Markise findet, ist ebenfalls begeistert: "Wir sind vollauf begeistert. Und das Wetter: Da steckt man nicht drin. Aber wir halten durch." Und das tun sie alle. Wenn auch triefend nass.Doch nur die Unentwegtesten feiern dann noch bis tief in die Nacht.Dennoch ist Stadtbürgermeister Georg Linnerth froh und stolz zugleich. Er wertet den historischen Festumzug als eine "außerordentliche Würdigung für die Stadt Gerolstein". Klatschnass prognostiziert er zudem: "Dieses Gemeinschaftswerk wird uns in die Zukunft hinein zusammen halten."

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