Prozess Raubüberfall in Gerolstein: „Der Schaden ist ersetzt, aber meine Seele ist kaputt!“

Gerolstein/Trier · Ein Versicherungsberater aus Gerolstein wurde mutmaßlich von drei Männern überfallen. Vor Gericht schildert der 56-Jährige nun sein Martyrium.

Raubüberfall in Gerolstein wird vor Gericht verhandelt
Foto: dpa/Sebastian Gollnow

„Das waren die schlimmsten drei Stunden meines Lebens, ich war in ständiger Todesangst“, sagt der 56-jährige Hauptzeuge und Nebenkläger am dritten Tag im Gerolsteiner Raubprozess. Klar und chronologisch geordnet, schildert der selbständige Versicherungsfachwirt vor der Dritten Großen Strafkammer des Landgerichts Trier die Abläufe jenes Abends am 17. Juni 2022. Insbesondere an den seelischen Folgen der Tat leiden der Zeuge und seine Frau, die alles nur indirekt erlebt hatte, noch heute.

Ihm gegenüber sitzen die Angeklagten Y., P. und S. Alle drei haben am vorangegangen Verhandlungstag den vorgeworfenen Tatbestand des schweren Raubes eingeräumt, aber dann versucht, die Geständnisse mit mildernden Ausflüchten zu dekorieren: So hätten Y. wegen seiner Geschäftsschulden die Gläubiger im Nacken gesessen – da habe er dringend Geld gebraucht um seine Familie vor denen zu schützen. Leider sei die Aktion dann irgendwie „aus dem Ruder gelaufen“.

Auch S. schwor Reue: Er sei damals gerade arbeitslos geworden, habe aber wegen seines Amphetaminkonsums ständig Geld benötigt. Heftiger trug am zweiten Verhandlungstag Angeklagter P. auf. Er habe dringend Geld gebraucht für seinen ständigen Konsum von Amphetamin, LSD und Cannabis und sei deshalb bei der Sache eingestiegen. Den Sachverhalt räume er zwar ein, er sei aber an dem Abend so mit Drogen vollgedröhnt gewesen, dass er sich an keine Details mehr erinnern könne (wir berichteten).

Der Geschädigte widerlegt die mildernen Umstände der mutmaßlichen Täter

Eine Darstellung, die der geschädigte Hauptzeuge am jüngsten Verhandlungstag widerlegt, als er sagt: „Der Angeklagte P. erschien mir sehr klar und nicht wie einer voll unter Drogen.“ Er habe sogar seinen Vater zitiert, mit Sprüchen wie: „Wer den Honig essen will, muss sich von den Bienen stechen lassen.“

Doch zunächst berichtet der Zeuge detailliert, wie alles schon Tage vorher begonnen hatte. Von dem grauen Golf, der am Abend des 23. Februar vor seiner Geschäftsstelle gestanden habe und dessen Fahrer ihm auf der Heimfahrt bis vor die Haustür gefolgt sei. Dann sei über Monate nichts passiert, bis ein Herr L. sich gemeldet und um einen Termin wegen einer 50.000-Euro-Geldanlage gefragt habe. Wie sich später herausstellte, war L. das vom Angeklagten Y. für die Tat genutzte Pseudonym. Mehrfach seien vereinbarte Termine verschoben worden, dann habe man ein Treffen am Abend des 17. Juni in den Geschäftsräumen von L. in Gerolstein vereinbart.

An diesem Punkt beginnt der Zeuge mit der Schilderung einer dreistündigen Leidensgeschichte. Als er den Laden in Gerolstein betritt, wartet dort nicht nur der vermeintliche Anlagenkunde auf ihn, sondern es folgen zwei schwarz gekleidete Männer mit Masken, einer mit Sonnenbrille und einer mit einem schwarzen Knüppel. „Ich dachte, ich wäre im falschen Film, war wie erstarrt, wurde in einem Drehsessel mit Kabelbindern gefesselt und bekam einen Sack aus stinkigen T-Shirts über den Kopf gezogen“, sagt er. Zunächst habe sich der vermeintliche Kunde L. (alias Angeklagter Y.) selbst als Opfer dargestellt, mit den Worten: „Die wollen 250.000 Euro von Ihnen.“ Der Zeuge: „Ich merkte bald, dass das ein Fake und Y. der tatsächliche Rädelsführer war.“

Geschädigter: So viel Geld wollten die Täter

Dann schildert der Überfallene, wie es sich anfühlt, wenn brutale Täter 250.000 Euro von einem fordern, die man gar nicht zur Verfügung hat und dass man solche Transaktionen nicht per Smartphone abwickeln kann. Da war die Todesangst, die ihn überkam, wenn die anderen seine Erklärungen als Ausreden abtaten und wieder in den Schwitzkasten genommen wurde bis hin zur Erstickungsangst. Der Zeuge: „Dann fielen mir die drei Bankkarten im Auto ein. Mit den Karten und den Pin-Nummern konnten sie schon mal je 3000 Euro holen.“ Das habe Y. mit dem Spruch „das reicht bei nicht mal für ne’ Nacht im Puff“ abgetan.

Das Geld wurde aber dennoch geholt. Schließlich sei er mit P. zu seiner Niederlassung gefahren, wo man dann mit dem TAN-Generator Beträge von insgesamt 56.800 Euro auf sein privates Konto überwies. Der Zeuge: „Danach war das Konto ‚platt’ und für die schien der Zweck erfüllt. Da hatte ich nur noch einen schrecklichen Gedanken – die werden mich jetzt umbringen, zumal ich den Y. ja schon kannte.“

Doch es kam anders: Plötzlich forderte Y. noch weitere 400.000 Euro, zahlbar in 5000er-Monatsraten. Der Zeuge: „Ich habe ihm noch erklärt, dass ich dafür erst ein Darlehen aufnehmen müsse.“ Im Nachhinein stellte sich das Tätertrio selbst ein Bein, denn dadurch kam ihm die Polizei auf die Spur. Als der Zugriff in der Eifel erfolgte, befand sich der Zeuge an einem anonymen Ort in den Niederlanden. 42 000 Euro habe er später über die Bank zurückholen können. Mithilfe der Versicherungen sei er wieder bei plus-minus-null. „Der Schaden ist ersetzt, aber meine Seele ist kaputt.“

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