Renaturierte Lieser wartet noch vergeblich auf den Lachs

Daun/Wittlich · Verdrecktes Wasser, Begradigungen und zahlreiche Wehre - all das machte Fischen und Kleintieren in der Lieser einst das Leben schwer. Seit zehn Jahren können sie den Fluss von Boxberg bis zur Mosel hinauf und hinab wandern. Doch der Lachs lässt weiter auf sich warten. Schuld sind die Staustufen an der Mosel.

 So sah das ehemalige Wehr der Neumühle in der Gemarkung Altrich aus – für Fische unpassierbar. Fotos: privat/Ingenieurbüro Max und Reihsner (2); Ursula Quickert (2)

So sah das ehemalige Wehr der Neumühle in der Gemarkung Altrich aus – für Fische unpassierbar. Fotos: privat/Ingenieurbüro Max und Reihsner (2); Ursula Quickert (2)

 Dank der Fischtreppe an der Brückenmühle könnte der Lachs – zumindest theoretisch – ohne große Mühe wieder flussaufwärts schwimmen.

Dank der Fischtreppe an der Brückenmühle könnte der Lachs – zumindest theoretisch – ohne große Mühe wieder flussaufwärts schwimmen.

 Tonnenweise Steine wurden 2001 verwendet, hier ein Foto aus der Bauphase an der Neumühle (rechts), um um einen flachen Übergang zwischen Wehr und Fluss einzurichten. Heute erinnert nur noch ein Schild an das Wehr.

Tonnenweise Steine wurden 2001 verwendet, hier ein Foto aus der Bauphase an der Neumühle (rechts), um um einen flachen Übergang zwischen Wehr und Fluss einzurichten. Heute erinnert nur noch ein Schild an das Wehr.

Daun/Wittlich. "Da sind schon zwei, da ist noch einer, und da hinten schwimmt auch noch einer! Die Fische fühlen sich hier richtig wohl." Mindestens einmal in der Woche schaut Michael Schäfer nach seinem Schützling. Der ist 74 Kilometer lang, fließt 450 Höhenmeter hinunter und ist schwer zu bändigen. Und genau so soll es sein, erklärt der Experte, der sich bei der Struktur- und Genehmigungsdirektion um die Gewässeraufsicht kümmert. Die Lieser soll in ihren natürlichen Bahnen fließen und sich selbst entwickeln, möglichst ohne Eingriffe des Menschen.
Ein großer Schritt auf diesem Weg wurde 2001 getan - vor genau zehn Jahren. Ein Jahr lang wurden 21 Wehranlagen zwischen Quelle und Mündung der Lieser umgebaut oder ganz entfernt. Ziel war es, dass sich Fische und Kleinlebewesen wieder ohne Barrieren im Wasser tummeln können. Bis dahin reichte ihr Lebensraum lediglich von einem Wehr zum nächsten, die Fische vermehrten sich weniger und waren anfälliger für Krankheiten. Manche Fische sprangen sich an den Wehren zu Tode. Dabei sind Flüsse wie die Lieser auch die Kinderstuben für viele Wanderfische aus dem Meer.
Es galt damals, einen Kompromiss zwischen Ökologie und Ökonomie zu finden - die Durchlässigkeit der Lieser ebenso zu ermöglichen wie die Stromerzeugung an den Mühlen. "Und das ist uns relativ schnell gelungen", sagt Schäfer.
1,7 Millionen Mark hat das Vorhaben damals gekostet, zu 80 Prozent finanziert von Bund und EU, den Rest zahlten die Landkreise Bernkastel-Wittlich und Daun. Und was hat es gebracht? 2008 hat eine Untersuchung ergeben, dass die Lieser bereits der europäischen Wasserrichtlinie entspricht, die bis 2015 alle Gewässer in der EU erfüllen müssen. Kriterien waren unter anderem das Fischvorkommen, die Wasserqualität und die Struktur und Form des Flusses. 16 Fischarten leben heute in der Lieser, haben Biologen herausgefunden. Ob die Populationen heute größer sind als vor zehn Jahren, lässt sich schwer sagen, da in der Lieser viel gefischt wird.
"Ich bin wirklich stolz auf das Projekt", sagt Schäfer. Auch wenn hin und wieder Bürger bei ihm anrufen, die sich einen geordneten Fluss wünschen, ohne Treibholz und Kiesbänke, dank derer nun mehr Sauerstoff im Fluss ist. Schäfer wiederum wünscht sich eine größere Pufferzone zwischen Fluss und bewirtschafteten Feldern, damit weniger Dünger und Gülle in die Lieser gelangen.
Und jetzt heißt es: Warten auf den Lachs. Denn seine Ansprüche an seinen Lebensraum sind so hoch, dass sein Vorkommen auf ein rundum gesundes Ökosystem hinweist. Seit den 40er Jahren ist er hier nicht mehr zu finden, der damals schlechten Wasserqualität, der begradigten Flüsse und der Wehre wegen.
"Die Kinderstube haben wir dem König der Fische schon bereitet", sagt Schäfer. Doch noch behindern die Staustufen in der Mosel seinen Weg von Grönland bis nach Daun. Auch sie sollen in den nächsten 25 Jahren für Tiere passierbar werden, die erste Hürde in Koblenz ist bereits gefallen. Bei neun Mühlen an der Lieser wurden die Wehre mit Sohlgleiten umgebaut. Die Steigung läuft dort nun dank der Verfüllung mit Steinen flach aus, die gleichzeitig Ruhebecken für die Fische bilden. Sechs Wehre erhielten seitliche Fischtreppen, unter anderem die Schladter Mühle und die Brückenmühle in Wittlich. Und so sehen sie aus: ein schmaler Streifen entlang des Ufers, abgetrennt vom Hauptstrom des Flusses und damit dem Wehr, den die Forellen und Äschen nach Herzenslust durchschwimmen können. Fünf Wehranlagen wurden komplett beseitigt, weil sie nicht mehr an Mühlen angebunden waren - darunter an der Rellesmühle bei Platten und der Abachsmühle. uq

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