Erinnerungen an früher Erst überlegen und dann rechnen!

Gillenfeld/Wittlich/Prüm · Dass Schulbildung selbstverständlich ist, war nicht immer so. Unserer Heimatforscher Alois Mayer schaut zurück auf jene Zeit, als das Bildungswesen in der Eifel seinen Anfang nahm.

 Auch sie mussten das kleine und große Einmaleins hoch und runter lernen, den Dreisatz natürlich auch: die Kinder der Volksschule Steiningen-Steineberg, hier eine Aufnahme aus dem Jahr 1908.

Auch sie mussten das kleine und große Einmaleins hoch und runter lernen, den Dreisatz natürlich auch: die Kinder der Volksschule Steiningen-Steineberg, hier eine Aufnahme aus dem Jahr 1908.

Foto: Archiv Alois Mayer

Als das Rheinland im Rahmen der Neuordnung Europas durch den Wiener Kongress 1815 endgültig Preußen zugesprochen wurde, konnte die gesetzliche und verwaltungsmäßige Grundlage zum Aufbau des Bildungswesens geschaffen werden. Man hatte sich entschlossen, das Problem der elementaren Bildung auf zweifachem Weg zu lösen. Erstens wurden die schon in der Praxis tätigen Schullehrer angehalten, sich in staatlichen, meist sechswöchigen, Kursen weiterzubilden und eine Prüfung vor einer Regierungskommission abzulegen. Die Gemeinden wurden angehalten, nur solche Lehrer fest anzustellen, die einen Nachweis über die erfolgreiche Teilnahme und Prüfung erbringen konnten. Als Zweites wurden Lehrerseminare eingerichtet, in denen in einer zweijährigen Ausbildung qualifizierter Lehrernachwuchs herangebildet wurde.

Lehrerseminare gab es früher in Brühl, Wittlich und Prüm

Ein solches Lehrerseminar, das bis Ende des 19. Jahrhunderts nahezu alle in der Eifel tätigen Lehrer besucht hatten, war das königlich-preußische Lehrerseminar in Brühl. Es hatte 1823 (bis 1925) seine Lehrerausbildung im aufgelösten Franziskanerkloster aufgenommen. 1876 entstanden in Wittlich und 1885 in Prüm weitere Lehrerseminare, für Eifeler Lehrerkandidaten erheblich näher und finanziell günstiger.

Die in diesen Seminaren ausgebildeten Lehrer legten großen Wert auf Bibelkunde, Lesen, Rechnen und Gesang. Gemäß dem Ausspruch, dass Wiederholung die Mutter der Studien ist, bedeutete dies letztlich, Lernstoff möglichst oft zu wiederholen, damit er auch dauerhaft im Gedächtnis blieb. Vorrangige Ziele waren, das Gelernte immer wieder aufzuschreiben, aufzusagen, auswendig zu lernen. Besonders gefordert das „Kopfrechnen“, das nachweislich die geistige Flexibilität fördert. Bekannt sind noch ältere Personen, die aus ihrer Schulzeit noch heute sehr viele Volkslieder, Bibelstellen oder ellenlange Gedichte fehlerfrei aufsagen können.

Überlieferung aus dem Jahr 1934

Im „Eifelkalender 1934“, herausgegeben vom Eifelverein, findet sich dazu unter der Überschrift „Rechenunterricht in der Eifeler Volksschule“ eine amüsante Erzählung:

Das Steckenpferd des Lehrers Jakob Weber in Gillenfeld war das Rechnen. Der ‚ahle Schulpapp‘, wie ihn in Anhänglichkeit und Verehrung das ganze Dorf nannte, hatte seine Buben eben mit den leichteren Dreisatzaufgaben bekannt gemacht.

Nun hatte der stille, ernste Herr doch hie und da mal den Schalk im Nacken. Und so sagte er zu seinen Jungen: „Jetzt könnt ihr schon allerhand Dreisatzaufgaben rechnen. Deshalb will ich euch gleich noch eine zum Schnellrechnen aufgeben. Wer die am schönsten zu lösen weiß, der darf heute Nachmittag so ‘ne lange Kässchmier mit auf die Weide nehmen“, und dabei zeigte er von seiner Handspitze bis zur Schulter. „Also hört zu! Ein Knabe macht den Weg von Gillenfeld nach Daun in 2,5 Stunden. Wie lange brauchen zwei Knaben, um dieselbe Strecke zurückzulegen? Nun flott, Jungen! Wer will zuerst beginnen?“

Rasch meldete sich der immer etwas voreilige Pitterjusepp. „Aha, Pitterjusepp, nun mal flink!“ Und der ahnungslose Junge, (der noch ganz im Banne des tiefen Eindrucks des geraden Dreisatzes: Je mehr, desto mehr, stand), begann eilig: „Wenn ein Knabe 2,5 Stunden braucht, dann brauchen zwei Knaben zweimal 2,5 Stunden, also 5 Stunden!“ Flugs meldete sich Lambert, der schon vor Spannung fast am „Baschten“ war, und rief: „Falsch! Falsch! Wenn ein Knabe 2,5 Stunden braucht, so brauchen zwei Knaben zu derselben Leistung nur halb so lang, also 1,5 Stunden!“

Es war bereits zu sehen, dass einige Kinder mehr für den Ersten, andere mehr für den Zweiten Partei ergreifen wollten. Nur der Hannes ließ sich nicht aus dem Gleichgewicht bringen. Er sagte kaltblütig: „Der Pitterjusepp und der Lambert haben's beide falsch!“- „Ei, wieso denn?“„Ja, mein Bruder und ich, wir Zwei waren am vorigen Sonntag zu Fuß nach Daun und haben beide zusammen auch gerade zweieinhalb Stunden gebraucht.“

„Recht hast du Hannes“, meinte der ahle Schulpapp, „seht Jungen, immer erst überlegen und dann rechnen!“

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