Schweben zwischen Leben und Tod

Daniela Wölwer war ein lebenslustiges 20-jähriges Mädchen, als sie nach einem körperlichen Zusammenbruch ins Wachkoma fiel. Die Eltern pflegen ihre Tochter seit zwölf Jahren und geben die Hoffnung nicht auf, dass sie eines Tages ins Leben zurückkehrt.

 Die ganze Familie kümmert sich liebevoll um Daniela, die seit zwölf Jahren im Wachkoma liegt. Die Eltern Maria und Werner Wölwer, aber auch ihr Onkel Manfred (rechts), der am Down-Syndrom leidet, wünschen sich nichts mehr, als dass es die junge Frau eines Tages schafft, zu ihnen zurückzukehren. TV-Foto: Brigitte Meier

Die ganze Familie kümmert sich liebevoll um Daniela, die seit zwölf Jahren im Wachkoma liegt. Die Eltern Maria und Werner Wölwer, aber auch ihr Onkel Manfred (rechts), der am Down-Syndrom leidet, wünschen sich nichts mehr, als dass es die junge Frau eines Tages schafft, zu ihnen zurückzukehren. TV-Foto: Brigitte Meier

Uersfeld. Der Tag, an dem das Unfassbare passierte, jährt sich bald wieder. An einem Sonntagmorgen im Oktober 1996 bricht die damals 20-jährige Daniela zusammen, Herzstillstand. Sie ist bis heute nicht mehr aufgewacht.

Immer kreisen die Gedanken der Mutter um die bislang schlimmsten Momente ihres Lebens: Warum ist das geschehen? Hätte das Mädchen gerettet werden können? Kam der Notarzt zu spät? Oder haben wir etwas falsch gemacht?

Schockierte Eltern verstehen die Welt nicht mehr



Doch Antworten bekommen die Eltern nicht, auch nicht von medizinischer Seite. Ein bis dato nicht bekannter Herzfehler wird festgestellt, aber ob Danielas Zusammenbruch darauf zurückzuführen ist? Es bringt doch überhaupt nichts, darüber nachzudenken, versucht Werner seine Frau immer wieder zu trösten. Das weiß Maria auch, aber die quälenden Bilder gehen nicht aus ihrem Kopf. Die geschockten Eltern verstehen die Welt nicht mehr, aber sie müssen das Schicksal annehmen.

Ihr einziges Kind befindet sich im Wachkoma, als es nach einem halben Jahr aus der Reha-Klinik entlassen wird. Maria gibt ihre Arbeit auf, um sich um die Pflege zu kümmern.

Dann hört sie beim "Kaisers-escher Elterntreff" vom ambulanten Pflegedienst "Stiftmobil", der nun seit einigen Jahren im Wechsel die Krankenschwestern Christa und Andrea jeden Werktag und zweimal im Monat auch sonntags für jeweils vier Stunden zu ihnen schickt. Dank dieser Pflege freuen sich Maria und Werner über einen echten Fortschritt: Christa gelingt es sogar, ihre Patientin, die jahrelang ausschließlich künstlich ernährt werden kann, zwischendurch mit Suppe vom Löffel zu füttern.

Aber nicht nur Daniela will versorgt sein. Morgens sorgt Maria dafür, dass ihr geistig behinderter Bruder, der seit 2004 mit im Haus lebt, sich fertig macht für die Arbeit. Manfred ist 52 Jahre alt und hat das Down-Syndrom.

Dankbar ist Maria für den Beistand einer langjährigen Bekannten, ihrer Freundin Gertrud Spurzem und zweier Cousinen. Diese Frauen kümmern sich um Daniela, wann immer sie gebraucht werden und bieten Maria auch seelischen Halt.

Zum sicheren Netzwerk der Helfer gehört auch eine gute Nachbarin. "Ich rufe: ,Renate, kannst du mal kommen', schon ist sie zur Stelle", betont Maria.

Ansonsten sind die Wölwers sehr enttäuscht, wie schnell ihr Bekanntenkreis geschrumpft ist. Am meisten schmerzt es aber, dass sich Danielas Freundinnen zurückgezogen haben. "Sie kamen zwei- oder dreimal und dann nie mehr. Schade, dass ihre Freunde nicht mit ihr reden", bedauern Maria und Werner. Sie sind nämlich davon überzeugt, dass ihre Tochter alles Gesprochene versteht: "Wenn abends der Papa kommt, lacht sie. Und wenn man ihr etwas Lustiges erzählt, lacht sie auch."

Natürlich denken die Eltern oft darüber nach, ob Daniela dieses Dasein zwischen Leben und Tod noch länger erträgt: "Wir sind sicher, dass sie leben will. Mehrmals schon hat sie in sehr kritischem Zustand auf der Intensivstation gelegen, aber sie hat immer gekämpft."

Deshalb geben sie die Hoffnung nie auf, dass es Daniela eines Tages gelingt, "die dünne Wand zu durchbrechen, um zu uns zurückzukehren".

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