"Senioren sind erfahrene Autofahrer"

Der seltsame Fahrstil eines 84-Jährigen auf der Autobahn ließ andere Fahrer vermuten, er sei betrunken oder wirr. Wegen der Gefährdung wurde ihm der Führerschein entzogen. Im Prozess vor dem Dauner Amtsgericht erhielt er die Fahrerlaubnis zurück, weil ihm ein Gutachter Fahrtüchtigkeit bescheinigte.

 Älteren Verkehrsteilnehmern die Mobilität lange zu erhalten, fordert der Seniorenbeirat. Foto:dpa

Älteren Verkehrsteilnehmern die Mobilität lange zu erhalten, fordert der Seniorenbeirat. Foto:dpa

Daun. Am 21. Dezember 2006 wechselte der Rentner am Vulkaneifel-Dreieck auf die Koblenzer Autobahn. In der Dämmerung fuhr er phasenweise gerade mal 60 Stundenkilometer, bremste und wechselte mehrmals unverhofft die Fahrspur. Geriet auch schon mal auf die Standspur. Andere Verkehrsteilnehmer konnten laut ihren Aussagen "nur durch Notbremsungen Kollisionen verhindern". Sie riefen die Polizei. Der Autobahn-Polizist erklärt als Zeuge: "Wir haben versucht, ihn an der Ausfahrt Polch von der Autobahn zu holen, aber er fuhr weiter." Auf das "Bitte-folgen-Schild" im Heck des Polizeiautos reagierte der 84-Jährige nicht. Erst aufs Blaulicht. Der Rentner war nicht betrunken, aber aufgewühlt von einem Krankenhausbesuch. Am 7. März wurde ihm vorläufig der Führerschein entzogen. Er ging in den Rechtsstreit und beauftragte einen Gutachter, der ihm absolute Fahrtauglichkeit bescheinigte, "weil er alle Tests bravourös meisterte und Werte weit über dem Durchschnitt erzielte". Staatsanwalt Thomas Grawemeyer stützte sich auf das Gutachten, weil "es nicht von seinem Hausarzt, sondern einem renommierten Gutachter erstellt wurde". Richter Hans Schrot wertete den Vorfall als "Ausnahmesituation." Dem Witwer sei vorzuwerfen, dass er sich hinters Steuer setzte, obwohl er in diesem Moment nicht fit war. Wegen fahrlässiger Straßengefährdung muss er 700 Euro Geldbuße an die Kreisverkehrswacht Vulkaneifel zahlen. Noch im Gerichtssaal erhielt er seinen Führerschein, den er seit 1939 besitzt, zurück. Richter Schrot: "Seit 68 Jahren ist er beanstandungsfrei unterwegs und auch sonst juristisch nie in Erscheinung getreten". In der Unfallstatistik 2006 der Polizei-Inspektion (PI) Daun tauchen Senioren (älter als 65 Jahre) bei 220 von 1950 Unfällen als Beteiligte auf. Bei 40 Karambolagen wurden 52 Personen (davon 20 schwer) verletzt. Bei 169 der 220 Unfälle mit Beteiligung älterer Autofahrer waren die Senioren die Hauptverursacher. 108 von ihnen waren im Alter zwischen 65 und 75 Jahre, 51 älter als 75 Jahre. Heinz-Peter Thiel, Chef der Dauner Polizei-Inspektion und stellvertretender Vorsitzender der Kreisverkehrswacht, sagt: "Wir setzen darauf, älteren Menschen so lange wie möglich die Mobilität zu erhalten. Das ist wichtig für ein eigenständiges Leben." Ältere Autofahrer seien sehr besonnen und vorausschauend unterwegs. In die gleiche Kerbe schlägt auch der Seniorenbeirat. Er plädiert dafür, älteren Verkehrsteilnehmern möglichst lange die Mobilität zu erhalten. Mehr auf Seite 10Hintergrund Von den 63 161 Einwohnern im Landkreis Vulkaneifel sind 9682 älter als 70 Jahre (15,32 Prozent). Wie viele der älteren Bürger einen Führerschein besitzen, geben weder die Computer in der Kreisverwaltung noch im statistischen Landesamt her. In der Dauner Führerscheinstelle waren allerdings die Rückgaben rasch gezählt. Von Oktober 2002 bis Oktober 2007 gaben 39 Autofahrer, die älter als 70 Jahre waren, ihre Fahrerlaubnis freiwillig zurück. Bei 13 wurde der Führerschein zwangsweise (teils gerichtlich, teils durch die Kreisverwaltung) eingezogen. (vog)

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