Sie kennen die Täter

DAUN/BITBURG/PRÜM. Die zwei Expertinnen des Kinderschutzdienstes (KSD) Westeifel haben innerhalb eines Jahres 132 Kinder und Jugendliche beraten. Das entspricht einer Steigerung von 30 Prozent gegenüber dem Vorjahr. Misshandlungen und sexueller Missbrauch sind die häufigsten Probleme.

"Immer mehr Kinder und Jugendliche brauchen unsere Hilfe. Wir sind mit unserer Personaldecke oft am Limit", erklärt Diplom-Psychologin Heide Schmidtmann, die seit Juli 2002 für den KSD Westeifel unter dem Dach des Caritasverbandes arbeitet. Diplom-Sozialpädagogin Karin Knötgen komplettiert mit einer halben Stelle das KSD-Team. Ein weiteres Problem für die effektive Aufarbeitung der aufgedeckten Fälle sehen die zwei Expertinnen im "viel zu geringen psychotherapeutischen Hilfsangebot in der Region". Schmidtmann: "In den beiden Landkreisen gibt es nur zwei niedergelassene Kinder- und Jugendpsychotherapeuten. Da sind Wartezeiten von einem Jahr die Regel." Kein Wunder, denn die Bilanz des KSD Westeifel bestätigt den großen Bedarf. Von den 132 Ratsuchenden (zwei Drittel Mädchen) wurden 75 langfristig betreut - in acht Fällen länger als ein Jahr. Lediglich vier ausländische Teenager (drei Mädchen und ein Junge) wurden vom KSD betreut. Am häufigsten machten die Mütter (27 Fälle), das Jugendamt (elf Fälle) und die Schulen (16 Fälle) den KSD auf die Problemfälle aufmerksam. Dabei stehen Vernachlässigung, Misshandlungen und sexueller Missbrauch ganz oben auf der Liste. 14 Kinder wurden extrem von ihren Eltern vernachlässigt. Als "schwierig und langwierig" bezeichnen die KSD-Mitarbeiterinnen dabei die Begleitung von Kindern suchtkranker Eltern. Schmidtmann: "Zum einen fehlen in der Region spezialisierte Hilfsangebote und Selbsthilfegruppen komplett und zum anderen scheitern die Versuche, diese Kinder in geeignete Freizeitmaßnahmen zu integrieren an den ländlichen Strukturen, weil sie sie nicht selbstständig erreichen können." Ihre Kollegin Knötgen zeigt düstere Prognosen auf: "Vernachlässigung ist ein Risikofaktor, weil vernachlässigte Kinder leichter Opfer sexuellen Missbrauchs werden." Erschreckend: in den beiden Eifelkreisen konnte der KSD 40 Fälle sexuellen Missbrauchs innerhalb eines Jahres aufdecken. Der KSD Westeifel brachte in diesem Zusammenhang landesweit einen Stein ins Rollen, weil sie zwei Fälle von "Date-Rape" bei einer Fachtagung mit dem Landesjugendamt vortrugen. "Date-Rape" bezeichnet sexuelle Übergriffe zwischen Jugendlichen während Verabredungen oder Treffen. Insgesamt fünf Mädchen (zwölf bis 15 Jahre), die von ihren Freunden oder Bekannten aus der Clique (13 bis 18 Jahre), sexuell missbraucht wurden, berieten die KSD-Expertinnen. (TV- Bericht "Ein Nein ist ein Nein"). Die Arbeit mit Missbrauchsopfern erfordert viel Fingerspitzengefühl. Knötgen: "Wir entscheiden nichts über die Köpfe der Opfer hinweg. Der Umgang mit einem siebenjährigen sexuell missbrauchten Mädchen ist anders als mit einem 14-Jährigen." In elf Fällen wurden Kinder und Jugendliche seelisch misshandelt. Der Psychoterror zeigt sich in den Familien in großer Bandbreite. Psychologin Schmidtmann erklärt: "Das fängt mit permanenten Demütigungen an und hört, wie wir es in einem Fall hatten, mit der grausamen Tötung des Haustiers auf". In den zehn Fällen der körperlichen Misshandlungen sind die Eltern meistens die Täter. Sozialpädagogin Knötgen meint: "Oft ist das ein Zeichen für Überforderung. Dann sind sozialpädagogische Hilfen, die das Jugendamt bietet, sinnvoll." Neben der beratenden Tätigkeit sind die beiden KSD-Expertinnen auch präventiv unterwegs. Sie arbeiten eng mit der Interessengemeinschaft für Kinderschutz zusammen. So wurden bei Veranstaltungen an 15 Grundschulen 1878 Schüler sowie 309 Eltern und Lehrer und an sieben Kindergärten 189 Eltern und Erzieher erreicht.

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