Spaß oder schon Sucht?: Was die Eifeler Jugend von Facebook, Whatsapp & Co hält - Und was Profis sagen

Gerolstein · Ein Smartphone ist bei Jugendlichen heute Standard. Ob im Bett, zu Fuß unterwegs, im Bus, auf dem Pausenhof: Nicht nur in der Großstadt, sondern auch in der Eifel hat die Jugend in der Regel den Blick nach unten gerichtet - aufs Display. Können manche gar nicht mehr ohne, oder ist das alles nur Spaß? Wir haben uns umgehört.

Gerolstein. Wer mit wem, der blöde Lehrer, das meist gelikte Youtube-Video und vor allem: Was geht? Die Themen der Jugend sind weitgehend die gleichen wie vor fünf, zehn oder 20 Jahren. Nur das Wie hat sich deutlich geändert. Heute wird fast ausschließlich per Smartphone und Internet getratscht, kommentiert, für gut befunden (gelikt) oder eben runtergemacht (gedisst). Vor allem übers soziale Netzwerk Facebook und den Messenger Whatsapp.
Stets mit Freunden in Kontakt sein, auch wenn sie drei Dörfer weiter wohnen. Auf dem Laufenden sein, in sein, dazugehören. Alle Musik der Welt hören, die neuesten Filme sehen können und im Internet immer etwas Interessantes finden. Langeweile war gestern. Schöne neue Welt ist heute. Das ist die eine Seite.
Die andere: Freundinnen oder Kumpels, die sich nur noch in ihrer Bude verkriechen, surfen, chatten und spielen. Mit denen man kaum noch ein "normales" Gespräch anfangen kann, weil sie geistig stets abwesend sind. Die das Leben zwar gerne und immerzu beschreiben und kommentieren. Aber eben immer weniger selbst erleben.
Und das geht mittlerweile so manchem der Generation Smartphone selbst auf den Keks. "Meine Freundin ist ständig an ihrem Handy, selbst wenn ich mich mit ihr treffe. Manchmal ist sie richtig abwesend. Als ich sie darauf angesprochen habe, dass sie eventuell süchtig ist, wurde sie wütend", sagt eine 18-Jährige aus der Eifel. Ihren Namen will sie nicht nennen, da sie ansonsten um ihre Freundschaft bangt.
Ähnliches erzählt die 18-jährige Berufsschülerin Sabine Richter: "Eine Freundin spielt im Unterricht oft mit dem Handy und beklagt sich dann bei uns, dass sie nie mitkommt. Als wir sagen, dass das mit ihrer Handysucht zu tun hat, winkt sie ab: So schlimm ist das doch gar nicht´."
Auch Andreas Salm (23) aus Gerolstein, bekennender Facebook- und Whatsapp-Freund, geht das Dauer-Gedaddel inzwischen auf die Nerven. "Kürzlich habe ich mich mit einem Kumpel verabredet und bin extra zu ihm nach Prüm gefahren. Doch er hängt nur an seinem Handy und schreibt in Whatsapp. Selbst als ich angekündigt habe, dass ich verschwinde, wenn er nicht aufhört, hat er weitergemacht. Da bin ich gefahren."
So schlimm ist es nicht immer. Aber ohne Smartphone scheint heute kaum mehr ein Heranwachsender auszukommen.Immer früher, immer länger


Ein Blick ins Haus der Jugend in Gerolstein bestätigt das. Auf den Sesseln und Sofas sitzen fünf Jungs im Alter zwischen 14 und 16 Jahren.
Doch wo früher vielleicht laut gesprochen, gelacht, herumgekaspert worden wäre, ist es heute ruhiger, wenngleich die Jungs durchaus miteinander kommunizieren. Nur eben im Internet. Auf die Frage, wofür sie ihr Smartphone am meisten nutzen, nennen die fünf an erster Stelle die Messenger Whatsapp und Twitter sowie das soziale Netzwerk Facebook. Genutzt wird das Handy, um Nachrichten, Bilder und Videos an Freunde und Bekannte zu verschicken. An zweiter Stelle folgt das Surfen, und erst an dritter Stelle wird das Gerät als Telefon benutzt.
Apropos Handy: Das gehört mittlerweile offensichtlich schon immer früher zum Standard. Auf die Frage, wann sie ihr erstes Gerät besaßen, reichen die Antworten von neun bis 14 Jahren. Auch in Sachen Nutzungsdauer gehen die Antworten auseinander: Unter drei bis vier Stunden kommt keiner der Befragten am Tag ohne Smartphone aus, einer nutzt es laut eigener Aussage sogar täglich zwölf Stunden.
Ein Tag ohne Handy - für viele Jugendliche undenkbar.
Das ist für Petra Schmidt, Schulsozialarbeiterin an der Berufsbildenden Schule Gerolstein, der größten Schule im Kreis Vulkaneifel, nichts Neues. Sie sagt: "Ich kenne keinen zwischen 15 und 18 Jahren, der einen Tag ohne Handy gut aushalten könnte." (siehe Interview)
Jo Bach von der Caritas in Prüm, seit vielen Jahren in der Beratung zur und Prävention von Spielsucht tätig, sagt dazu: "Es ist schon so, dass das Internet und die sozialen Netzwerke bei den jungen Leuten ganz oben in der Priorität stehen. Das gehört zum Lifestyle." Aber selbst wenn ein Jugendlicher am Tag 300 Mal auf sein Handy schaue, sei das noch nicht unbedingt Sucht.
Bach sagt: "Erst wenn der Jugendliche so viel spielt, chattet, surft und übers Internet kommuniziert, dass er das reale Leben vernachlässigt oder beispielsweise die Schulnoten rapide runtergehen, sollten die Alarmglocken schrillen. Und zwar bei den Freunden und den Eltern." Er rät dazu, Betroffene frühzeitig auf ihr Verhalten anzusprechen (siehe Extra). Bach sagt: "Denn gerade die Freunde haben einen großen Einfluss. Vielleicht führt dies ja dazu, dass die Jugendlichen ihr Verhalten überdenken - und das Handy dann vielleicht doch mal ein, zwei Tage weglegen."

Am TV-Medienprojekt "Auf Zack - Jugend macht Zeitung" zum Thema Internet gehören: Theresa Blum, Michelle Krämer, Sabine Richter, Andreas Salm, Angelina Thoma, Celine Tillack, Vanessa Lenerz, Kurt Laux, Pertra Schmidt und Mario Hübner.

Hallo Leute, wie ist es bei euch: Kennt ihr Freunde, die nicht mehr ohne Facebook und Whatsapp auskommen? Wie weit geht das? Wofür geht bei euch der Daumen hoch, was geht gar nicht. Schickt uns eine persönliche Nachricht an Facebook.com/volksfreund oder eine Mail an eifel-echo@volksfreund.deExtra

Jo Bach von der (Internet-) Suchtberatung der Caritas: für Eltern: Falls man das Gefühl hat, dass der Sohn/die Tochter viel am Smartphone hängen und eventuell plötzlich die schulischen Leistungen abfallen, sollte man sie darauf ansprechen. Es gehe darum, mit den Kindern in Kontakt zu bleiben, ihnen gegenüber Interesse zu zeigen. für Freunde und Mitschüler, Arbeitskollegen: Betroffene darauf ansprechen, wenn sie sich sehr viel mit dem Smartphone beschäftigen und deswegen Freundschaften und andere Dinge vernachlässigen. Auch sollten sich Freunde nicht mit lapidaren Antworten abspeisen lassen, sondern nachhaken und das Gespräch suchen. Regeln aufstellen: Vor allem bei Kindern ist es wichtig, die Medienzeit (Smartphone, Internet, Fernsehen) zu reglementieren, um Verhaltensweisen einzuüben. Ein bis zwei Stunden am Tag sind laut Bach eine Richtschnur. Zeitempfehlungen für jede Altersgruppe aber seinen schwierig. Es kommt auf einen so einen vernünftigen Umgang mit den Medien an, der noch genügend Platz für andere Aktivitäten lässt. Hilfe holen: Es muss nicht gleich ein Beratungstermin sein, aber wer einen Rat sucht, bekommt auch telefonisch Unterstützung. Bachs Appell: "Einfach zum Hörer greifen und anrufen." (Caritas Prüm: 06551/971090) mh

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