Stadtbürgermeister gegen Stadtrat

Gerolstein · Freispruch, aber Thema noch nicht durch: Nach dem abgeschlossenen Disziplinarverfahren wegen Vorteilsnahme im Amt, das mit Freispruch endete, fordert der Stadtrat Gerolstein von Stadtbürgermeister Bernd May, sich aus Immobilienangelegenheiten rauszuhalten. May lehnt das ab.

Gerolstein. "Juristisch ist das Verfahren abgeschlossen. Politisch muss es noch aufgearbeitet werden. Es ist dringend notwenig, Konsequenzen zu ziehen." Diese Worte richtete Tim Steen (Bündnis 90/Die Grünen) im Namen des gesamten Gerolsteiner Stadtrats an Stadtbürgermeister Bernd May. Damit nahm Steen Bezug auf die Ermittlungen der Kommunalaufsicht gegen May. Der Stadtbürgermeister, der im Hauptberuf Immobilienmakler ist, stand in Verdacht, versucht zu haben, sich beim Verkauf des Postgebäudes durch sein Amt finanzielle Vorteile zu verschaffen. Es kam zwar nicht zum Verkauf, aber bereits der vermeintliche Versuch war Anlass des Ermittlungsverfahrens. May wurde freigesprochen, weil die Behauptungen nicht bewiesen werden konnten.
Steen sprach von einem "Entweder-oder" und dass May im Vorfeld von jeder Immobilienangelegenheit im Rat sagen müsse, ob er als Stadtbürgermeister oder als Makler tätig werde. Seine weiteren Andeutungen ließen aber darauf schließen, dass eine komplette Delegierung der Bau- und Immobilienangelegenheiten an einen Beigeordneten für notwendig erachtet wird.
Schlagabtausch


Oder wie Horst Lodde (Bündnis 90/Die Grünen) es formulierte: "Sie müssen sich künftig aus solchen Sachen raushalten, dann passiert so etwas auch nicht." Oder SPD-Fraktionssprecher Herbert Lames: "Ich würde befürworten, wenn der Stadtbürgermeister die Grundstücks- und Immobilienangelegenheiten delegieren würde, weil er sonst immer wieder Angriffsfläche bietet." Steen jedenfalls kündigte für den öffentlichen Teil der nächsten Stadtratssitzung die Aufnahme eines Tagesordnungspunkts zur generellen Regelung von Immobilienangelegenheiten an. Die Fraktionen würden dazu gemeinsam einen Antrag samt Beschlussvorlage vorlegen.
Stadtbürgermeister May reagierte auf diese Ankündigung gereizt. Er sagte: "Solch eine Forderung ist definitiv nicht tragbar: Sie hieße ja, dass ich nicht einmal über die Ausweisung eines Baugebiets abstimmen dürfte, weil mich ja künftig ein Kunde dort mit einer Immobilienangelegenheit betrauen könnte. Das ist abstrus."
Und er sagte weiter: "Dieser Forderung werde ich nicht nachkommen." Es entwickelte sich ein Schlagabtausch. Steen: "Nur um das klarzustellen: Der Antrag wird definitiv kommen." May: "Der Tagesordnungspunkt kann beantragt werden, aber ich werde ihn nicht zulassen."
Offensichtlich hochgeschaukelt hatte sich das Thema, weil May der Bitte von Steen nicht nachgekommen war, das Urteilsschreiben der Kommunalaufsicht dem Stadtrat vorzulegen. May sagte zu der neuerlichen Aufforderung: "Die Herausgabe des Schreibens indiziert die Unterstellung, dass ich lüge." Er habe die Befürchtung, so May, dass "das Schreiben nicht vertraulich behandelt wird".Meinung

Vertrauensverhältnis erschüttert
Das Tischtuch zwischen dem parteilosen Stadtbürgermeister Bernd May und den Fraktionen des Gerolsteiner Stadtrats ist fast zerschnitten. Das hat grundsätzlich mit der Konstellation von Mays Hauptberuf als Immobilienmakler und seinem Posten als Stadtbürgermeister, die eine große Schnittmenge bilden, zu tun. Das war zwar bereits vor Mays Wahl bekannt, aber nun ist aus der Theorie Praxis geworden. Vor allem aber ist das Vertrauensverhältnis nachhaltig erschüttert, weil May sich partout weigert, Kompetenzen abzugeben. Gut möglich, dass sie ihm per Ratsbeschluss genommen werden. Dann könnte aber auch bald eine Neuwahl fällig werden. m.huebner@volksfreund.de

Extra

Rechtsauffassung: Die Aufnahme von Tagesordnungspunkten zu einer Sitzung regelt Paragraf 34, Absatz 5, der Gemeindeordnung. Darin heißt es: "Auf Antrag eines Viertels der gesetzlichen Zahl der Ratsmitglieder oder einer Fraktion ist eine Angelegenheit, die zu den Aufgaben des Gemeinderats gehört, auf die Tagesordnung der nächsten Sitzung zu setzen." Bau- und Immobiliensachen gehören dazu. Eine Ausnahme besteht, wenn der Rat den Punkt innerhalb der vergangenen sechs Monate beraten hat. Weigert sich der Bürgermeister, einen Punkt auf die Tagesordnung zu setzen, haben die Antragsteller laut Hans-Josef Hunz, Büroleiter im Gerolsteiner Rathaus, die Möglichkeit, die Kommunalaufsicht anzurufen oder im Rahmen eines Kommunalverfassungsstreitverfahrens ihren Willen juristisch durchzusetzen. mh

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