Starker Aufwind für die Windkraft

Daun · Die Atomkatastrophe in Japan, die rot-grüne Landesregierung und eine leistungsstärkere Technik: Das Thema Windkraft ist plötzlich wieder in vieler Munde im Kreis. Die Genehmigungsbehörde geht davon aus, dass bereits in wenigen Jahren deutlich mehr als die bisherigen 93 Anlagen im Kreis stehen werden.

So wie derzeit in mehreren Gemeinden im Hillesheimer Land (der TV berichtete) kommt nach Jahren der Ruhe in immer mehr Dörfern das Thema Windkraft wieder auf die Tagesordnung. Die Gründe dafür liegen laut Uli Diederichs, dem für die Genehmigung von Windkraftanlagen (WKA) zuständigen Dezernenten bei der Kreisverwaltung Vulkaneifel, auf der Hand.

Sie seien vor allem politisch begründet - in der Reaktorkatastrophe in Japan sowie der neuen, rot-grünen Landesregierung.
Diederichs sagt: "Im Koalitionsvertrag der rot-grünen Landesregierung ist klar formuliert, dass der Ausbau der erneuerbaren Energien - und besonders der Windkraft im Land stark forciert werden soll. Von der großen Politik wird da jetzt ordentlich Dampf gemacht."

Bis 2030 zum Stromexportland

So solle Rheinland-Pfalz bis 2030 Stromexportland werden, also mehr Strom produzieren, als es selbst verbraucht. Diederichs konkretisiert: "Es ist festgelegt, dass sich der Anteil der Stromproduktion durch Windenergie im Land bis 2020 verfünffachen soll.

Das wird wegen der höheren Leistungsfähigkeit zwar nicht zu einer Verfünffachung der Anlagen führen, aber dennoch zu einer sehr, sehr deutlichen Zunahme."
Ebenfalls festgelegt ist, dass zwei Prozent der Landesfläche für Windkraft genutzt werden soll. "Das hört sich zwar nicht viel an, ist es aber", sagt Dieter Hein, stellvertretender Abteilungsleiter der Kreisverwaltung in Sachen WKA-Genehmigung.

Zügige Umsetzung

Damit das auch zügig umgesetzt wird, werden sowohl das übergeordnete Landesentwicklungsprogramm (LEP) in diesem Sinn fortgeschrieben und in dessen Folge auch die Raumordnungspläne, wie der für die Region Trier. Ziel ist es, dass neben den bislang schon festgelegten Vorrangflächen für Windenergie zahlreiche weitere Areale für die Windkraft-Nutzung ausgewiesen werden.

Ab Mitte 2012, so Diederichs, "werden es deutlich mehr werden". Mit den Genehmigungsverfahren für neue Anlagen rechnet er ab 2013. Er sagt: "Bislang wurden Anlagen nur in den dafür explizit ausgewiesenen Vorrangflächen genehmigt, künftig geht das mit Ausnahme der Ausschlussgebiete wie in Naturschutzbereichen grundsätzlich überall." Seine Prognose: "Es wird viel einfacher werden, Windkraftanlagen zu errichten. Demnach wird es auch schwieriger, welche zu verhindern."

Wald ist nicht mehr tabu

So ist auch der Wald, wie noch vor wenigen Jahren, nicht mehr tabu. Grund dafür sind die deutlich höheren Anlagen. So wird beim diskutierten Windpark im Hillesheimer Land, der komplett im Wald errichtet werden soll, über Anlagen mit 180 Metern Gesamthöhe gesprochen.

Da besteht nicht mehr die Gefahr, dass die Rotorblätter die Baumwipfel rasieren.
Und auch die höhere Leistungsfähigkeit der Anlagen sorgen für komplett andere Vorzeichen als noch Anfang des Jahrzehnts. Hein sagt: "Früher brauchte es eine Windstärke von 6,5 Metern pro Sekunden, heute reicht deutlich weniger, um eine Anlage wirtschaftlich zu betreiben."

Die Folge: Auch niedrigere Standorte kommen in Betracht.
Das haben mittlerweile auch etliche Gemeinden im Kreis spitzgekriegt - teils durch eigene Recherche, teils weil Anlagenbetreiber an sie herangetreten sind. Hein: "Viele Gemeinden sind daher an ihre Verbandsgemeinden oder direkt an die regionale Planungsgemeinschaft herangetreten. Denn sie sind sehr an zusätzlichen Einnahmemöglichkeiten interessiert. Und die Windkraft stellt nun einmal eine lukrative Möglichkeit dar."
Einnahmen für die Ortskasse


Während es bei den aktuellen Diskussionen in den Dörfern bislang ausschließlich um Gemeindeland geht und die Pachteinnahmen für die Anlagen in die Gemeindekasse fließen würden, dürften bald auch Privatinvestoren ihr Interesse bekunden.
Diederichs sagt: "Auf welcher Grundlage soll man einem Privaten eine Genehmigung versagen, die man zuvor einer Gemeinde erteilt hat? Das wird nicht funktionieren." Ob er mit einer neuen Klagewelle bei versagten Genehmigungen rechnet? Diederichs sagt: "Natürlich werden jetzt Begehrlichkeiten geweckt und der ein oder andere wird versuchen, auf dem Rechtsweg an eine Fläche zu kommen. Aber grundsätzlich bedarf es noch immer eines Gemeinderatsbeschlusses, um eine Anlage aufstellen zu können."

Meinung

Viele Konflikte und Diskussionen
Durch die Reaktorkatastrophe in Japan, aber vor allem die Wahl der rot-grünen Landesregierung wird sich das Landschaftsbild in der Vulkaneifel deutlich ändern: Auf den meisten Bergkuppen werden schon bald Windkraftanlagen errichtet werden. Denn erstens ist dies das erklärte Ziel der Landesregierung und besonders des grün geführten Wirtschaftsministeriums, in dessen Zuständigkeit das Thema Energieversorgung liegt. Und dafür wurden bereits die Rahmenbedingungen festgelegt. Zweitens ist mit der Windkraft viel Geld zu verdienen. Das interessiert die Betreiberfirmen wie die klammen Kommunen gleichermaßen. Es ist daher zu befürchten, dass die jahrelangen Bemühungen, die Windkraft auf wenige Standorte zu konzentrieren, um eine "Verspargelung" der Landschaft zu verhindern, umsonst waren. Aber saubere Energie gibt es eben nicht zum Nulltarif. Und diese "Kosten" sind immer noch deutlich geringer als die der Atomenergie. Dennoch muss es ebenfalls Ziel bleiben, WKA-Standorte weiterhin zu konzentrieren und vor allem solche Gebiete zu nutzen, die bereits "verbraucht" sind: wie Gewerbegebiete, Autobahn-, und Bahntrassen. Das könnte die sich anbahnenden Konflikte zwischen Gegnern und Befürwortern mildern. In diesem Zusammenhang verspricht ein weiterer Konflikt Zündstoff: Wer bekommt den Zuschlag auf Vulkankegeln, die die Landschaft prägen (Natur- und Landschaftsschutz, Tourismus), die hoch (Windkraft) und voll wertvollen Gesteins (Bergbau) sind? Da gibt es noch viel Diskussionsbedarf. m.huebner@volksfreund.de
Extra


Im Landkreis Vulkaneifel stehen 93 sogenannte raumbedeutsame Windkraftanlagen mit einer Nabenhöhe von mehr als 35 Metern. In der Verbandsgemeinde (VG) Obere Kyll stehen 63 Anlagen, in Scheid ist eine weitere genehmigt, aber noch nicht gebaut. 24 davon sind in Hallschlag, 18 in Ormont, elf in Scheid und zehn in Reuth. In der VG Daun stehen 13 WKA. Fünf in Sarmersbach, drei in Hinterweiler, jeweils zwei in Waldkönigen und Mückeln und eine in Bleckhausen. In der VG Kelberg sind zehn Anlagen installiert. Jeweils drei in Beinhausen und Lirstal, zwei in Boxberg, sowie jeweils eine in Katzwinkel und Uersfeld. In der VG Hillesheim stehen vier Anlagen: drei in Zilsdorf und eine in Wiesbaum. Am wenigsten WKA stehen bislang in der VG Gerolstein. Die drei Anlagen befinden sich in Kalenborn-Scheuern. Bislang wurden im Kreis noch keine alten gegen moderne und deutlich leistungsstärkere Anlagen ersetzt (Repowering). mh
Hintergrund


Laut Koalitionsvertrag der rot-grünen Landesregierung sollen zwei Prozent der Fläche von Rheinland-Pfalz künftig für Windkraft genutzt werden. Bei einer Landesfläche von knapp 20 000 Quadratkilometern sind das 400 Quadratkilometer oder 400 Millionen Quadratmeter. Das entspricht einer Fläche von rund 56 000 Fußballfeldern. Dabei wird der Norden des Landes vermutlich deutlich stärker in Sachen Windkraftnutzung berücksichtigt werden, da die Mittelgebirgsregionen Eifel, Westerwald und Hunsrück hoch liegen und somit ertragreiche Regionen darstellen. Auch im Landkreis Vulkaneifel, der rund 910 Quadratkilometer groß ist, gibt es schon jetzt ein deutliches Nord-Süd-Gefälle. Die mit Abstand meisten Windräder drehen sich bereits in der nördlich gelegenen VG Obere Kyll. mh

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